I'm alone. I'm always alone.

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Als ich am Morgen aufwachte, war die andere Seite des Bettes kalt. Ich streckte die Finger aus und suchte nach Melindas Wärme, fand aber nur das Leinen auf der Matratze. Ich hatte schon damit gerechnet, dass sie auch heute wieder leer sein wird, obwohl Melinda gestern schon wieder kommen sollte.
Gestern hatte ich Stunden auf sie gewartet. War bereits auf der Couch eingeschlafen. Bis ich mich schließlich entschied ins Bett zu gehen.
Ich machte mir wirklich Sorgen. Sorgen, dass sie mir immer noch Böse war. Auf meine unzähligen Anrufe hatte sie nicht reagiert und hat mich auch nicht zurück gerufen. Auch die Anrufe direkt im Hotelzimmer hat sie nicht abgehoben. Und selbst bei ihrer Freundin Allie bin ich nicht weiter gekommen.
Beruhigt habe ich mich dann damit, dass die beiden sicher ihren letzten Tag genießen wollten und sicher unterwegs waren.
Natürlich konnte ich es jedoch nicht erwarten sie wieder zu sehen, einfach um sicher zu gehen und weil ich sie wirklich vermisste.
Am liebsten würde ich noch im Bett liegen bleiben, noch eine Weile zu schlafen, doch es hätte eh keinen Sinn und an Schlaf war gar nicht mehr zu denken. Mein Kopf war voll mit Gedanken und das Licht schien bereits zu stark ins Schlafzimmer.
Also raffte ich mich auf und schlenderte in die Küche um mir einen Kaffee zu kochen.
Schon als ich die Treppe runterging, hörte ich Geräusche aus der Küche.

An der Küche angekommen, lehnte ich mich in den Türrahmen und begann zu lächeln. Melinda war wieder zu Hause und räumte in der Küche rum.
Sie hatte bereits den Tisch gedeckt und kochte gerade Kaffee. Melinda hatte mich noch nicht entdeckt, denn sie stand mit dem Rücken zu mir. 
Als ich zu ihr ging um sie zu umarmen, bemerkte ich, dass sie nur für eine Person gedeckt hatte. Wahrscheinlich hatte sie bereits gegessen.
Ich schlich mich von hinten an Melinda an und legte ihr meine Arme um die Hüften. Ich zog sie ganz dicht an mich und grub mein Gesicht in ihre Haare, welche nach Apfel dufteten.  
Dadurch, dass sie mich nicht gesehen hatte, erschrak sie unter meiner Berührung.
Doch dann war ich derjenige der sich erschrak. Und zwar über ihre Reaktion. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit dass Melinda sich sofort aus meiner Umarmung befreite, als würde sie sich vor mir ekeln, und mich dann weg schubste.
Mit einem verwirrten Gesichtsausdruck und offenen Armen stand ich da und starrte sie an.

„Hallo, Melinda...ich habe dich auch vermisst.“, sagte ich und befürchtete, dass sie immer noch sauer war, darüber dass ich sie nicht richtig verabschiedet habe.

„Du hast mich also vermisst.“, ihr Stimme zitterte.
„Ja...ja das habe ich...was ist eigentlich mit dir los.“
Sie schüttelte abwertend den Kopf und wendetet sich wieder der Kaffeemaschine zu, schüttete sich eine Tasse ein, nahm sich die Brötchentüte und setzte sich an den gedeckten Platz.
Mit offenen Mund schaute ich sie an.
„Sag mal, hast du geweint?“, fragte ich Melinda als ich ihre leicht roten Augen und die Schatten darunter sah.
Ich wollte ihr mit den Fingern über die Wange streicheln, doch sie drehte den Kopf weg und schlug meine Hand weg.

„Was mich nicht an!“, sie wurde etwas lauter und ich war total erschrocken. So hatte ich sie noch nie erlebt, „Hättest du dir nicht wenigstens was anziehen können?“
Das verwunderte mich, denn ich lief morgens immer in Boxershorts rum.

„Ist irgendwas passiert, Melinda?“.
„Ob irgendwas passiert ist? Das solltest du lieber dich fragen.“
Sie griff nach etwas, was auf dem Stuhl neben ihr lag. Ich erkannte, das es mein T-shirt war, als sie es mir ins Gesicht warf.
Erst dachte ich, sie wollte, dass ich mir etwas überzog, doch dann bemerkte ich, dass es das Shirt war, was ich trug, als Nina bei mir war.
Ich entfaltete es und sah auf die Blutflecken. Nina hatte ihren Kopf an meine Brust gelegt, als ich sie ins Haus getragen hatte.

„Wo kommen die Flecken her?“, fragte sie mich aus und ich verstand die Welt nicht mehr. Was war plötzlich aus ihr geworden. Ich wusste von Anfang an das Allie der falsche Umfang für Melinda war und ich wusste, dass Allie mich absolut nicht ausstehen konnte. Da war es kein Wunder das Melinda irgendwann begann sich zu verändern.

„Was soll das den jetzt?“
„Das war eine ganz normale Frage, Logan.“
„Ich...ich hatte Nasenbluten.“, log ich.
„Nasenblut? Logan...ich dachte du wärst ein besserer Schauspieler. Da tropft doch kein Blut hin,was aus der Nase kommt.“, sie zeigte auf die Stelle, wo die Flecken waren.

„Was ist dein Problem?“, ich verlangte endlich nach einer Antwort.
Sie kam auf mich zu und blieb kurz vor mir stehen. In ihren Augen stiegen nicht nur Tränen an, sondern ich konnte auch die Wut in ihnen sehen. Kaum hatte sich die erste Träne gelöst, hatte ich auch ihre Hand im Gesicht. Ihre Handfläche klatschte mit einer Wucht auf meine Wange, dass sich mein Kopf nach links drehte.
Ich schloss die Augen und legte meine Hand auf meine kribbelte Gesichtshälfte. Es war als könnte ich spüren, wie sich eine rote Hand in meinem Gesicht bildete. Ich spürte genau, wo ihre Handfläche auf meine Haut geklatscht war.
Erst nach eine Weile schaute ich sie wieder an.
Ihr Kiefer war total gespannt, da sie ihre Zähne fest aufeinander gebissen hatte.
Ohne sich danach umzudrehen griff sie nach einer Zeitschrift und gab sie mir grob in die Hand.

„Hier hast du dein Problem.“
Ich schaute runter zu meinen Händen und drehte das Cover in meine Richtung. Dort wurde ich von Melinda und von mir selbst angelächelt...und....und von Nina. Sofort als ich ihr Gesicht sah, wusste ich, es kann nichts gutes Bedeuten, wenn ich mit Melinda und Nina auf einem Cover war. Auch ohne den Titel zu lesen, konnte ich mir sicher sein.
Nur mit den Augen schaute ich hoch zu Melinda. Sie hatte wieder richtig angefangen zu weinen. Die Tränen liefen eine nach der anderen über ihre Wange. Wie lange hatte ich sie schon nicht mehr weinen sehen. Natürlich weinte sie öfters mal bei einem Film oder so, aber richtig weinen sehen, habe ich sie noch nie. Und es tat mir wirklich sehr weh, sie so zu sehen. Ich wusste, dass das was in diesem Magazine stand sie unglaublich verletzt haben muss. Und sie zu verletzten war nie meine Absicht gewesen. 
Ich fühlte mich schrecklich.

„Willst du nicht reinschauen?“, fragte sie mit schwacher Stimme.
Ich begann darin rum zublättern, bis ich die Seite fand.
'Was läuft da mit der Ex?'
Die fette Überschrift schrie mich beinahe an.Auf der Seite waren mehrere Bilder, auf denen Nina und ich „uns nahe kamen“. Das eine ist noch nicht lange her, auf Melindas Geburtstag, als wir beide draußen im Regen standen und redeten. Und ein weiteres großes, als ich Nina umarmte. An dem Abend, wo ich sie aus dem Stripclub geholt habe. 
Natürlich war Melinda beunruhigt und hasste mich nun noch mehr, als zuvor. Was war ich den auch so dumm und leichtsinnig. Das war doch klar, wenn ich mich an einem Stripclub aufhielt, dass die Paparazzi neugierig wurden. Und das sie bei der Geburtstagsparty waren, war sowieso klar gewesen. Aber in dem Moment habe ich absolut nicht daran gedacht. Das war eindeutig eins der schlimmsten Nachteile in der Öffentlichkeit zu stehen. Meistens wird man auf Schritt und Tritt verfolgt.

Schnell überflog ich den Text. So wie es hier steht, kam die Paparazzi erst nachdem wir den Club wieder verlassen hatten, sonst hätten sie das wichtige Detail, dass Nina da gearbeitet hatte erwähnt. Ich war mehr als froh und erleichtert darüber, selbst in meiner jetzigen Lage, denn Melinda starrte mich mit verweinten Augen an und erwartete eine Erklärung.
Bevor ich damit begann, schaute ich noch einmal zu der Doppelseite Betrug in meinen Händen. Erst jetzt entdeckte ich ein Foto von mir....von mir und Nina, als wir noch zusammen waren. Ich spürte wie sich ein Lächeln auf meinen Lippen ausbreiten wollte, doch ich versuchte alle um es zu verhindern. Ich war stark genug, es zurück halten zu können. Das wäre der größte Fehler, den ich jetzt begehen könnte.
In dem Text hatten sie geschrieben, ich hätte mich verändert und sei mit Nina viel glücklicher gewesen, man sehe es mir an.
Und dieses Bild mit Nina, spiegelte dies absolut wieder. Ich war erschrocken gewesen, zwischen dem Bild auf dem Cover und mit dem kleinen rechts in der Ecke mit Nina. Vielleicht mag es für Außenstehende nicht ganz so sichtbar sein, ich jedoch bemerkte es. Das Coverbild wirkte so...so gestellt. Und das andere war viel natürlicher, ohne das irgendjemand was verstellt hat.
Der Autor dieses Artikels war vollkommen berechtigt, diesen Verdacht, der Veränderung zu äußern. 
In meinem Gesicht war es komischer Weise deutlich zu erkennen, aber ich war mir nicht sicher ob ich dem zustimmen konnte. Ich war mir nicht sicher was sich im Inneren von mir verändert hat. Nicht sicher, ob sich da was verändert hatte. 
Zwar waren mir Veränderung meines Verhaltens gegenüber James, Carlos und Kendall aufgefallen. Aber nicht gegenüber Melinda. Ich war wirklich verunsichert, aber ich wollte nicht aufs Spiel setzten, was mich mit Melinda verbindet, was wir mit einander haben, was wir für einander empfinden. Unsere Liebe, wollte ich nicht aufs Spiel setzten und trotzdem war ich mit all dem was hier geschrieben wurde überfordert und es verunsichert mich sehr.

„Melinda ich...“, setzte ich an.
„Stimmt es? Kann ich dich nicht mehr glücklich machen? Sag es mir Logan.“
„Das sieht...“, ich war nicht in der Lage vollständige Sätze zu formulieren.
„Es sieht nicht so aus wie es ist? Ist es das was du mir zu sagen hast?“
Ich nickte nur, aus Angst meine Stimme würde versagen.

„Logan...ich dachte du hättest echt mehr zu deiner Verteidigung zu sagen. Aber du weißt schon, dass wir bald heiraten werden, oder?“

„Ja...Ja das weiß ich und das ist das was ich will okay? Ich will dich heiraten, weil ich dich liebe Melinda. Du musst mir glauben.“

„Ach...du liebst mich? Dann war das hier wohl nur ein kleiner Ausrutscher. Ich weiß doch nicht was danach noch gelaufen ist, während ich nicht da war.“

„Da ist rein gar nichts gelaufen...die Paparazzi stellen das in ein ganz anderes Licht und...“

„Versuch es mir gar nicht erst zu erklären...so machst du es nur noch viel schlimmer.“
Wir schwiegen uns an und doch war es als schrien wir. 
Das Klingeln an unserer Tür, durchbrach die Stille.
Melinda wischte sich die letzten Tränen aus ihrem Gesicht und machte sich auf, die Tür zu öffnen. Es war, als hätte ich gesehen wie sich ein fiesen Lächeln auf ihren Lippen verbreitete. Ein ungutes Gefühl überkam mich.
„Wer ist das?“, rief ich ihr hinterher.

„Ich habe Nina eingeladen, ich dachte du würdest dich darüber freuen.“, antwortete sie ohne sich umzudrehen.
                                                         *
Es war wie ein Déjà-vu. Zwar konnte ich mich nicht an die Nacht erinnern, in welcher ich hier vor Logans Tür stand, doch trotzdem musste mein Unterbewusstsein alles gespeichert haben. Hoffentlich wird es auch dort bleiben. Ich wollte mich auf keinen Fall an all das Peinliche erinnern, war ich gesagt haben könnte. Die Vorstellung war schrecklich. Ich schüttelte den Kopf.
Als ich Melindas Absätze heran stampfen hörte, bekam ich ein komisches Gefühl und ging lieber zwei Stufen runter. Zu recht. Kaum hatte Melinda mir die Tür geöffnet, marschierte sie mit zügigen Schritten und ausgestreckten Armen auf mich zu und schubste mich die letzte Stufe herunter. Für mich was es unmöglich nicht zu fallen.
Dadurch, dass ich noch auf einer Stufe stand, machte ich meinen Ausfallschritt in die Luft und viel nach hinten auf meinen Hintern und stütze mich mit den bereits zerkratzen Händen ab.
Sie stand da und schaute mich von oben an. Mit offenen Mund und deutlichem Schrecken saß ich im Kies und entfernte die Steinchen, die an meinen Handflächen kleben geblieben sind. 

„Spinnst du!“, schrie ich sie an.
„Das hast verdient!“, schrie sie zurück.
Ich sagte nichts mehr und starrte sie an. Man konnte genau sehen wie sie versuchte die Fassung zu halten, doch ich sah das sie bereits, aus mir unbekannten Gründen geweint hatte und es viel ihr sichtlich schwer, nicht wieder damit zu beginnen.
Schon nach kurzer Zeit gewann ich das Wettstarren. Melindas Fassade begann zu bröckeln, doch bevor die erste Träne rollen konnte, drehte sie um und ran weg. Ich konnte noch sehen, dass sie Treppe nach oben lief.

Noch war ich nicht in der Lage aufzustehen. Mir saß der Schock noch in den Gliedern. Was um alles in der Welt ist in Melinda gefahren? Was hatte ich ihr getan, was man nicht mit Worten regeln konnte?
Hatte sie heraus gefunden, dass ich vorletzte Nacht bei Logan war? Oh nein.
Jetzt wollte ich mich erst recht nicht bewegen, doch Hilfe war schon im Anmarsch.
Logan kam aus der Villa geheilt. In Boxershorts. Nur in Boxershorts. 
Mir viel es schwer ihn nicht anzustarren, während er mir auf die Beine half.

„Ist alles okay?“, fragte er besorgt und begann mir Staub vom Shirt zu klopfen.
„Ja...ja ich denke schon. Alles gut.“
„Es tut mir so leid.“, entschuldigte er sich für Melindas verhalten.
„Was ist in sie gefahren?“
Eben hatte Logan mich noch angeschaut. Nun sah er verzweifelt zu Boden. Logan schien wirklich bedrückt und ich wurde das Gefühl nicht los das es etwas mit mir zu tun hatte.

„Logan?“
Ich wollte ihn etwas beruhigen und ihn an der Schulter berühren, doch konnte nicht. Es schien mir falsch seine nackte Haut anzufassen. Ich wusste, wenn das ganze etwas mit mir zu tun hatte, dann war es mir nicht erlaubt. Dann wusste ich, ich war unter ständiger Beobachtung.
Doch auch ohne meine Berührung schaute er wieder zu mir. Sein Gesichtsausdruck war immer noch verzweifelt.

„Ich zeig es dir.“, sagte Logan und ging zurück ins Haus. Ich folgte ihm. 
Wir gingen in die Küche und er reichte mir eine Zeitschrift, die bereits aufgeschlagen war. Ich musste nur einen kurzen Blick drauf werfen, da wurde mein Verdacht, dass das alles etwas mit mir zu tun haben könnte, bestätigt.
Als ich wieder zu Logan hochschaute, merkte ich das er mich musterte und darauf wartete, dass ich etwas sagte.

„Das tut mir leid, Logan.“, war alles war ich heraus bekam. Das tat es mir auch, doch nur für Logan. Melinda gönnte ich dieses Gefühl. Das Gefühl, Angst zu haben etwas zu verlieren. Logan zu verlieren. Genau dieses Gefühl gönnte ich ihr aus tiefsten Herzen. Denn sie wusste nicht wie es sich anfühlte. Ich wusste es. Und nur einmal wollte ich, dass sie genau so empfand wie ich. Verlustangst. 

„Ich habe aufs Spiel gesetzt. Was wenn sie mich jetzt verlässt, wenn sie mich nicht mehr heiraten möchte?“
Die Verzweiflung in seinem Gesicht verletzte mich. Ich wusste er meinte es ernst. Ich wusste er würde um sie kämpfen. So wie ich es mir wünschte, er würde um mich kämpfen. So wie ich damals um ihn gekämpft habe. Ohne Erfolg.
Seine Liebe zu Melinda war echt. Das musste ich mir nun endgültig eingestehen.

„Soll ich mal mit ihr reden?“, bot ich ihm an.
Ein Funke Hoffnung blitze in seinen Augen auf. Ich machte es nicht gerne. Doch zu sehen wie schlecht es ihm ging, war für mich schlimmer, als mein eigener Schmerz. 

„Das würdest du tun?“
Ich nickte. Für dich würde ich alles tun, auch wenn es mich selbst fast umbringt.
Ohne noch etwas zu sagen, ging ich nach oben. Ich kannte mich ja bereits aus. Zwar wusste ich nicht genau wo deren Schlafzimmer war, aber so viele Räume gab es auf diesem Stockwerk nicht mehr, in denen ich noch nicht war.
Ich ging durch den langen Flur und wurde bald fündig. Ich hörte Melinda leise schluchzen.
Die weinenden Geräusche kamen aus einem abgedunkelten Raum.
Ich klopfte an die offene Tür. Sie sagte nichts.

„Melinda....darf ich reinkommen?“, fragte ich vorsichtig.
„Verpiss dich Nina!“; bekam ich als Antwort.
„Ich komme trotzdem.“
Durch die offene Tür fiel genug Licht in den Raum, damit ich die Umrisse aller Möbel erkennen konnte.
Melinda hatte sich in eine Ecke neben den riesigen Kleiderschrank gekauert, die Knie angezogen und die Arme darum geschlungen, als hätte sie Angst auseinander zu fallen. Das kannte ich nur zu gut.
Ohne irgendwas zu sagen, schritt ich durch den Raum und setzte mich neben sie.

„Wie geht's?“, die Frage konnte ich mir nicht unterdrücken. Die Frage war immer gut um ein Gespräch zu beginnen. Vielleicht war sie für dieses Gespräch nicht ganz passend.
Melinda schaute mich mit Tränen in den Augen und angehobenen Augenbrauen an.
Ich zuckte mit den Schultern und versuchte zu lächeln. Sie erwiderte es nicht.

„Hör mal...“, versuchte ich es erneut, „das ist nicht Logans Schuld. Es ist meine. Es tut mir leid.“

„Deine Schuld? Er hätte nicht drauf angehen sollen.“
„Ich...ich war etwas sentimental und ich wusste nicht was ich tue. Er wollte nur höflich sein.“
„Wirklich?“
„Wirklich. Er liebt...“, ich musste schlucken, „er liebt dich von ganzen Herzen. Nur dich.“
„Und was wenn er dich auch liebt?“
Ich unterdrückte die Wut, die gerate in mir aufstieg. Wie konnte ich damals mit ihr befreundet sein? Sie hatte überhaupt keine Ahnung von Freundschaft. Alles was sie interessiert ist sie selber. Und Logan. Aber ich bin ihr doch scheiß egal. Wenn sie wirklich meine Freundin wäre, dann würde sie mich nicht sowas fragen. 

„Er liebt mich nicht!“, sagte ich.
„Okay...“, sie lachte leise, „sonst hätte er ja nicht mit dir Schluss gemacht. Wir sind wohl sehr verschieden.“
Wow...sie attackierte immer direkt den empfindlichen Punkt. Lass sie nicht sehen, dass sie einen Treffer gelandet hat. Melinda hat nicht das Recht über mein Leben zu urteilten. Sie war glücklich verlobt, da konnte sie leicht vom hohen Ross ihrer moralischen Überlegenheit auf mich herab blicken. Was wusste sie denn von meinem Leben, von den Abenden an denen ich alleine zu Hause hockte, mir alte Spielfilme ansah oder dem leeren Haus ein Klavierkonzert gab. Die Kluft zwischen meinem und Melindas Leben waren zu groß, als dass eine Freundschaft überbrückt werden konnte.
Heute verbringe ich einen Großteil meiner Zeit nicht damit nach vorne zu sehen...sondern zurück zu blicken.
Doch ich ließ mir nichts anmerken, schließlich war ich hier um den beiden zu helfen und mich nicht  mit Melinda anzulegen. Ob es mir passte oder nicht.

„Ja...er hat sich für dich entschieden. Werfe das nicht weg.“
„Und was ist mit dir?“
„Mit mir?“
„Liebst du ihn?“
„Nein...nein tue ich nicht.“, sagte ich so überzeugend wie es nur ging.
„Sicher?“, bohrte sie nach.
Was bitte erwartete sie von mir? Das ich vor ihr in Tränen zusammen brach und sie anflehte mir Logan wieder zu geben? Das ich ihr beichte, dass ich ihn nie los gelassen habe und ihn noch genauso so liebe wie früher und es mir unendlich wehtut die beiden so glücklich zu sehen? Wenn sie das erwartete, dann kann sie lange warte. Niemals würde ich ihr gestehen wie schwach und verletzlich ich wirklich war, wie schwer es mir fiel das hier gerade zu tun. Ihre Beziehung zu retten.

„Ja Melinda, glaub mir. Ich bin über ihn hinweg. Lange habe ich gebraucht und lange musste ich kämpfen und nun habe ich es geschafft. Ich habe Logan Henderson losgelassen. Er kann gehen. Er gehört dir. So wie er es schon lange tut. Ihr liebt euch. Was sollte ich da schon bewirken können, um euch zu trennen. Außerdem habe ich dir doch gesagt ich habe einen neuen Freund.“

„Danke Nina.“, sagte sie und umarmte mich so gut es ging in unserer Position.
„Nicht dafür.“
„Ehmm...nur um sicher zu gehen....“
„Ich werde mich nicht an Logan ran machen. Versprochen!“, unterbrach ich sie.
Wir schwiegen. Ich wusste sie wartete darauf, dass ich sie nach ihrer Beziehung fragte.

„Wann ist denn jetzt eigentlich die Hochzeit?“
„Also wir wollen in drei Wochen standesamtlich heiraten und etwas später kirchlich.“
„In drei Wochen schon?“
„Ja und...“, da begann sie zu erzählen.
Sie erzählte mir was sie schon alles geplant hat. Von ihrem Hochzeitskleid, dass sie mit mir und ihren anderen Freundinnen nächste Wochen kaufen wollte, von der tollen Kirchen in der schon ihre Eltern geheiratet haben. Ich kannte diese Kirche und ich wusste dass es nicht die Kirche war, in der Logan sich wünschte zu heiraten. Logan und ich hatte uns einmal darüber unterhalten und er hatte mir gesagt, dass wenn wir beide einmal heiraten, dann in der kleinen Kirche, direkt am Strand. In die Kirche passten nicht viele Leute rein, doch das war ihm egal gewesen. Logan hatte nie vor viele Leute einzuladen. Nur die wichtigsten. Und mir hat es von Anfang an gefallen, bloß das er mich nicht mehr heiraten wollte. Noch heute kann ich mich an das Strahlen in seinen Augen erinnern, als er mir von seinen Vorstellungen erzählte.
Melinda laberte ohne Pausen weiter. Ich hatte aufgehört zu zuhören, als sie mir bis ins kleinste Detail beschrieb wie ihr Kleid auszusehen hatte.
Melinda war wieder ganz die Alte, ich hörte es daran wie sie mir alles erzählte. Der Stolz in ihrer Stimme. Die Vorfreude.
Ich dagegen musste mich zusammen reißen. Ich stand kurz davor los zu heulen und einfach weg zu rennen, wohin auch immer. Das wäre mir egal. Einfach nur weg. Ich biss mir auf die Lippen, dass ich Blut schmeckte.

„Willst du mal meinen Ring sehen?“, riss sie mich aus meinen Gedanken indem sie mich mit dem Ellenbogen an stupste. 

„Klar“, meine Stimme war mehr ein Flüstern.
Sie hielt ihre Hand in einen Lichtstrahl, der durch die Vorhänge ins Zimmer drang. Der Ring war sehr schlicht, passte jedoch perfekt an ihre zierliche Hand. Er reflektierte das Sonnenlicht, so das es aussah als glänze und blinke er. Was würde ich nicht dafür tun, dass ich diesen Ring am Finger tragen könnte.
Ich wusste ihre Hochzeit war gerettet, doch ich war mir nicht sicher was mit ihrem Ruf passieren wird. Den kann ich nicht beeinflussen und das hatte ich auch nicht vor. Der gute Ruf eines Menschen war ein so zerbrechliches Ding – ein kleiner Riss genügte, und alles lag in Scherben.
Ich wusste viele wollten mich an Logans Seite sehen, nicht sie. Bloß spielte Logan nicht mit.
Menschen sagen immer, wenn du etwas willst dann hol es dir, kämpfe dafür, was ist aber wenn es mich nicht will?
Logan möchte Melinda, nicht mich. Da zählt es auch nicht, wenn alle anderen es wollen.
Melinda stand ruckartig auf und schaute zu mir herab.

„Ich muss mich bei Logan entschuldigen.“, meinte sie und rannte weg.
Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf an die Wand. Jetzt ließen sich die Tränen nicht mehr zurück halten. Vereinzelt rannen sie meine Wange herunter.
Schnell wischte ich sie weg und versuchte damit zu warten, bis ich wieder zu Hause war. Ich wollte nicht das die beiden sahen, das ich weinte.
Ich rappelte mich auf und ging wieder nach unten. Ich sah wie Melinda Logan in die Arme sprang und er sie ganz fest an sich drückte.
Sie entschuldigte sich bei ihm, sie ließen sich nicht los. Nur kurz damit Logan ihr seine Lippen auf den Mund drücken konnte.
Mein Herz zog sich zusammen, ich bekam einen Schlag direkt in die Magengrube, was mir wieder Tränen in die Augen stiegen ließ.
Logan lächelte sie an. Sein wundervolles Lächeln, was für mich immer unantastbar bleiben wird.
Ich schlang die Arme um meinen Körper, jetzt war ich diejenige, die zu zerbrechen drohte.
Und wieder drückte er sie an sich. Es war kaum auszuhalten. Der Anblick, wie sein nackter Oberkörper Melinda berührte. Wie sie ihre Arme um seinen Hals schlang. Die ganze Liebe die sich in diesem Raum ausbreitete. Die Beiden...wie sie sich liebten.
Das alles war zu viel für mich, ich musste schleunigst hier raus. Ich ging, ohne mich bemerkbar zu machen und sah nur noch wie Logan's Lippen ein „Danke“ formten, wonach sie gleich wieder Melindas Lippen suchten.
Ich verließ die Villa, zog die Tür hinter mir zu und ging ein paar Schritt, blieb dann aber stehen. Ich fühlte mich, als würde ich nie wieder in meinem Leben zu einem klaren Gedanken fähig  zu sein. Bis ich registrierte, dass der Nebelschleier vor meinen Augen von den Tränen kam, die mir das Gesicht herunter strömten.
Ich schnappte nach Luft und ein Schluchzer schien mir die Kehle zusammenzuschnüren. Ich war stumm und hob die Hand, um mir das Gesicht abzuwischen. 
Ich stand einfach da, mitten auf dem Hof ohne etwas zu tun. Ohne etwas ins Auge gefasst zu haben. Ich fürchtete, mich nie wieder bewegen zu können
Warum habe ich das getan? Warum? Logan wäre sicher selber in der Lage gewesen, dass zu klären. Selbst wenn nicht, dann wäre es doch nur zu meinen Vorteil gewesen. Ich habe sie wieder einander näher gebracht. Und ich...ich war allein. Ich war allein. Ich werde immer allein sein.
Ich ging in die Knie und legte mein feuchtes Gesicht in meine Hände. Ich hasste mich selber, für das was ich bin, für das was ich getan habe.
Eins ist mir wieder einmal klar geworden. Wenn einem das Herz gebrochen wird, muss man wie verrückt kämpfen, damit man spürt, dass man noch am Leben ist. Und denn Schmerz den man fühlt, dass ist das Leben!
Und die Verwirrung und die Angst, die sind da, damit man nicht vergisst, dass es da draußen etwas besseres gibt. Und das es sich lohnt dafür zu kämpfen!
Noch hatte ich es nicht gefunden, das wofür es sich lohnte stark zu sein. Bis jetzt war Logan der Mittelpunkt meines Lebens und ich befürchtete, er wird es immer sein.

Ich wusste nicht wie lange ich hier kniete, als sich jemand vor mich kniete und mir seine Hände auf die Schultern legte. Erst dachte ich es wäre Logan gewesen, doch ich hatte Ausnahmsweise einmal Glück.

„Nina, was ist passiert?“, fragte mich Kendall.

                                                         *
Ich packte Nina bei den Händen und zog sie auf die Füße. Ihre Augen waren ganz rot und ihre Hände zitterten.

„Du hast ja keine Ahnung, Kendall.“, weinte sie und warf sich mir in die Arme.
Da sie hier auf Logans Grundstück stand, musste es wohl etwas mit ihm zu tun  haben.
Ich legte ihr einen Arm um die Hüfte, mit der freien Hand streichelte ich ihr übers Haare. Nina vergrub das Gesicht an meiner Brust. Wir verharrten eine Weile, bis ich vorschlug ein Stück zu gehen und uns auf die Bank um die Ecke zu setzten. 
Sie nickte und wir gingen los.
An der Bank angekommen, setzten wir uns und ich nahm ihre Hand. Ich schaute in ihre verweinten Augen und sah den Schmerz. Sie funkelten nicht, nur die Leere schrie aus ihnen heraus. Ihre Unterlippe bebte und wollte selbst dann nicht aufhören zu zittern, als sie mit den Schneidezähnen drauf biss. Eine Träne löste sich aus ihrem rechten Auge. Ich streckte meine Hand nach ihr aus und wischte sie ihr von der Wange.

„Ich bin so ein Idiot...“, sagte sie und begann mir alles zu erzählen. Ich wusste wie schwer es ihr fiel mir davon zu erzählen. Davon das sie schwach war, dass sie nicht stark genug war, einfach wieder zu gehen. Das sie Logan nicht leiden sehen konnte. Und doch wusste ich, dass sie genau jetzt jemanden brauchte, dem sie alles erzählen konnte.
In jedem ihrer Worte sprach der Schmerz zu mir. In jedem Wort hörte ich die Verzweiflung und die Angst. Die Angst, dass alles hier nicht durch zu stehen.

„Du liebst ihn immer noch, richtig?“
Sie nickte.
„Immer noch...ich habe nie aufgehört ihn zu lieben. Er fehlt mir so sehr, dass es weh tut. Alles was ich will, ist solange wie möglich bei ihm zu sein. Aber sag mir wie kann ich?“
Ich legte ihr wieder einen Arm um die Schulter und drückte sie an mich.
„Ich bin für dich da.“
Sie sollte ihn hassen, doch sie kann es nicht.

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