♦ 7. Kapitel

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Erleichterung machte sich in mir breit, als ich unser Haus erblickte. Doch sie verschwand sofort wieder, als ich den Wagen von Mace am Straßenrand erblickte. Vermutlich hatte er einen anderen Weg zu unserm Haus genommen, denn während meines Heimweges hatte ich ihn keine Sekunde lag gesehen. Wie von selbst blieb ich stehen. Ich könnte jetzt einfach in der Seitengasse verschwinden und über das Gartentor in den Garten kommen. Oder ich stellte mich ihm. Oder ein Wunder würde geschehen, was ich allerdings nicht wirklich glaubte. Also holte ich tief Luft und lief auch den Wagen zu. Mein Herz klopfte wild in meiner Brust. Auf einer Seite wollte ich mit ihm reden, auf der anderen Seite wollte ich es nicht. Wenn dieser Kerl sein Freund war, dann konnte ich manche Dinge einfach nicht glauben.
Gut, es konnte auch sein, dass der Typ sich vor Mace verstellte, aber ich hatte mir vorgenommen nicht mehr alles so einfach zu glauben. Doch bevor ich seinen Wagen erreichen wollte, ging die Tür von Rivers Haus auf und erschien im Türrahmen. Fragend sah ich ihn an.

»Kannst du kurz reinkommen, Mallory?! Meine Schwester hat sich verletzt und na ja, sie möchte mich nicht reinlassen. Nur eine Frau. Wäre das okay?!«, rief er mir zu. Mein Blick huschte für einen Moment zu Mace, der jetzt vor seinem Wagen stand. Dann wieder zu River. River wirkte ernst und sehr besorgt. Mit Mace könnte ich wann anders auch noch reden. Wenn kleine Mädchen nur Frauen sehen wollte, konnte es auch etwas ziemlich Ernstes sein. Also warf ich Mace einen entschuldigenden Blick zu, auch, wenn ich irgendwie erleichtert war, dass River nach meiner Hilfe fragte, dann ging ich, nachdem ich geschaut hatte, ob ein Wagen auf der Straße fährt, hinüber zu River. Er lächelte mich sanft an aber in seinen Augen funkelte eine Emotion, die ich noch nie an ihm gesehen hatte. Kurz darauf schloss er die Tür.

»Wo ist deine Schwester?«, fragte ich besorgt. Ein Schmunzeln zuckte um seine Mundwinkel. Es dauerte ein bisschen, bis ich verstanden hatte, dass das alles nur ein Trick gewesen war. »Du hast gelogen?!« Perplex sah ich ihn an. Er zuckte mit den Schultern. »Ja, du sahst nicht so aus, als wolltest du mit ihm reden.« Ich sah ihn einfach nur an. Einerseits wollte ich ihn anschreien. Ihm sagen, dass das scheiße von ihm war, doch auf der anderen Seite hatte er ja auch recht. Aber ich verstand ihn auch nicht wirklich. Auf einer Seite fand er es besser, wenn er sich scheiße verhielt, auf der anderen hatte er mir gerade geholfen. »Du bist so anstrengend, River. Deine Stimmungsschwankungen machen mich fertig.«

Er lachte leise. »Komm. Du kannst am Tisch deine Hausaufgaben machen.« Sagte er und lief ins Wohnzimmer. Schnell streifte ich mir meine Schuhe ab und folgte ihm. Etwas an seinem Haus kam mir bekannt vor. Denn so wohl und geborgen hatte ich mich noch nie in einem fremden Haus gefühlt. Na ja, glaubte ich zumindest. Wer weiß. Vielleicht war das ja in den letzten drei Jahren schon passiert, schoss es mir durch den Kopf, doch diese Gedanken warf ich schnell wieder beiseite.

Mein Blick flog im Wohnzimmer umher. Es war in einem hellen Orange gehalten und hatte eine warme Ausstrahlung. An den Wänden hingen Bilder der Familie. Und an der Wand über dem Sofa prangerte ein Spruch.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Ein Schmunzeln zuckte um meine Lippen. Der Spruch war wahr. Irgendwie. Ein Räuspern riss mich aus meinen Gedanken und ich drehte meinen Kopf zu River. Seine Miene war sanft. Nicht so wie sonst. Es sah fast so aus als würde er sich freuen, dass ich hier war. Als würde er es schön finden, dass ich in seinem Wohnzimmer stand. Diese Erkenntnis brachte mein Herz dazu, einen Moment auszusetzen. Gerade hatte er noch etwas sagen wollen, doch jetzt war er still. Niemand sagte etwas. Er sah mir nur tief in die Augen. So tief, dass ich befürchtete, er könnte in meine Seele sehen. Auch, wenn ich nicht genau wusste, was man da jetzt vorfand, nachdem ich drei Jahre meines Lebens vergessen hatte. Eigentlich sollte ich ja froh sein. Laut meinen Eltern waren es drei schlimme Jahre gewesen, doch ich war nicht glücklich. Alles ist besser, als drei Jahre seines Lebens einfach so zu vergessen. Ich denke, früher hätte ich mir das vielleicht gewünscht. Aber jetzt wo ich das Ausmaß dieses Ereignisses sah, gestand ich mir ein, dass es doch besser wäre, man würde sein Gedächtnis nicht verlieren.

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