Kapitel 16

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Ich war nun verwirrter als sonst. Und diese Verwirrung blieb den ganzen September über. Der Oktober flog so an mir vorbei, wobei ich dem tristen Hogwartsalltag zu bewältigen versuchte. Von Hermine kam kein weiterer Annäherungsversuch, und ich machte keine Anstalten dies zu ändern.

Vielzusehr war ich in Gedanken versunken. Die Nachricht, dass der dunkle Lord nun vielleicht wieder kommen würde, versetzte mich in eine Art Taubgefühl. Ich war wie in Trance und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Im ganzen Schloss hatten viele Hogwarts Schüler einen Potter-Stinkt-Anstecker an. Und zu meiner Teils-Frustration dachten alle, dass ich der Urheber dieser Idee war. Ich ließ es auf sich beruhen. Ich hatte nicht mehr die Kraft, wie am Anfang des Schuljahres, mich gegen dem ganzen zu wehren.

Auch die erste Aufgabe des Trimagischen Turniers flog an mir vorbei, ohne dass ich Begeisterung dafür aufbringen konnte. Ich schlitterte langsam in einer Resignation hinein ohne, dass ich die Kraft hatte, mich daraus zu ziehen. Nicht mal für die kurzzeitige Chance, dass Harry Potter als Snack für den Drachen sein könnte, munterte mich auf. Eine einzige Sekunde hatte ich sogar das Gefühl, dass ich besorgt um ihn war. Nicht weil er Drachenfutter hätte werden können, sondern vor dem was ihm bevorstand, wenn der Dunkle Lord zurück kommen würde.

Hermine sah mich im Zaubertrank Unterricht immer besorgt an, doch auch dem konnte ich keine Freude aufbringen. Dass sie sich endlich für mich sorgte, war kein Anreiz für mich. Wie schlimm stand es nun für mich? War dies kein eindeutiger Beweis dafür, dass ich mir die Gefühle zu Hermine nur eingebildet hatte? Wo waren die Schmetterlinge? ‚Ein paar dieser Käfer täte mir jetzt echt gut', dachte ein melodramatischer Teil in mir. Selbst der Sarkasmus war verschwunden. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es etwas gäbe was mich zurückholen könnte.

Blaise hatte aufgeben mich in Aktionen einzubinden und ich hatte aufgegeben mir Mühe zu machen irgendwelche Anzeichen von mir zu geben. Wofür, dachte ich mir? Der dunkle Lord würde zurückkommen, Merlin weiß was mit meiner Familie geschehen würde. Und wer wusste was dies für mich bedeuten würde? ‚Folter, Mord, Tod, auf der falschen Seite, im Krieg und in der Liebe', bestätigt von meinem trübsinnigem Gewissen.

Was könnte ich auch dagegen anrichten? Ich war gerade mal, wie alt?, 15 Jahre. Nicht mal volljährig. Er würde mich instrumentalisieren, und ich würde um meine Lieben zu schützen mitmachen müssen. Meine Zukunft sah düster aus, egal wie ich es betrachtete. Ich hatte keine Wahl. ‚Man hat immer die Wahl', hallte eine Stimme in meinem Kopf, die verdächtig sehr nach Hermine klang. Ja, das würde sie jetzt sagen, würde sie meine Gedanken hören. Ich wollte wählen, ich wollte sie wählen. Doch ich schaffte es nicht, auch wenn ich wusste, dass es bedeuten könnte, dass ich eines Tages mich zwischen ihrem und meinem Leben entscheiden müsste. Sie war eine Muggelgeborene. Zauberer in meinem Umfeld hassten sie. Was würde ich in so einem Moment tun? Wenn sie vor mir stehen würde und ich sie töten müsste. Schlimmer noch: Wenn ich sie foltern müsste?

Wie würde meine Wahl aussehen? Ich würde mich abwenden müssen, von allem. Zu dieser Feststellung war ich mehrmals gekommen. Der Grund meiner Resignation, meines Dahin-vegetieren's, war genau das. Meine Wahl sah beschissen aus, die Kraft, die ich dafür bräuchte, könnte ich nicht aufbringen. Von was sollte ich leben? WIE sollte ich leben? An WEN sollte ich mich wenden? Das waren meiner Ansicht nach vielzuviele W-Fragen und vielzuviele Wenn's, die ich kalkulieren müsste, um einen Entschluss zu fassen.

Zu diesem Punkt war ich auch im November gekommen. Immer wieder, wenn Hermine mir ein Lächeln schenkte, kam eine Welle an Gedanken. Den ganzen Tag über sortierte ich diese Gedanken, dachte jeden Gedankenstrang zu Ende und kam immer wieder an dieser Weggabelung. Heute war es nicht anders gelaufen. Ich kam nicht zu einer Entscheidung. Es zerfraß meine Energie, es zerfraß jeden guten Gedanken von mir. Machte Platz für Angst, Verzweiflung und Trauer.

Dieser Brief meiner Mutter hatte Vielzuviel in mir ausgelöst. Ich wusste keine Antwort darauf. Wie sollte ich mich schützen? Was bedeutete es sich zu schützen in ihren Augen? Sollte ich einfach nur am Leben bleiben? Das würde ein Slytherin sagen, Überlebenskünstler. Doch zu welchen Preis... Ich wusste ja nicht einmal, ob ich bereit war diesen Preis zu zahlen. Als Mörder zu leben, aber zu leben. War das überhaupt ein Leben? Um zu überleben, Dinge zu tun, oder auch gegen Dinge nicht etwas zu tun. Würde ich das wollen? Ich war so verwirrt, ich wusste nicht einmal was ich wollen und was ich nicht wollen will. Mein Wille war gebrochen. Meine Identität schwand dahin. Alles was mein Ich ausmachte, futsch. Ich fühlte mich in einer Wolke, sah alles um mich verschwommen und konnte nicht reagieren. Nicht adäquat reagieren.

Der Lichtblick am Horizont erschien mir in der 2. Woche im Dezember, als Prof. Snape eine Liste der Ferienschüler herumreichte, auf die ich lange hinstarrte. Nach Hause gehen? Das kam für mich nicht in Frage, das war so eindeutig und ohne Zweifel dieser Gedanke, dass ich mich sofort eintrug, um in Hogwarts zu bleiben. Diese Unterschrift brachte etwas in mir zum Rollen. Als ob ich für eine Veränderung unterzeichnet hätte.

„Du bleibst also in Hogwarts?", fragte mich in dem Moment Hermine. Ich schmunzelte innerlich, denn manchmal fragte ich mich, ob sie eine innere Uhr eingebaut hatte, die ihr zeigte, wann es die perfekte Zeit war, etwas zu sagen. Hermines Timing war für mich sehr faszinierend.

„Ja, das will ich nicht verpassen." Genau das wäre auch meine Ausrede, die ich für meinen Vater verwenden würde, falls er mich fragen sollte, warum ich nicht nach Hause kommen wolle. In dem Moment ärgerte ich mich, dass ich Ausreden überhaupt erfinden müsste. Er hatte ja auch keine Ausrede, warum er sich dem Dunklen Lord verpflichtet hatte. Hatte mich irgendjemand gefragt? NEIN. Klare Antwort. Nun das war heute schon die 2. Klare Antwort. Ich machte blitzartige Fortschritte. Die Euphorie, die ich verspürte, wurde gebremst von Hermine. „Hast du denn schon eine Begleitung für den Ball?"

Sofort war ich auf der Hut, die Art wie sie diese Frage stellte, war zu verdächtig. Hatte sie etwa eine Begleitung für den Ball? „Ja", flüsterte sie verlegen ohne mich anzusehen.

Zuerst musste ich realisieren, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte. Und dann musste ich damit klar kommen, dass sie ‚ja' gesagt hatte. Noch nie in meinem Leben hatte ich diese zwei aneinander liegenden Buchstaben so sehr verabscheut. Wer gemeint hatte, dass das schönste Wort einer Frau ‚ja' sei, den wollte ich gerade zum Mond zaubern. Wer verbreitete solche Lügen? Wer, in Merlins Namen, war so einfältig?

‚Du. Was hast du erwartet? Dass sie mit dir geht? Du bist ein Schatten deiner Selbst geworden. Kein Ziel vor den Augen. Nichts das du ansteuerst. Schwirrst nur hin und her und willst keine endgültige Entscheidung treffen. An einem einfältigen Idioten würde ein Mädchen wie Hermine NIE ihren ersten Ball vergeuden.' Mein Sarkasmus war zurückgekehrt und seine Abwesenheit hatte den Schmerz den er in meinem Herzen bereitete, komplett vergessen lassen. Daher traf es mich mit voller Wucht.

Und noch ein Gedanke quälte mich, es zerriss fast mein Herz. Auf der einen Seite war ich froh für diesen Schmerz, denn ich wusste: Ich war zurück, der Schmerz in meinen Gliedern, der sich ausbreitete, führte mir vor Augen, dass ich kämpfen wollte. Ich wollte kämpfen, eine Wahl haben und meine Entscheidungen selbst treffen. Doch eine Entscheidung war gefallen, und kein Kampf könnte diese Möglichkeit zunichte machen. Genau dieser Gedanke ließ meine Eingeweide erfrieren.

‚Hermine könnte ihren ersten Kuss jemand anderen schenken.'

Do you mind if I Slytherin?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt