Kapitel 7 - Heilung II

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In einem krampfartigen Anfall bog sie ihren Körper wie die Sehne eines Bogens durch, überstreckte ihren Nacken, grub die Fersen verkrampft in die Bahre und schlug immer wieder den Kopf auf den Boden. Ihre dunkelblauen Augen blickten mit einer schmerzhaften Klarheit, als würde sie alles bei vollem Bewusstsein miterleben. Schaum, vermischt mit Blut, trat ihr vor den Mund, nachdem sie sich auf die Zunge gebissen hatte.

Ihre gellenden Schreie hatten nachgelassen, jetzt wimmerte sie nur noch schwach.

„Hört auf zu glotzen!", brüllte Elrohir, während er ihren angespannten Körper wieder auf die Bahre presste. „Bringt eine Decke oder einen Mantel, ich muss sie fixieren, sonst verletzt sie sich noch selbst." Angestrengt versuchte er, den zuckenden Körper unter sich ruhig zu halten, als ihm plötzlich eine dreckige, nach Pferdehaar riechende Wolldecke gereicht wurde. Flüchtig erkannte er einen Éothéod, ehe er ihm bereits die Decke aus der Hand riss.

„Ihr da", wies er ihn an, während er eilig die Decke um die Bahre schlang und sie fest zurrte. „Haltet ihren Kopf fest." Noch immer bockte ihr Körper, konnte aber keinen großen Schaden mehr anrichten, als er ihn starr fixierte.

Elladan war auf der anderen Seite erschienen während Legolas und Fiondilion die Beine der Elbin auf die Bahre pressten. Gewaltsam zwang Elrohir ihren verkrampften Kiefer auf und schob ein Holzstück zwischen ihre Zähne. Erschöpft sank er zurück.

„Le hannon", bedankte er sich bei dem Éothéod, dessen kräftige Finger geholfen hatten. Der bei seinem Volk als jung geltende Mann nickte knapp. Er selbst war verletzt, auch durch die Gefangenschaft, aber noch mehr durch die Befreiung.

„Hauptmann Fiondilion, ist einer Eurer Soldaten befähigt, ihre Halsfessel zu lösen?", fragte Elladan, als er sich erhob und Linaew vor neugierigen Blicken abschirmte.

Bariel, dessen Vater Schmied war, sprang auf einen Wink seines Hauptmannes vor. Passendes Werkzeug hatte er natürlich nicht dabei, aber seinen Dolch, und er war ein geschickter Elb. Behutsam schob er die Schneide zwischen die Bolzen des groben Schlosses. Einen Augenblick später sprang die Schelle auf und Elladan, dem die Tawarwaith Platz gemacht hatten, nahm sie vorsichtig ab. Das kantige Metall hatte sich tief ins Fleisch geschnitten und die Haut darunter war blutig und entzündet.


„Mögen die Valar demjenigen gnädig sein, der ihr das angetan hat", brachte er vor unterdrücktem Zorn hervor, „denn ich werde es nicht sein." Kalter Hass stand in seinen sturmgrauen Augen, während er die eiserne Fessel verkrampft umklammert hielt.

Die Elbin trieb langsam aus der tiefenschwarzen Dunkelheit ans Licht. Sie schmeckte Blut, wollte ausspucken, konnte aber ihren Mund nicht bewegen. Panik ergriff Besitz von ihr, schon wollte sie um sich schlagen, als liebliche Töne durch die Finsternis zu ihr durchdrangen. Statt dass die Angst ihren Körper beherrschte, lauschte sie vielmehr den melodischen Klängen der fremden Sprache, die in einem Singsang leicht schwebend um sie herum erklang.

Jeden Ton verfolgte sie aufs Genaueste, ließ ihn in ihrem Herzen gegenklingen und verlor sich langsam in den schmeichelnden Lauten. Die Töne schmiegten sich sanft an ihre geschundene Seele, erfüllten sie mit einem leicht beglückenden Gefühl, krochen tief in sie hinein und schienen sich mit ihrem innersten Sein zu verweben.

Ein einzelner Name kristallisierte sich aus der nun samtenen Dämmerung.

Elrohir Elrondion.


Elladan atmete auf.

„Sie lebt noch. Eru! Sie lebt noch!", flüsterte er, geschockt über den Anfall, den sie mit erlebt hatten. Sein Bruder nickte langsam. Ihm stand der kalte Schweiß auf der Stirn, den er fahrig abwischte.

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