♦ 17. Kapitel

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Das Kribbeln in meinem Magen wurde stärker, als River immer schneller wurde. Wie von selbst krallte ich mich enger an ihn, was dafür sorgte, dass seine Atmung kurz stockte. Ich genoss das Gefühl der Freiheit, was durch meinen Körper floss und versuchte, nicht mehr an all meine Fragen zu denken. Und es klappte. Zumindest für den Moment. Es war wunderbar, so schnell über die Straße zu brettern. Doch etwas in mir wusste gleichzeitig auch, dass das Kribbeln in meinem Bauch nicht nur wegen der schnellen Fahrt verursacht wurde. Eine kleine Stimme flüsterte mir zu, dass es wegen Rivers Nähe war. Er war so nah. Ich spürte jeden seiner gleichmäßigen Atemzüge. Spürte eine Verbindung zwischen uns, die ich nicht leugnen konnte. Das wollte ich auch gar nicht. Genüsslich schloss ich die Augen. Wollte mich nicht mehr von ihm lösen. Bei ihm sein. Und das klang so verrückt. Noch vor ein paar Tagen war ich im Krankenhaus gewesen und jetzt benahm ich mich, als würde ich ihn schon ewig kennen. Das war verrückt.

Einfach verrückt. Aber daran konnte ich nichts ändern. Darin war ich mir sicher. Ich konnte nichts ändern. Nicht, wenn mein Herz in seiner Nähe schneller schlug. Nicht, wenn jede Faser meines Körpers nach seiner Nähe schrie. Nicht, wenn ich den Kuss nicht einfach vergessen konnte. Nicht, wenn ich wusste, dass mich und ihn etwas verband. Leise seufzte ich und stellte mir vor, wie er mich küssen würde. Mich an sich ziehen würde. Mich zu seinem machen würde. Erschrocken riss ich die Augen auf und blinzelte. Einmal. Zweimal. Hitze breite sich in meinen Wagen aus und ich war froh, dass mein Gesicht unterm Helm versteckt war, sonst wäre es etwas peinlich gewesen. Und schließlich kam die Maschine zum Stillstand. Wieder einmal rührte ich mich nicht. Kein Bisschen. Nein. Beharrlich presste ich mich noch näher an River und betete, dass er meine Arme nicht von seinem Körper lösen würde. Das geschah auch nicht. Ich spürte nur ein Beben, was von seinem Körper ausging. Er lachte. Leider hörte ich es wegen meines Helms nur gedämpft. Und doch spürte ich die Schmetterlinge, die durch meinen Bauch flogen.

»Meinetwegen können wir für immer hier sitzen bleiben, Rainbow. Kein Problem«, hörte ich ihn sagen. Röte schoss in meine Wagen. Dann glaubte ich ihn leise sagen zu hören: »Dann bin ich bei meinen zwei liebsten Dingen der Welt.« Doch ich war mir nicht sicher, da ein Auto an uns vorbeirauschte und seine Worte im Lärm des Motors untergingen. Schließlich löste ich meine Arme von ihm und stieg von der Maschine. Als ich beide Beine am Boden hatte, zog ich mir den Helm vom Kopf und schüttelte meine Haare, dann brachte ich sie wieder in Form. Mir entging der stechende Blick von River nicht. Seine grünen Augen funkelten wie zwei Smaragde.
So intensiv. So eindringlich, dass meine Knie weich wurden. Unter seinem Blick fühlte ich mich plötzlich nicht mehr so unschön. Plötzlich kam ich mir nicht mehr so vor, als würde ich eine Kleidergröße zu viel tragen. Wenn ich in seine Augen sah, bekam ich das Gefühl, dass ich mich selbst lieben sollte. Denn so, wie er mich ansah, brachte er mich dazu, zu glauben, dass ich wunderschön war. Denn, wenn ich mich aus seinen Augen sehen würde, würde ich genau das sehen. Ein Kloß bildete sich in meinen Hals und ich senkte den Blick. Für einen Moment war es still, dann sprach er: »Willst du vielleicht noch mit rüber?«

Überrascht blickte ich auf, doch nickte schnell, bevor ich realisieren konnte, was ich da als Antwort von mir gab. Auf Rivers rosigen Lippen bildete sich ein Lächeln. »Okay, dann komm.« Er stieg ab und schob seine Maschine über die auf die andere Straßenseite. Bei ihm sah es fast so aus, als würde die Ducati nichts wiegen. Er musste sehr viele Muskeln haben. In dem Moment schoss mir ein Bild von seinem Körper ins Gedächtnis. Von dem Tag, als ich ihm den Kuchen gebracht hatte. Mein erster Tag aus dem Krankenhaus. Mein Mund wurde trocken und schien der Sahara zu gleichen. Und gleichzeitig spürte ich, wie meine Haut ganz heiß wurde, allein bei dem Gedanken daran, wie die feinen Wassertropfen seine Brust hinab gerannen waren. Ich schluckte trocken. Versuchte verzweifelt dieses Bild aus meinem Kopf zu verbannen.

So in meinen Gedanken vertieft merkte ich gar nicht, wie River schon längst zum Stehen gekommen war, weswegen ich in seinen Rücken lief. Mein Nasenbein krachte gegen seine feste Muskulatur, was mich vor Schmerz aufstöhnen lies. Sofort drehte er sich um und sah mich besorgt an. »Ist alles okay, Mallory?« In seinen Augen funkelte Sorge. So viel Sorge, dass ich spürte, wie sich mein Herz vor Rührung zusammenzog. Ich holte tief Luft und nickte. Fasste mir dabei aber an meine Nase. Er runzelte leicht die Stirn. »Hast du etwa nicht gesehen, dass ich angehalten habe?«, fragte er und inspizierte meine Nase. Röte schoss mir in die Wangen. »Ich war in Gedanken«, gab ich leise von mir. Ein Schmunzeln erschien auf seinen Lippen, dann tastete er vorsichtig meine Nase ab.
»Tut das weh?«, fragte er leise und sah mir tief in die Augen. Siedende Hitze stieg in mir auf und meine Haut schien in Flammen zu stehen. Mein Herzschlag setzte aus, nur um dann doppelt so schnell weiter zu schlagen. Langsam schüttelte ich den Kopf, da ich meiner eigenen Stimme nicht mehr traute. Zwar pochte meine Nase, aber es tat nicht weh.

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