Kapitel 14 - ✔️

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Rosalie

Verwirrt sehen mich die beiden an und ich muss die Augen kurz schließen um mich wieder zu sammeln.

»Er ist nicht da.
Er ist nicht da.
Alles gut. Er ist nicht da«, berichtet mir das Mantra in meinem Kopf und versucht damit mein pochendes Herz zu besänftigen.
Langsam verschwinden die bändigen Kopfschmerzen wieder und Gedanken fallen vor meine Augen, die für den Moment wichtig sind.

Was ist passiert ? Habe ich geschrien ?
Bitte nicht.

»Was machst du da auf dem Boden ?«, bricht Kim die Stille und ihre Lippen zucken für einen Moment. Sie scheint nichts gemerkt zu haben.

Manchmal frage ich mich ob es wirklich nicht so offensichtlich ist, wie ich immer denke. Und dann wieder bin ich dankbar dafür.

»Ich musste auf Toilette und dann war da diese Spinne...«, lüge ich und deute in eine Ecke in der sich tatsächlich eine kleine Spinne ihr Netz gesponnen hat. Sie macht mir keine Angst.

Die angespannte Stille, in er ich hoffe das sie mir das abkaufen, wird durch schallendes Lachen ersetzt und kichernd öffnet Lucy die Tür ein Stück weiter und hilft mir beim aufstehen. Meine paranoiden Blicke in alle Ecken des Badezimmers übersieht sie.
»Und ich dachte schon«, meldet sie sich zu Wort.
»Mann, Rosie, eine Spinne, dein Ernst ?«
Beinahe tadelnd ziehen mich die beiden zurück ins Wohnzimmer und drücken mich auf das Sofa zurück.
Möglichst unauffällig sehe ich mich um und suche nach roten Augen voller Hass.

»Du dummer Angsthase !«, kichernd greift Lucy ins Popcorn und lässt den Film weiterspielen, als sei nie etwas geschehen. Aber es ist etwas geschehen, bei mir. Tief in mir wächst meine Angst wieder. Sie ist immer da und manchmal frisst sie mich.

Beim vierten Teil von Harry Potter schläft Kim schon auf der Hälfte des Films ein und als auch Lucy sich in eine Decke einrollt, schalte ich den Bildschirm aus. Für heute wars das wohl. Ein verrückter Tag.

So leise wie möglich lasse ich die beiden zurück und verlasse die gemütliche Wohnung. Ich habe Glück, im Hausflur brennt Licht und meine Angst vor der Dunkelheit lässt sich für zehn Sekunden mehr eingrenzen.
Ich will nicht aus dem Licht in die Nacht treten. Es kostet mich einiges, nicht wieder umzudrehen und mich bei meinen Freundinnen aufs Sofa zu kuscheln. Aber es gibt kein Zurück mehr.
Wieso muss es denn auch schon kurz vor halb zwei sein ?

Die Straße liegt ohne ein Licht vor mir und ich kann nur durch Schatten meinen Weg bahnen. Bei jedem Geräusch zucke ich zusammen und mein Herz möchte nichts mehr, als aufhören zu arbeiten. Die Dunkelheit erstickt mich und schon an der ersten Ecke beginnt mein Körper zu zittern.
Es ist kalt draußen und schaudernd fliegen meine Augen unbändig von links nach rechts.
Das Gefühl verfolgt zu werden, lässt all meine Nackenhaare aufstellen.

Als ein Auto dicht an mir vorbei fährt, erstarrt mein Körper augenblicklich. Es hat angehalten.  Die Rücklichter blenden mich und die stumme Hoffnung, es würde doch weiterfahren wird zerstört.
Ich traue mich keinen Schritt mehr voran. Die Situation ist gruseliger als ich in jedem Film dargestellt, das hier ist real.

Hält es wegen mir an ?
Warum hält es an ?
Müsste ich nicht langsam wieder atmen ?

Aber daran ist gar nicht  zu denken, der Schock ist viel zu groß, als die Fahrertür aufspringt und ein langes Bein sich auf der Straße abstellt.
Eine riesige Gestalt steigt aus und dreht sich in meine Richtung.
Mein Körper verkrampft sich.

Wird er mich entführen ?
Wer ist das ?
Warum steigt er hier aus ?
Was soll ich tun ?

Tausende Gedanken bringen meinen Kopf an seine Grenzen und aber als ich denke in Ohnmacht zu fallen, weil in mir alles am einstürzen steht und ich keine Chance gegen die breite Gestalt habe, wird mein Kopf mit nur einem Wort leer gefegt.

ROSE - Warum weinst du? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt