♦ 1. Kapitel

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Ein merkwürdiger Geruch stieg mir in die Nase. Er erinnerte mich an Krankenhäuser, Ärzte und Infusionen. Erschrocken öffnete ich die Augen und sah mich um. Im ersten Moment blinzelte ich gegen das grelle Licht an und sah mich um. Hektisch versuchte ich mir klar zu machen, wie ich in ein Krankenhaus kam. Aber ich fand keine Erinnerung daran, wie ich hier her gekommen war und was ich hier zu suchen hatte. Mein Puls beschleunigte sich. Panisch sah ich mich um. Niemand war zu sehen. Ich war alleine. Hilflos sah ich mich nach diesem Knopf um, den man drücken konnte, wenn man etwas von einem Arzt brauchte. Doch in meiner Hektik fand ich keinen. Tränen der Frustration brannten in meinen Augen. Das Gerät, an dem ich angeschlossen war piepte immer heftiger, was darauf schließen ließ, dass auch mein Herz immer kräftiger Schlug.

Wo war ich hier?

In welchem Krankenhaus?

Was war passiert?

Wo waren meine Eltern?

All diese Fragen schwirrten in meinem Kopf herum, doch ich erinnerte mich an keiner dieser Dinge, die mir eine Antwort darauf geben könnten. Die Tür ging endlich auf und ein Arzt kam herein. Sanft legten sich seine Hände auf meine Schultern und er drückte mich behutsam in die Matratze zurück.

»Atmen Sie ruhig, Ms. Davis. Sie sind im Memorial Hospital. Sie sind ausgerutscht, als sie einem Balken ausweichen wollten und sind sehr stark auf den Kopf gefallen. Ihre Eltern müssen jeden Moment kommen. Wissen Sie, in welcher Stadt wir uns befinden?« Seine Stimme war angenehm sanft und beruhigte meinen Puls tatsächlich.

»Äh... ich wohne mit meinen Eltern in Bayview«, antwortete ich und hoffte, dass wir dort noch immer lebten. Der Arzt lächelte. »Schön, dass Sie sich noch an einen Teil zu erinnern scheinen. Wie alt sind Sie?«

»15«, antwortete ich. Das Lächeln verrutschte ein Stück und er notierte etwas auf einer Akte.

»Ihr Gedächtnis scheint eine Lücke von drei Jahren aufzuweisen, Ms. Davis. Sie sind bereits 18. Wissen Sie noch, auf welche Schule Sie gehen?«, erklärte er mir und sah mich forschend an.

»Auf die Bay View Highschool«, antwortete ich ihm. Er nickte und notierte sich wieder etwas. Tausende Fragen tobten in mir und sie brannten mir auf der Zunge.

»Wie konnte das mit dem Holzbalken passieren?«, platze es auch schon aus mir heraus. Der Mann hob wieder den Blick von der Akte und sah mich an.

»Der LKW geriet auf der Straße in der Nähe Ihrer Schule ins Schleuder, da er versucht hatte, einem klein Wagen auszuweichen. Dabei lösten sich ein paar Gurte, die wie Balken festhielten. Zeugen haben berichtet, dass Sie ausgewichen sein. Dabei sind Sie dann gestolpert und hart auf den Kopf gefallen«, gab er mir preis. Ich runzelte die Stirn. LKW? Klein Wagen? Ausgewichen? Zeugen?

Wie um alles in der Welt kann ich diesen LKW nicht gesehen haben, schoss es mir durch den Kopf. So dumm konnte doch wirklich niemand sein, oder? Ich meine, war ich echt so ein Tollpatsch? Oder hatte mich etwas anderes zu sehr beschäftigt. Das Schlimme war, dass ich mich kein Stück daran erinnern konnte. Eigentlich müsste so ein Vorfall einen ja jahrelang verfolgen, aber ich erinnerte mich nicht daran. Alles, an was ich denken konnte, war mein Geburtstag vor drei Jahren, an dem ich von allen ausgelacht wurde, weil ich einen Kuchen mit in die Schule gebracht hatte. Sie lachten, weil sie meinten, dass ich damit immer dicker werden würde. Ein Stechen machte sich in meinem Kopf breit und ich sah schwarze Punkte vor meinen Augen. Der Arzt vor mir schien etwas zu sagen, doch ich bekam nichts mehr mit. Kurz darauf nahm mich einmal wieder die Dunkelheit ein.

***

»Sie ist wieder eingeschlafen?«, hörte ich jemanden fragen. Diese Stimme kam mir nicht bekannt vor. Und doch löste sie ein komisches Kribbeln in mir aus. Ein Kribbeln, was ich nicht so ganz beschreiben konnte.

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