Zitternd starrte sie auf die blutigen Überreste. Wischte sich fahrig die Hirnmasse aus dem Gesicht, während bereits die Männer und Frauen eilig den Käfig durch die zerbrochenen Eisenstäbe verließen.
„Beeilt Euch, Herrin", sprach eine junge Frau sie an, streifte die Eisenkette ihrer Halsfessel von der zerstörten Halterung. „Flieht mit uns." Die Éothéod ergriff sie sanft am Arm, versuchte die Elbin dazu zubewegen ihr zu folgen, aber die elleth stand unter Schock und riss sich panisch von der Frau los.
Wie ein kleines Kind sank sie in sich zusammen und hielt sich, wimmernd mit zugekniffenen Augen, die Ohren zu. Schreiend saß sie auf dem Boden. Unablässig liefen ihr die Tränen über die schmutzigen Wangen, hinterließen helle Spuren. Zitternd wiegte sie sich vor und zurück, krallte die Finger krampfhaft in die verklebten Haare.
Schließlich wurde sie von zwei starken Armen gepackt und aus dem Karren gezogen. Sie schrie erstickt auf, schlug und trat verzweifelt um sich. Sie riss sich los und fiel zu Boden.
Um sie herum tobte eine gewaltige Schlacht. Blut und Tod kreuzten ihren Blick, wohin sie auch sah.
Ein gellender Schrei hallte minutenlang durch den Wald.
„Linaew!"
Plötzlich rannte die Elbin los, den Weg entlang, kein Gedanke wurde an den eben gehörten Schrei verschwendet. All ihre Kraft, all ihr Denken flossen allein in ihre Beine, ließen die schmerzenden Füße, den fiebergeschüttelten Körper in den Hintergrund treten. Allein der Gedanke an Flucht hielt sie am Leben, peitschte das Adrenalin durch ihren Körper.
Die Elbin rannte, sie rannte um ihr Leben.
Bahnte sich einen Weg durch die kämpfenden, stinkenden Leiber. Nur weg von hier. Sie war am Ende ihrer Kräfte, das Fieber hatte ihren Körper ausgezehrt. Ihre Wunden schmerzten bei jeder ihrer Bewegungen. Die eiserne Halsfessel lag schwer um ihren zarten Hals. Verzweifelt hob sie den Blick hoch in die Kronen der Bäume, unter denen der Kampf tobte. Da nahm sie eine kleine Bewegung unter den Kämpfenden wahr. Nur ein Schatten, nichts Greifbares, war zu erkennen, doch packte sie die nackte Furcht.
Dann hörte sie ihren menschlichen Verfolger, er hatte ihre Spur entdeckt und war dicht hinter ihr. Ängstlich schaute sie zurück, ihre nackten, blutigen Fußabdrücke waren wie leuchtende schmale Zeichen auf dem staubigen Boden zu erkennen. Er durfte sie nicht erreichen. Sie lief stolpernd weiter. Tiefer in den Wald hinein. Tiefer in die Dunkelheit, die sich durch das Gewitter abzeichnete.
Hauptsache weg von der Straße, dem Ort des Überfalls, des Todes.
Sie taumelte weiter, der Blick verschwommen. Sie hörte die Worte des Mannes mit dem dunklen Gesicht wie durch Watte. Er brüllte Worte in einer Sprache, die sie nicht verstand. Dunkle Punkte sprangen vor ihren Augen herum, ihr war schwindelig und eiskalt. Wirr versuchte sie, die Punkte vor ihren Augen zu verwischen. Sie war unendlich müde, ihrer ganzen Kraft durch Folter und Pein beraubt. Die schwer verletze Elbin konnte ihre Augen nicht mehr offen halten.
Er hat mich gleich! Ich komme hier nicht weiter. Der Hang ist viel zu hoch, viel zu steil! Panisch stolperte die elleth am Rand des Abgrunds entlang, unter ihr tobte das Rauschen des verzauberten Flusses.
„Bleib stehen, Weib!", rief der Haradrim sie an.
Die Elbin erstarrte in ihrer Bewegung, langsam drehte sie sich zu ihrem Verfolger um. Dort, keine fünf Meter entfernt, stand der Mann, der sie brutal zugerichtet und sich an ihr vergangen hatte. Lässig spannte er den Bogen, die Pfeilspitze zielte direkt auf ihr Herz und grinste schadenfroh.
„Eine gute Jagd, Elbin. Aber jetzt ist Schluss. Komm zu mir und ergib dich. Dann werde ich dir nicht wehtun", sagte er leutselig, während er selbstgefällig lächelte.
DU LIEST GERADE
Seelenbindung
Fanfiction‚Wenn zwei Seelen sich verbinden, zwei Elben sich so finden, erwacht die Liebe im Erkennen.' Dieses hohe Glück auf Arda ging mit dem Tod von Lúthien Tinúviel und Beren Erchamion im Ersten Zeitalter verloren. Kein Elb erlebte diese Glückseligkeit Ama...