♦ 12. Kapitel

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Das Wochenende war schließlich schleppend vergangen. Den Sonntag hatte ich damit verbracht, in meiner Filmesammlung herumzustöbern, um herauszufinden, was ich gerne so angeschaut hatte und was nicht. Dann hatte ich mir ein paar davon angeschaut und den Gedanken an meine Tante verdrängt, die gestorben war und alles vergessen hatte. Ich hatte die Gedanken an River und Mace verdrängt und einfach so getan, als wie wäre nichts passiert, was besser war, als sich die Wahrheit einzugestehen. Die Wahrheit war nämlich, dass seine Worte schmerzten und ich nicht einmal wusste, wovon er da sprach. Und das machte mich fertig. Es machte mich so fertig, dass ich nicht einmal genau wusste, was ich getan haben sollte. Wann hatte ich mich für Mace entschieden? Hatten sie mir ein Ultimatum gestellt?

Es schien, als ob jeden Tag jede Menge Fragen dazu kamen. Und ich fand einfach keine Antworten dafür. Seufzend fuhr ich mir über mein Gesicht und sah mich im Spiegel an. Ich wirkte blass und unter meinen Augen zeigten sich dunkle Augenringe. Und das war nicht gut. Wirklich nicht gut. Es zeigte mir, dass mich die Sache mit River sehr beschäftigte. Ich hatte ihm sogar geschrieben, aber ich hatte keine Antwort bekommen. Also ging ich davon aus, dass er mir heute aus dem Weg gehen würde. Allein der Gedanke versetzte mir einen Stich, obwohl man meinen könnte, dass River mir egal sein sollte, da ich ihn ja kaum kannte. Die Sache war allerdings die, dass ich etwas fühlte, wenn er in meiner Nähe war. Und es ging nicht weg. Es war eine tiefe Verbundenheit. Und das konnte ich nicht leugnen. Deswegen tat es umso mehr weh, zu wissen, dass er mich ignorieren würde. Tief holte ich Luft und wandte den Blick. Ich hatte lange genug in den Spiegel gestarrt. Meine Hand legte sich um den Türknauf und ich drückte ihn hinunter, dann trat ich aus dem Bad heraus und lief den Flur entlang, zur Treppe.

Kaum war ich unten angekommen, begrüßten mich meine Eltern. »Guten Morgen, Prinzessin.« Ich lächelte meinen Vater an, dann meine Mutter. »Guten Morgen, Schatz.« Langsam lief ich mich neben meinem Vater auf den Stuhl nieder und sah ihn an. Er las mal wieder die Zeitung. Wie immer. Ich erinnerte mich wage an den Grund, wieso ich keine Zeitung las. Einfach deswegen, weil man manche Dinge einfach nicht hören konnte. »Wie kannst du das lesen, Dad?«, fragte ich ihn und sah ihn neugierig an. Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, Prinzessin. Ich lese einfach.« Dann war es kurz still, bis Mum mit den Pancakes kam. Sofort erinnerte ich mich an River und spürte einen Stich in der Brust. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. »Ist alles in Ordnung, Schatz?« Besorgt sah mich meine Mutter an. Schnell nickte ich und setzte ein Lächeln auf. »Alles super.« Skeptisch beäugte sie mich. »Sicher? Du hast kaum über Samstag gesprochen und gestern hast du dich in deinem Zimmer versteckt.« Meine Mutter schien mich gut zu kennen. Fast zu gut. Und das erinnerte mich wieder an River. Innerlich seufzte ich. Mich würde vermutlich immer etwas an ihn erinnern. »Ja, weil ich das von meiner Tante erfahren habe...«, redete ich mich heraus. Meine Mutter nickte traurig. Ein Stich durchzog meine Brust und ich wollte nur noch zu Hause bleiben.

Auf der anderen Seite wollte ich aber auch nicht zu Hause bleiben und wie das verletzliche Mädchen wirken. Auch, wenn ich das war. Allein der Gedanke daran, dass River mir keine Beachtung schenken würde und Melody mich wahrscheinlich mobben würde oder so etwas, setzte mir ordentlich zu und sorgte dafür, dass mein Magen rebellierte. Etwas in mir wollte nichts mehr als zurück ins Bett zu schlüpfen, die Decke über meinen Kopf ziehen und so tun als wäre ich nicht da. Aber die andere Seite in mir wollte wie gesagt raus. Wollte ihnen zeigen, dass ich nicht schwach war. Also holte ich tief Luft und machte mich daran, zu frühstücken. Dabei versuchte ich die Gedanken an meine bevorstehenden Stunden zu ignorieren. Etwas, was mir allerdings nicht wirklich gelang, da ich genau wusste, dass es schlimm werden würde.

Eine gute halbe Stunde später verabschiedete ich mich von meinen Eltern und lief in den Gang. Dort zog ich meine Sneaker über und schnappte mir meine Jacke. Darauf schulterte ich meine Tasche und öffnete die Türe. Ich erstarrte, als ich den Wagen von Mace vor meinem Haus stehen sah. Im Moment war ich mir einfach nicht sicher genug, was ich von der ganzen Sache halten sollte und wem ich trauen konnte. Und doch verspürte ich ein kleines Kribbeln im Magen, als er ausstieg und mir zulächelte. Sein Lächeln wirkte echt und nicht im Mindestens aufgesetzt. Dazu funkelten seine Augen und für einen Moment rückte er damit alle Zweifel zurück. Auch, wenn ich wusste, dass das nicht gut war. Langsam schloss ich die Tür hinter mir und trat auf ihn zu. Je weiter ich kam, desto mehr merkte ich, wie sich auch langsam ein Lächeln auf meinen Lippen bildete. Innerlich rief ich mich zur Vernunft, doch es wollte einfach nicht verschwinden. Ein Teil von mir war wirklich froh, dass er hier war. Ein anderer Teil wollte, dass er mir endlich die Wahrheit sagte und ein anderer Teil wollte dass er verschwand. Und ich stand zwischen diesen drei Teilen und wusste nicht, was ich zuerst fühlen sollte.

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