Kapitel 2 - ✔️

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Rosalie 

Gegen sechs Uhr stehe ich auf und husche ins Badezimmer, um mich frisch zu machen. Dabei wasche ich mir nur meine Haare.
Im Schlafzimmer ziehe ich einen schwarzen Pullover an und gehe dann in die Küche, um mir einen Tee zu machen.

Ich trinke gerne Tee. Am liebsten aber Kakao. Kaffee ist mir zu bitter und ich fühle mich damit älter, als ich bin. Viele sagen, dass man Kaffee im Laufe der Zeit braucht, aber ich sträube mich dagegen. Ich kann nicht glauben, dass dieses braune Gebräu jemals etwas wie köstlich sein wird. Vielleicht bin ich aber auch ziemlich albern.

Gegen viertel nach sieben verlasse ich mit einer Jeansjacke und meiner schwarzen Handtasche das Haus, um zur Arbeit zu laufen.
Mein Weg führt mich vorbei an unzähligen Menschen, über viele Ampeln und durch ein kleines Stück des Central Parks, der um diese Uhrzeit langsam aufwacht. Geheuer ist mir das alles nicht. Ständig und überall Leute, das macht einen doch verrückt, oder nicht?
Jeder Mensch hat seine Hautfarbe und seine Haare.

Wie mich das erschreckt ...

Als ich um kurz vor acht am Laden ankomme und die Tür öffne, ist im Innern noch niemand, bis auf zwei meiner Kolleginnen. Eine von ihnen ist ein braunhaariges Nervenbündel mit stechend grünen Augen – Lucy.
Sie trägt, anders als ich, ein T-Shirt, was dem warmen Wetter wohl näher kommt, und ein hübsch blaues Halstuch.
Wir umarmen uns kurz, als sie mich entdeckt, und meine Laune (und ein Gefühl der Sicherheit) steigt in mir auf.
Wenn ich morgens das Haus verlasse, drohen mir vor Angst die Knie zu brechen. Ich stehe vor einem Nervenzusammenbruch und wenn es mir besonders schlecht geht, hilft mir manchmal nur wegrennen.

»Hey, na wie geht's?«, frage ich sie und lächle freundlich.
»Gut und dir?«
Ihre Augen mustern mich misstrauisch und sie scheint noch etwas sagen zu wollen, dann aber lächelt sie bloß und wartet, bis ich rede.
»Auch«, murmle ich und vergesse mich kurz in meinem nächtlichen Alptraum.
Meine kurze Abwesenheit scheint ihr nicht aufzufallen und sie gibt  sich damit zufrieden. Ohne weitere Hinderung komme ich an ihr vorbei und verschwinde in den Büroräumen im hinteren Teil des Ladens.
Lucy und ich sind schon eine ganze Weile Freunde und ich bin froh, sie zu haben. Sie kann stur und unberechenbar sein. Ihr Kopf lebt nach seinen eigenen Regeln und nur wenig ist ihr peinlich. Sie ist der triftige Gegensatz zu mir, denn sie macht alles, was ich mich nie im Leben trauen würde.
Aber ich bin auch nicht das Paradebeispiel von einem Menschen.

Lucy kenne ich durch Kim.
Kim und ich haben noch vor ein paar Monaten zusammen in einem Café am Time Square gearbeitet, bis ich schließlich den Job gewechselt habe und nun hier bin.
Kim war schon damals mit Lucy befreundet, die beiden kennen sich schon ewig und leben daher auch gemeinsam in New York.
Sie hat mir auf der Arbeit schon von einer Mitbewohnerin erzählt und bei einer Verabredung nahm sie Lucy kurzerhand mit und stellte sie vor.
Die Brünette war mir auf Anhieb sympathisch und da Kim ihr zu vertrauen schien, tat ich es auch.
Seitdem sind wir drei unzertrennlich. Wir lachen und weinen zusammen und sind sehr gute Freunde geworden.
Ich bin froh die beiden zu haben, auch wenn sie nicht einmal die Hälfte meines Lebens kennen ...
Ich halte es nicht für nötig andere Menschen mit meinem Leben zu belasten.
Wenn ich Angst habe, ist das mein Proble ...
Niemand muss von meinem Dad und seinen Taten wissen, die er bestimmt nicht aus Absicht vorführt hat. Der Alkohol hat ihn einfach verändert.

Ja, ja, meine Liebe, sei so naiv und denke weiter, dass dein Dad durch deine Flucht endlich aufgehört hat, dich zu hassen und ihm das alles sehr leid tut ...

Es war bloß ein Glas zu viel, mehr nicht ...

Er verfolgt dich, weil er ein Schwein ist! So ist es!
Wieso siehst du es nicht endlich ein und lässt dir und deinem Körper helfen?

ROSE - Warum weinst du? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt