Kapitel 43

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Der Wagen fegt sicher aber schnell durch New York und stumm fallen meine Tränen.
Ich kann einfach nicht verarbeiten was gerade fast passiert ist.
Es macht mich fertig.

James sitzt angespannt neben mir. Manchmal, wenn ich laut schniefe sehe ich wie seine Finger am Lenkrad sich festigen.

Aus Reflex sitze ich mit angezogenen Knien und meine Arme darum, auf dem Autositz und versuche immer noch mich so gut es geht zu schützen.

Es ist egal ob ich gerade vielleicht sicher bin, denn das bin ich nicht wirklich.

Die Stadt zieht an mir vorbei, kleiner werden die Hochhäuser und irgendwann fällt mir unterbewusst ein, dass meine Wohnung schon längst vorbei ist.
Wir fahren an ersten Villen vorbei, bis wir schließlich auf sicherem Abstand zu den anderen Häusern, an James Schloss ankommen.

,,Du dachtest doch nicht ehrlich, dass ich lüge'' sagt er in die Dunkelheit und schüttelt belustigt aber auch ungläubig den Kopf, während er das Fenster öffnet und seine Hand rausstreckt.

Vor mir erstreckt sich das schöne, moderne Gebäude, in dem ich schon einmal war, und ein Gefühl der beständigen Sicherheit hier, lässt mich aufatmen.
Bei James ist es tausendmal besser als in meiner Wohnung. Es ist so sicher. Ich mag es hier.

Das Tor schließt sich hinter dem Wagen und am Carport geparkt, erstirbt der Motor und James steht bald darauf an meiner Tür und hält sie auf.
,,Komm...'' meint er und lächelt ganz schwach, um mich ein wenig aufzumuntern und meine Ängste zu nehmen.

Er scheitert.
Diese Geste kann ich nach geschehenem nicht aufnehmen.

Langsam steige ich aus dem Auto und laufe einfach stumm die Schritte zu Haustür.
James ist dicht an meiner Seite, mir fehlt seine Wärme, aber gleichzeitig wäre sie überfordernd.
An der großen Eingangstüre hält er wieder eine Hand vor ein silbernes Feld und kurz danach lässt sich die Tür öffnen.

Ich trete zuerst ein.
Meine nackten Füße stellen sich in das gleißende Licht des Flures und mir wird ein wenig Wärme,durch die Fußbodenheizung gespendet.

James übernimmt die Front und läuft vor mir um die Ecke in das, mir bekannte, offene Wohnzimmer, durch das quer, der mal so genannte, Laufsteg verläuft.

Langsam und unsicher laufe ich hinterher und bleibe unschlüssig stehen, als er weiterläuft in die Küche.

Ich kann Stimmen hören, dann ein Klacksen über den Boden und bald darauf einen Schrei der mich panisch zurücktaumeln lässt und ich vor eine Wand zu Boden knalle.

Wie erstarrt sehe ich zu Boden und kann die Decke um mich kaum noch fest halten, da ich so sehr zittere.
Wer war das ?

Warum hat jemand geschrien ?

Was passiert mit mir ?!!

,,Fu...Rosalie...'' ruft eine besorgte Stimme, die zu James gehört, und als ich weiter den Boden anheule und mich nicht rühre als er vor mir stehen bleibt, hebt er mich promt hoch und dreht sich zu der eben schreienden Ms. um.
Es ist die Haushälterin.
Die freundliche Dame, die mich für einen Einbrecher hielt und jetzt erschrocken die Hand vor den Mund hält.

Sie bekommt einen bösen Blick von James, der mich an sich drückt, die Decke so hält , dass man nichts von meinem Körper sieht, und mit mir auf den Armen die Wendeltreppe hochläuft.

In seiner Wärme fällt es mir leichter mich zu entspannen.
Es ist tatsächlich ein Gefühl der Sicherheit und ich bin so froh das er da ist. So geht es mir wirklich halbwegs gut und ich kann mich beruhigen.

Oben angekommen geht er auf eine Tür am Anfang des Flurs zu und öffnet sie.
Wir kommen in ein dunkel gefliestes Badezimmer, in dem er mich auf dem Toilettendeckel absetzt und meinen Kopf mit zwei Fingern zu sich hebt.
,,Ich vermute stark, dass du duschen willst. Lass dir Zeit, aber bitte tu nichts unüberlegtes. Ich warte draußen und werde aufpassen, sollte etwas sein ruf einfach.
Ich hole jetzt noch schnell Wechselkleidung für dich und Handtücher findest du hier im Schrank.'' sagt er und streichelt meine Tränen von der Wange.

