Lachend saß ich am Tisch neben Eva und sah zu, wie sie den Schokokuchen in sich hineindrückte. Mittlerweile war ihr Mund schon voller Schokolade und auch ihre Nase hatte davon etwas abbekommen. Es schien ihr also zu schmecken. River hingegen hatte sich zwar ein Stück genommen, aber kaum ein Wort gesagt, nachdem wir die Küche verlassen hatten. Auf einer Seite war es ganz gut, auf der anderen machte es mir Angst. Und ich wusste nicht so genau, ob das gut oder schlecht war.
Verfiel er jetzt wieder in sein altes Muster oder waren wir jetzt Freunde oder so etwas? Gedankenverloren nahm ich einen Bissen von meinem Kuchen und beobachtete Eva, die ihren Kuchen weiterhin in sich verschlang und sich kurz darauf ein zweites Stück nahm. Gerade als es so aussah, dass River etwas zu mir sagen wollte, ging die Tür auf und zwei Stimmen erklangen. Sofort huschte mein Blick auf die Uhr. Kurz nach 17:00 Uhr. Meine Augen wurden groß. Nun warf auch River einen Blick auf die Uhr und auch seine Augen wurden groß.War ich so lange hier gewesen? So lange kam es mir gar nicht vor... Anscheinend schaffte es diese Familie, dass ich die Zeit vergaß. Beziehungsweise River schaffte dies. »Wir sind zu Hause!«, erklang eine weibliche und melodische Stimme, die wie die ältere Version von Evas Stimme klang. Die Schritte kamen näher und in mir wurde der Fluchtinstinkt geweckt. Noch mehr Menschen, die ich nicht kannte. Na ja, eher nicht mehr kannte. Aber würden sie mich mögen? Mochte ich sie? Was, wenn sie mich gar nicht hier haben wollten? So viele Fragen, dich ich einmal wieder nicht beantworten konnte und das machte mich fertig. In meinem Kopf schien sich alles zu drehen und meine Gedanken schienen einmal wieder Achterbahn zu fahren, anstatt einmal einfach ruhig zu bleiben.
Dann verstummten die Schritte plötzlich und ich spürte zwei Blicke, die wie Feuer auf meiner Haut brannten. »Mallory! Wie schön dich zu sehen!«, begrüßte mich Rivers Mutter sofort. Das Lächeln auf ihren rosigen Lippen war echt und ihre Augen funkelten, als wäre gerade ich größter Wunsch in Erfüllung gegangen. Gerade als sie auf mich zustürmen wollte, hielt ihr Mann sie davon ab. »Lora, verschreck Mallory doch nicht so. Sie hat ihr Gedächtnis verloren. Gib ihr etwas Zeit.« Rivers Mutter – Lora – nickte und ihre Wangen färbten sich leicht rot. »Entschuldige, Mallory. Es ist nur so lange her, dass du mal hier im Haus warst. Und sonst hat River auch nicht wirklich viel über dich hören lassen«, erklärte sie. Ihr letzter Satz versetzte mir einen komischen Stich im Herzen.River hatte nicht viel von mir gesprochen? War das jetzt etwas Gutes oder war das einfach nur River an sich? Vielleicht wollte River ja nicht so gerne über mich reden, weil seine Eltern ihn dann immer ausquetschten oder aber wir hatten einen Streit oder so ähnlich. Oder es ging um den Jungen, den ich angeblich liebte. Wiedermal fuhren meine Gedanken Achterbahn und davon hatte ich jetzt endgültig genug. Damit sollte Schluss sein. Mein Kopf fing an zu pochen und mir wurde ganz heiß. Ich wollte nicht mehr so viele Fragen haben. »Mallory? Ist alles okay bei dir?«, fragte River besorgt. Seine grünen Augen scannten mich von oben bis unten ab, so dass ich das Gefühl hatte, er würde jeden noch so kleinen Millimeter von mir scannen. »Äh ja«, brachte ich leise hervor. River runzelte die Stirn, nickte dann aber und schnappte sich unsere leeren Teller. Hilflos sah ich ihm nach, wie er in die Küche verschwand. Es war komisch, sich fremd zu fühlen, wenn man doch wusste, dass alle einen kannten. Und doch fühlte ich mich so fremd. Mit so vielen Fragen, die mir vermutlich niemand wirklich beantworten konnte.
»Möchtest du vielleicht zum Abendessen bleiben, Mallory?«, erkundigte sich Rivers Vater. Gerade wollte ich antworten, da fiel mir ein, dass ich Rivers Nachnamen nicht wusste und auch nicht wusste, wie sein Vater hieß. »Ich denke, dass geht in Ordnung, Mr. -«, begann ich dann doch stockte aber, da ich seinen Nachnamen nicht wusste. Ein verständnisvolles Lächeln zierte seine Lippen. Seine Miene wirkte warm und vertraut. »Mr. Raymond, aber nenn mich Josh, Mallory.« Erleichterung machte sich in mir breit. Seine Eltern schienen mich zu mögen. »Okay, Mr. Ray- Josh. Danke«, sagte ich und verbesserte mich in letzter Minute. Es war irgendwie komisch von vorne zu beginnen, wenn man genau wusste, dass sie anderen dir gegenüber dich schon so gut kannten und du doch alles über sie vergessen hattest. Kurze Zeit später kam River wieder ins Wohnzimmer. Sein Blick landete kein einziges Mal auf mir und es schien fast so, als würde er sich dafür hassen, dass er nicht auf die Uhr gesehen hatte. Während die Luft im Raum immer mehr voller Anspannung zu strotzen schien, fing Eva an zu reden und berichtete ihren Eltern von meinem leckeren Kuchen. Während ich River ansah. Hoffte, dass er mich auch ansah. Doch er hob kein einziges Mal den Blick von seinen Füßen.
DU LIEST GERADE
Lost souls ✔
Teen Fiction♦ Mallorys Leben ändert sich von heute auf morgen, als sie einen Unfall hat und dabei ihren Kopf schwer verletzt. Diese Verletzug führt dazu, dass sie einen Teil ihres Gedächtnisses verliert. Ihr "neues" Leben wird die reinste Achterbahnfahrt. Nich...