Kapitel 11 - Träume

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Der Tochter Celebrimbors war bewusst, dass sie träumte.

Dennoch konnte sie sich nicht gegen die Fänge des Albtraums zur Wehr setzten. Eisern hielt er sie in seinen Klauen. Ließ sie Pein und Agonie erneut erleben, obwohl bereits drei Mondläufe vergangen waren, seit sie erwachte.


Eine zischende Stimme holte Linaew langsam aus ihrer Bewusstlosigkeit. Es gelang ihr nur mit Mühe, die Augen zu öffnen, zu schwer waren ihre Lider. Um sie herum herrschte ein trübes Zwielicht, lediglich durchbrochen vom hellen Schein der Fackeln, der durch die vergitterte Tür fiel.

Die stete Feuchtigkeit, die sie umgab, hatte Moos und Pilze in den Rissen im Gestein erblühen lassen. Es roch modrig. Und die Kälte, die in der Höhle nie ganz verschwand, war längst durch ihre Haut ins Fleisch gekrochen. Hatte sich als grimmiger Schmerz in ihren Knochen eingenistet.

Die Elbin wollte ausmachen, woher die Stimmen kamen, die langsam lauter wurden, und versuchte, den Kopf zu heben. Ein stechender Schmerz schoss durch ihre Schultern, ließ sie heiser aufschreien und nahm ihr beinahe wieder das Bewusstsein. Nur langsam verebbte der quälende Schmerz. Wesentlich vorsichtiger hob Linaew dieses Mal den Blick.

Sie hing mit über dem Kopf gefesselten Armen von der Decke. Die Handgelenke in schweren Eisenringen, die zarte Haut darunter blutig aufgeschürft. Geschwollen. Eitrig. Ihre Arme waren mit Schnitten und Blutergüssen übersät. Dem Schmerz nach zu urteilen hatte man sie ausgepeitscht.

Sie konnte sich nicht daran erinnern.

Wie hinter einer dicken Nebelwand konnte sie schemenhafte Gestalten erkennen.

Eine Gruppe Reiter.

Elben aus Imladris, die ihre Herrin Celebrían über den Rothornpass zu ihrer Mutter Galadriel begleiteten. Die zierliche Elbin, deren gelockten Haare wie flüssiges Gold ihren Rücken hinabfielen, lachte fröhlich mit ihren Soldaten, als eine Horde Orks und Südländer die Reisenden überfielen.

Linaew erinnerte sich, dass sie mit kalter Wut auf die Orks eingeschlagen hatte, ehe ein dumpfer Schmerz ihr das Bewusstsein raubte.

Wie lange war sie jetzt schon hier? Wochen? Monate? Oder gar Jahre?

Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren.

Knarrend öffnete sich die Kerkertür, ließ einen Moment helles Fackellicht die Höhle fluten, ehe eine massige Gestalt im Eingang erschien und das Licht aussperrte und ihr blankes Entsetzen bescherte.

Langsam trat Huthayfah an die gefesselte Elbin, berührte beinahe zärtlich ihre makellose Wange, die hohen Wangenknochen.

„Bist du endlich wieder aufgewacht, Elbenweib?"

Aufgewacht? Sie wünschte, sie hätte niemals mehr das Bewusstsein erlangt.

Linaew wollte freudlos auflachen, doch sie brachte nur ein gurgelndes Husten zustande. Wieder explodierte eine Welle aus Schmerz in ihrem Körper. Plötzlich war ihr Mund voller Flüssigkeit. Salzig, metallisch und warm. Blut. Sie spuckte aus, würgte und erbrach sich auf die Schuhe des Haradrims.

Fluchend sprang der Mann nach hinten und schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Tränen traten ihr in die Augen, sie bekam keine Luft mehr. Panik überkam sie. Sollte es so enden? In den Händen ihrer Feinde dahingerafft, wie einst ihr Vater?

Sollte sie die Folter überstanden haben, um an ihrem eigenen Blut qualvoll zu ersticken? Der pochende Schmerz in ihrer Wange war nichts gegen den Mangel an Sauerstoff in ihren Lungen. Die Ränder ihres Blickfeldes zerfaserten in schmutzigem Grau und die Elbin nahm alles nur noch gedämpft war.

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