♦ 5. Kapitel

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Mein Herz schlug wild in meiner Brust und ich fühlte mich unbehaglich. Selbst im Schulhaus lagen die Blicke der anderen noch auf mir. Krampfhaft versuchte ich meinen Blick auf den Boden gerichtet zu lassen. Doch es wollte nicht klappen. Immer wieder begegnete mein Blick dem der anderen und jedes Mal zuckte ich zusammen. Manche sahen mich so an, als wäre ich ein Freak. Andere flüsterten den anderen etwas zu und sahen mich misstrauisch oder verächtlich an. Aber das Schlimmste waren noch nicht einmal ihre Blicke. Es waren die Wörter, die sie sagten. Und jetzt bestätigten sich meine Sorgen, die ich die ganze Zeit verdrängt hatte.

»Ich wette ja, dass Mallory das nur macht, damit sich Mace schlecht fühlt. Vermutlich hat sie ihr Gedächtnis nicht einmal verloren. Sie ist so billig«, flüsterte ein blondes Mädchen und wandte ihren Blick dabei nicht von mir. Ein Stich durchfuhr meine Brust und ich schluckte gegen den Kloß in meinem Hals an. Fragte mich, wieso das von mir gedacht wurde.
Wieso sollte ich das machen? Wieso sollte ich mit so etwas spaßen? Das war eine ziemlich ernste Sache, von der ich mir wünschte, dass sie niemanden passierte. War das denn so schwer zu glauben, dass ich mein Gedächtnis verloren hatte? Wirklich?
War ich denn damals so gewesen? Eine Lügnerin?

Krampfhaft versuchte ich mich daran zu erinnern, doch ich fand einfach keine Worte dafür. Ich wusste es nicht. Und diese Sache gefiel mir nicht. Nach einiger Zeit fing auch mein Kopf an wieder wehzutun, was die Sache nicht besser für mich machte. Unaufhörlich rieb ich mir über die pochenden Schläfen, doch es wurde nicht besser. Und die Blicke der anderen wurden nicht besser. Keiner kam auf die Idee mich zu fragen, ob alles in Ordnung bei mir war. Keiner kam auf die Idee, dass ich nicht nur schauspielerte. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich warf einen Blick auf den Zettel, den mir meine Mutter geschrieben hat. Doch die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen und mein Kopf pochte immer mehr. Ich versuchte noch immer mich an etwas aus meiner Vergangenheit zu erinnern. Auch, wenn ich es unbewusst machte. Meine Brust hob und senkte sich in flachen Atemzügen. Der eh schon schmale Gang – in meinen Augen war er schmal – schien mit jedem Atemzug noch schmaler zu werden. Alle schienen mir näher zu kommen. Ich war ein Reh im Rampenlicht. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Aber niemand sah mich voller Nettigkeit an. Nein. Mit Hass. Verachtung. Spott. Und obwohl ich immer versuchte den Blick zu senken, schoss mein Blick in der nächsten Sekunde wieder nach oben. Tränen brannten in meinen Augen.

War ich wirklich so ein schlimmer Mensch gewesen? Womit hatte ich das verdient? Wieso glaubten sie mir nicht? So viele Fragen, aber ich traute mich nicht, sie danach zu fragen. Vermutlich würde ich eh keine Antwort bekommen, schoss es mir in den Kopf. Die Schüler standen so dicht bei mir, dass ich keinen Blick auf die Schließfachnummern werfen konnte. Nun stellte sich ein Junge vor mich. Genau in den Weg. Und seine Freunde stellten sich um mich herum.

War das derjenige, der mich mobbte?

Denkbar war es zu dem Zeitpunkt gewesen...

»Du bist so erbärmlich, Mallory. Du musst nicht so tun, als hättest du dein Gedächtnis verloren, nur damit sich Mace um dich sorgt. Ehrlich nicht. Er wird dich nie lieben. Niemals.« Der Spott triefte nur so in seiner Stimme und jagte mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Alles in mir spannte sich an und ich senkte den Blick. Wollte den großen Jungen vor mir nicht ansehen. Stattdessen richtete ich meine Aufmerksamkeit auf meine Schuhe und bewunderte sie dafür, dass sie relativ sauber waren.

»Ach bist du jetzt ganz still, Fetty?«, höhnte er. Die Tränen, die zuvor nur in meinen Augen gebrannt haben, rannen nun meine Wangen hinab. Seine Freunde lachten. Wie er mich ansah konnte ich nicht sagen, da ich noch immer meine Schuhe ansah. Nun ertönte auch sein Lachen. »Ach es macht fast keinen Spaß dich ohne ihn zu mobben. Aber wie immer weinst du. Du bist so schwach, Fetty.«

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