♦ 13. Kapitel

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Die Klingel läutete das Ende der Stunde und auch gleichzeitig das Ende des Tages an. Total erschöpft stand ich auf und schulterte meine Tasche. In Scharen stürmten die Schüler aus der Tür, während Ms. Trevor sich bemühte die Hausaufgaben aufzugeben. »Seiten 10 und 11 bis morgen. Ich will, dass ihr euch alle darüber Gedanken macht, was wir heute besprochen haben!« Doch ihre Stimme ging in den Gesprächen der Schüler unter und keiner bekam die Hausaufgabe mit, außer mir. Seufzend lief ich der Menge hinterher und wünschte mir nicht seliger, als endlich dieses Gebäude zu verlassen. Doch das würde vermutlich nicht so schnell passieren, wenn die alle so langsam gingen. Erst hatten sie es eilig, und wenn sie aus dem Klassenzimmer draußen waren, liefen sie so langsam, dass man meinen könnte, dass sie jeden Moment einschlafen. Laut räusperte ich mich, doch es schien keinen zu interessieren. Und dann liefen sie auch noch in so großen Gruppen, dass niemand vorbeikam. Seufzend versuchte ich mich durch die dichte Menge zu kämpfen, doch ich kam nicht besonders weit. Zum ersten Mal wünschte ich mir, dass ich nicht wie ein Geist durch die Schule lief, sondern so herum lief wie Mace oder River. Doch ich wusste genau, dass das nicht so schnell passieren würde.

»Na wen haben wir denn da?«, erklang eine Stimme dicht neben mir. Sofort erkannte ich die Stimme. Melody. Mir wurde übel und am liebsten wäre ich einfach weggerannt, doch die Menge vor mir schien immer dichter zu werden. So dicht, dass ich einfach keinen Weg nach draußen sah. Seufzend drehte ich meinen Kopf zu ihr. »Was ist?« Sie schüttelte nur grinsend den Kopf. Es war allerdings kein nettes Grinsen. Nein. Es war kühl. Sie wirkte wie die Eiskönigin persönlich. Und das gefiel mir nicht. Schließlich hatte ich ihr ja nichts getan. Oder? Ich war mir da einfach nicht mehr sicher.
»Du bist so erbärmlich, Mallory. Ernsthaft. Ohne Mace oder River bist du so aufgeschmissen. Das ist so zum totlachen. Wirklich. Du hast weder River noch Mace verdient. Besonders, da du wirklich glaubst, dass Mace sich für dich interessiert, obwohl seine Taten doch das Gegenteil bewiesen haben. Du bist wirklich naiv«, sagte sie und lachte kalt. Wieder einmal runzelte ich die Stirn, da ich einfach nicht verstand, was genau sie damit meinte. Welche Taten von Mace meinte sie? Warum sprach sie es nicht einfach aus? »Ich weiß noch immer nicht, wovon du redest«, antwortete ich ihr und sah dann stur geradeaus. Innerlich betete ich, dass sich bald eine Lücke auftun würde und der Tag hier in der Schule endlich vorbei war. Melody schnaubte abfällig. »Hör doch endlich auf so zu tun als hättest du dein Gedächtnis verloren, Mallory. Wirklich. Das nervt und es ist ein dummes Spiel. Mace fühlt sich doch nur schlecht. Und River auch. Die beiden lieben dich nicht. Vergiss das doch einfach und begreif endlich, dass dich mit dieser Figur niemand lieben wird. Da müsste diese Person schon bl-«, fing sie an, doch wurde sogleich unterbrochen.

»Wenn du das jetzt zu ihr sagst, dann schwöre ich, lernen wir uns kennen!« Die Stimme war eiskalt und ernst. Ein Schauer jagte meinen Rücken hinunter und ich drehte mich zu Mace. Er sah sie wütend an. Seine braunen Augen wirkten schwarz und es sah so aus, als würde er ihr jeden Moment an die Gurgel springen. Melody verschränkte die Arme vor der Brust. »Mal ehrlich, Mace. Glaubst du wirklich, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat? Ernsthaft? Bist du so dumm oder tust du nur so? Du fühlst dich doch nur schlecht! Das macht die Sache auch nicht wieder gut! Egal, was du hier versuchst! Wir wissen beide, dass du die Vergangenheit nicht ändern kannst!«
Wütend sah sie ihn an, während ich nur Bahnhof verstand. Ehrlichgesagt wusste ich nicht, über was sie da sprachen. Und ich wollte es auch irgendwie nicht. Ich hatte ein Bild von Mace in meinem Kopf und ich wollte nicht schon wieder mein Bild über jemand ändern müssen. Ich wollte nicht, dass ich schon wieder nichts wusste. Ich wollte nicht alleine dastehen. Ich wollte nicht wissen, ob mich hier alle anlogen, denn dann wäre ich wieder bei Anfang. Ohne etwas, auf das ich verlassen konnte. Ohne etwas, was wirklich stimmte.

»Das hat dich nicht zu kümmern, Melody!«, zischte Mace und zog mich sanft an seine Seite. Die Schüler hatten mittlerweile Platz gemacht. Melody schnaubte wütend und Tränen schienen in ihren Augen zu funkeln. Dann drehte sie sich einfach um und machte sich auf den Weg nach draußen. »Danke, Mace«, murmelte ich leise und sah ihr hinterher. Mace nickte. Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte verdächtig. Nachdenklich sah ich ihn an. Die Worte von Melody schienen ihm zugesetzt zu haben, was mir sagten, dass an ihren Worten doch etwas dran sein musste. Und diese Erkenntnis gefiel mir nicht. Absolut nicht. Doch ich wusste, dass ich daran auch nichts ändern konnte. Nicht mehr. Aber ich wollte wissen, was sie damit meinte. Und hoffentlich würde ich das heute Abend herausfinden. Denn wenn nicht, dann müsste ich mir etwas anders überlegen. »Kein Problem, Mal. Ich find es einfach schäbig von ihr zu glauben, dass du das bloß spielst«, erklang plötzlich seine Stimme wieder. Diesmal sah er etwas entspannter aus, aber man sah ihm an, dass ihm etwas ganz und gar nicht passte. Er war noch immer wütend, was aber zu verstecken versuchte. Also spielte ich das Spiel einfach mal mit. »Sie ist da ja nicht die Einzige«, murmelte ich deswegen und sah mich um. Die Blicke der Schüler lagen schon wieder auf uns, als wie wären wir Einhörner im Zoo. Mace nickte. »Ja. Sie macht das aber nur, weil ich mich für dich interessiere. Nicht, weil sie es wirklich glaubt.« Seine Worte verwirrten mich noch mehr.

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