Mein Magen rumorte. Die Tür war zwar geschlossen, aber man hörte deutlich, dass kein Lehrer im Raum war, denn die Schüler lachten noch laut und schienen mit einem Ball im Klassenraum zu spielen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Nach dem verwirrenden Gespräch mit River war ich mir mehr als sicher, dass er mir nicht mehr so schnell aus der Patsche helfen würde. Vermutlich, da es „besser" war. Was auch immer das heißen mag. Zögerlich ging ich auf die Tür zu. Mir blieben zwei Optionen. Warten bis der Lehrer kommt und dann mit ihm das Zimmer betreten und dabei wie der letzte Feigling wirken oder das Klassenzimmer jetzt betreten und mich den Löwen zum Fraß vorwerfen. Ehrlichgesagt war beides dumm. Aber sich den Löwen zum Fraß vorwerfen war immer noch besser als wie ein Feigling das Zimmer zu betreten.
Also nahm ich tief Luft und betrat kurz darauf den Raum.
Sofort lagen alle Blicke auf mir, was mir nun wirklich nicht passte, aber viel dagegen tun konnte ich nun mal nicht. Vermutlich wusste die ganze Schule, was mir passiert war. Kein Wunder. Hier schien die Gerüchteküche jeden Tag ein neues Gerücht zu kochen. So schien es mir jedenfalls.»Sieh mal einer an. Fetty hat sich ja doch hier her getraut. Hat River dich etwa nicht zu deiner Mutter gebracht? Oder besser noch. Er hätte dich ins Krankenhaus zurück bringen sollen, damit sie dir dein Fett absaugen«, sagte der großgewachsene Junge von vorhin. Wissentlich ignorierte ich seine Worte. Auch, wenn sie tief saßen. Dass ich keine Traumfigur hatte, wusste ich. Dass ich nicht wie Heidi Klum war, wusste ich auch. So würde ich nie sein. Aber das gab ihm kein Recht, mich deswegen fertig zu machen.
Ohne ihn weiter eines Blickes zu würdigen, lief ich auf einen freien Platz in der letzten Reihe und setzte mich in den mittleren Gang. Weder als Fenster, noch an die Wand. Wenn ich mich an die Wand setzte, kam ich mir irgendwie komisch vor. Und wenn ich mich ans Fenster setzte, fühlte es sich irgendwie so an, als könnte mich jeder beobachten. Also war die Mitte der perfekte Platz.»Fetty? Sprichst du jetzt nicht mehr? Hast du etwa zu deinem Gedächtnis noch deine Stimme verloren oder was?«, bohrte der Riese weiter, was alle anderen im Raum zum Lachen brachte. Auch, wenn ich mir sicher war, dass einige nur lachten, weil sie dazugehören wollten, was die Sache wirklich traurig machte. Fand ich zumindest. Stur sah ich weiter gerade aus. Darauf bedacht, ihm keine Beachtung zu schenken. Ihm nicht zu zeigen, dass seine Worte wehtaten. Er hat kein Recht dazu, schoss es mir durch den Kopf.
Das nennt man Mobbing.
Doch ob das Mobbing war oder nicht, schien niemanden zu interessieren. So sah es jedenfalls aus. Ob es mir wehtat oder nicht, war den allen so was von egal, was total traurig war. Sie schienen sich ihm zu fügen. Etwas sagte mir allerdings, dass er nicht derjenige war, der mich zuvor gemobbt hatte. Vielleicht hatte er dazu gehört, aber irgendwie glaubte ich nicht, dass nur er es gewesen war. Solche Typen waren doch nie alleine. Auch, wenn er seine „Freunde" bei sich hatte. Alle von ihnen hielten immer schön ihre Klappe.
In dieser Truppe musste es mindestens noch einen geben, der sein Maul aufriss. Gut, ich hoffte es nicht, denn einer war schon genug. Aber die Erinnerungen an die Zeit, an der ich fünfzehn war zeigten mir deutlich, dass es in solchen Gruppen mindestens zwei „Anführer" gab.
Diese Erkenntnis war beunruhigend. Sehr beunruhigend. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Vergeblich versuchte ich diesen hinunter zu schlucken. Doch es wollte mir nicht gelingen. Innerlich fragte ich mich, ob das je ein Ende haben würde, oder erst, wenn ich die Highschool hinter mich gebracht hatte. Darauf konnte ich mir allerdings keine Antwort geben. Gerade wollte der Riese aufstehen, als ein Lehrer hereinkam. Sofort waren alle still und setzten sich von den Tischen auf ihre Stühle. Der Blick des Lehrer schweifte über die vielen Schüler, bis sein Blick schließlich bei mir hängen blieb und aus seiner ernsten Miene ein freundlicher und warmer Ausdruck wurde. Allerdings konnte ich nicht ganz sagen, warum das so war.»Wir werden mit der Gruppenarbeit von letzter Woche weitermachen. Ich würde euch bitten, Mallory wieder mit einzubeziehen und ihr alles zu erklären. Und eins noch. Die Gruppe von Mallory wird auf Mallory zugehen und nicht Mallory auf euch. Damit das klar ist.« Sein Ton war streng und ernst. Er warnte sie insgeheim das zu tun, was er sagte. Vermutlich wusste er, dass sie das nie ohne seine Anweisung getan hätten. Damit lag er vermutlich nicht mal so falsch, schoss es mir durch den Kopf. Ein paar Schüler rollten mit den Augen, glaubte ich zumindest zu sehen und andere stöhnen frustriert und unmotiviert. Schließlich kamen zwei Mädchen und ein Junge auf mich zu. Sie wirkten nicht allzu freundlich aber auch nicht so gemein. Jedenfalls das eine Mädchen schien noch ganz nett zu sein. Auch, wenn mir das Mitleid in ihrem Blick nicht gefiel.
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Lost souls ✔
Teen Fiction♦ Mallorys Leben ändert sich von heute auf morgen, als sie einen Unfall hat und dabei ihren Kopf schwer verletzt. Diese Verletzug führt dazu, dass sie einen Teil ihres Gedächtnisses verliert. Ihr "neues" Leben wird die reinste Achterbahnfahrt. Nich...