,,Da...d-a...'' versuche ich zu sprechen, versage aber durch mein eigenes Schluchzen.
,,Psssst...alles gut Kleines. Ich passe auf. Es ist alle gut, jeder hier passt auf dich auf. Nie wieder wird die das von heute widerfahren...''

Ich nicke nur und nachdem er mir einen Kleiderstapel ins Bad gelegt hat und wieder geht, lasse ich die Decke fallen und gehe ohne einen Blick unter die Dusche.

Lauwarmes Wasser fließt über meinen nackten Körper und ich versuche vergebens dieses dreckige Gefühl von mir zu bekommen. Ich seife mich ein, eine ganze Shampooflasche leere ich über mir, und schruble meine Haut auf, aber das Gefühl bleibt und das einzige was ich damit bezwecke ist das der Druck durch meine Hände auf meiner Haut, meine Blutergüsse und anderen Verletzungen wieder auf scheuert. Mir tut alles weh, aber das Gefühl von Ekel ist am schlimmsten.

Lautstark heulend sinke ich auf den Boden und mache mich klein. Das Wasser fließt einfach weiter über meinen Körper und verschwindet in einem Loch im Boden. Eifersüchtig sehe ich ihm nach. Ich will auch verschwinden. Meinen Vater, meine Angst und meine Panik alleine zu sein, hinter mir lassen.

Den Kopf gesenkt heule ich mich aus.
Jetzt noch mehr als sowieso schon und es ist mir egal, ob jemand mich draußen hört. Jeder denkt es sei alleinig wegen eben passiertem, aber nein, es sind die roten Augen und sein Gesicht, welches mich schallend auslacht und verspottet. Er macht mich zusätzlich fertig. Mein eigener Vater.

Nach gefühlten Stunden steige ich wacklig aus der Dusche und kann meinem Spiegelbild nun nicht mehr ausweichen.
Die Schminke ist fort, weggeheult, und meine geröteten, schwarz umrandeten Augen stechen im sonst blassen Gesicht hervor.
Meine Lippe ist aufgeplatzt und am Hals führt ein langer, blutverkrusteter Schnitt bis zur Brust.

Blaueflecken verzieren meinen gesamten Oberkörper und verlaufen mit den Striemen, Narben und Schnitten.
Ein besonders großer befindet sich oberhalb des Steißbeins, der Fleck ist lila,blau und leicht grünlich, und der Übeltäter, welcher mir im Auto so wehtat.

Meine Beine sind einfach nur grün. Die Blutergüsse sind zum Glück nicht so tief, tun mir bei Berührung kaum weh und stechen unter der sonstigen Röte von Schnitten nicht hervor. Die Tritte der Jungs, nimmt mein Körper trotzdem nicht unbeschadet hin, dafür war ich schon vorher zu schwach.
Mein Knöchel schmerzt und schon beim Verlassen der Dusche bin ich umgeknickt.
Tief seufzend durchstöbere ich den Schrank im Bad und finde zwischen tausenden Männerprodukten einen Verbandskasten.
Den muss ich erstmal ausbeuten, meine blutende Haut mit pflastern bekleben und meinen Fuß umwickle ich mit drei Verbänden, damit ich ihn nicht bewegen kann.

Fertig beginne ich jetzt mich anzuziehen und ziehe einfach das an, was James mir gebracht hat.
Es ist ein dicker Pullover in schwarz, mit zwei weißen Steifen über den Bauch.
Dazu eine, mir viel zu große Jogginghose.
Ich muss sie gleich fünf mal umkrempeln, damit ich damit nicht hinfalle und den Pullover lasse ich einfach so wie er ist.

Tief durchatmend sehe ich mich nun angezogen im Spiegel an und versuche mich zusammen zu reißen.

James hat mich gerettet.
Mir ist nichts passiert.
Alles gut.
Keine Angst mehr, keine Panik.
Gerade kann dir nichts passieren Rosalie !
Jetzt bleib stark, hör auf zu heulen und nerv den Mann da draußen nicht unnötig.

Mich ein wenig fassend verlasse ich das Bad leise und sehe zu Boden als ich im Flur stehe. Ich will nicht unbedingt, dass jeder mir am Gesicht ablesen kann, wie geschwächt ich eigentlich bin und wie in meinem inneren ein Mädchen im Schwarzen wandelt und heulend ihr Leben lebt.
Schminken kann ich mich hier nicht, aber das werden alle die mich sehen auf den Vofall mit den Jungs schieben und niemand wird ahnen, dass ich auch schon vorher so aussah.

ROSE - Warum weinst du? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt