Kapitel 12 - Verarbeitung

316 22 7
                                    


Kalt.

Alles, was sie spürte, war Kälte. Und Schmerz. In der Welt, durch die ihr Geist trieb, war nur noch Platz für diese beiden Begriffe in jeglicher nur vorstellbarer Abstufung und Kombination. Und vielleicht noch für die Furcht.

Wenn sie je ein Leben vor der Kälte und dem Schmerz gehabt hatte, dann war ihre Vergangenheit zu Eis erstarrt und in unzählige Splitter zerbrochen, die niemals wieder zusammen gefügt werden konnten.

Auf einmal berührte sie etwas an der Stirn, doch sie konnte nicht sagen, ob die Berührung echt war oder nur ein weiterer unnützer Erinnerungssplitter.

Es interessierte sie auch gar nicht. Selbst sich für etwas zu interessieren war viel zu mühselig.

Sie trieb unaufhörlich tiefer in die Dunkelheit.

Vage spürte sie, wie sich die Berührung wiederholte. Ein wenig deutlicher diesmal, dann drang eine kalte Stimme in ihre dunkle Welt.

„Wach auf! Ich bin noch nicht fertig mit dir!"

Aufwachen? Woraus? Aus einem Albtraum, nur um dann in einen anderen und viel schlimmeren hinüberzugleiten, aus dem sie nicht aufwachen konnte, weil er real war?

Eine Hand schob sich unter ihr Kinn, hob ihren Kopf an, und dann berührte etwas Hartes ihre Lippen und zwang sie ein wenig auseinander. Im ersten Moment wehrte sie sich instinktiv. Sie drehte ihren Kopf weg, wollte diesem Ding entkommen, doch sie war so schwach, dass sie nicht einmal die Hände heben konnte.

Und wieder wurde ihr der Becher an die Lippen gehalten. Diesmal zwang man sie das Gebräu zu schlucken, das wie flüssiges Feuer ihre wunde Kehle hinab rann und sie würgen ließ. Doch eine schmutzige, schwielige Hand wurde grob auf ihren Mund gepresste und verhinderte, dass sie sich erbrach.

Schließlich wurde ihr Geist klarer und mühsam blinzend öffnete sie die verklebten Augen.

„Ah, unser Sonnenschein ist wieder aufgewacht."

Die höhnische Stimme ihres Peinigers dröhnte in ihren empfindlichen Ohren.

„Dann kann es ja weiter gehen!" Er lachte niederträchtig und öffnete die Eisenfesseln, mit denen sie an der Decke gefesselt war, nur um sie im Anschluss nach hinten zu schleudern, sodass ihr Kopf krachend gegen die Felswand knallte. Vor Schmerzen stöhnend sackte sie benommen zusammen.

Noch ehe sie die Orientierung wieder erlangt hatte, ergriff der Mann sie im Nacken und drückte sie auf den Boden.

„Nein...!" Verzweifelt stemmte sie sich gegen ihren Peiniger auf, aber der kräftige Schlag in die Niere sorgte in Sekundenschnelle dafür, dass sie wieder gen Boden sank.

Sie atmete tief durch und versuchte ihren Körper zu Ruhe zu zwingen, auf dass die Schmerzen langsam abebbten. Keuchend nahm sie das Gewicht des Menschen wahr, der sich in ihr Kreuz kniete und sie so zwang, regungslos unter ihm zu verharren.

Grob packte er ihren linken Arm und streckte ihn aus. Und dann fraß sich glühend heißes Metall in ihre Haut. Gellend schrie sie auf. Der Schmerz war unbeschreiblich. Er hörte nicht auf, bohrte sich weiter in ihre Haut.

Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihr in die Nase und sie hätte sich augenblicklich übergeben, wenn sie sich nicht die Seele aus dem Leib schreien würde.

Es sollte aufhören!

Abrupt war das Gewicht auf ihrem Körper weg. Das Brandzeichen fiel klirrend zu Boden. Ihr Körper lag leblos auf dem Felsen, der sie umgab.

Starr blickte sie auf die Stange, sah Fetzen ihrer eigenen Haut daran kleben, roch verbranntes Fleisch. Der Schmerz war noch immer da und vergiftete ihren Körper. Sie erblickte auf ihrem Körper das eingebrannte haradrimsche Zeichen eines Sklaven.

SeelenbindungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt