KAPITEL 35

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*Your P.o.V*

"Namjoon! Hast du mein blaues Oberteil gesehen?" rufe ich durch die Wohnung. Heute wollen wir losfahren und ich habe ungefähr meinen halben Kleiderschrank im Koffer, deshalb fällt es mir recht schwer, etwas luftiges, aber nicht zu freizügiges zu finden.

"Welches?" schreit Namjoon noch lauter als ich, dabei ist er ganz gelassen und schon fertig mit packen. "Das mit den Ärmeln die so puffelig sind!" erwidere ich. Ich höre ihn laut seufzen, dann vernehme ich seine Schritte im Flur und im nächsten Moment steht er im Schlafzimmer.

"Du meinst das Ding, das am Rücken so zugeschnürt ist? Das hast du schon eingepackt." erklärt er und setzt sich aufs Bett, während ich mir die Haare raufe und dann seufze. Ich drehe mich zu Namjoon um und sehe ihn schmollend an. "Wenn ich nicht gleich was zum anziehen finde, dann fahre ich so wie ich bin. Nämlich in Jeans und BH." sage ich todernst und meine es auch so. Wenn ich nicht bald ein Oberteil finde, drehe ich noch durch. Namjoon lächelt und schenkt mir damit perfekten Ausblick auf seine Grübchen. "So reizend der Gedanke auch ist, dann könnte ich mich nicht aufs Fahren konzentrieren und baue vielleicht einen Unfall. Und außerdem werden Jungkook und Tae dich ganz bestimmt nicht so zu Gesicht bekommen, schließlich bist du meine Prinzessin." begründet er und lässt sich nach hinten sinken. Ich mache ein paar Schritte auf ihn zu, bis ich direkt vor ihm stehe und beuge mich ganz leicht runter, damit er mich sieht, was allerdings nicht so ganz klappt, weil er die Augen geschlossen hat.

"Hilf mir!" flehe ich ihn an. Joonie öffnet ein Auge und sieht mich an. "Bleib so, perfekte Aussicht." meint er mit einem Blick auf meinen halbnackten Oberkörper und grinst verstohlen. Ich schnappe mir eins der Kissen und schlage ihm damit ins Gesicht. "Blödmann!" nenne ich ihn und höre ihn lachen. Ich werfe ihm das Kissen nochmal ins Gesicht, dann hebt er die Hände und nimmt mir das Kissen weg, mit dem ich immer noch nach ihm schlage und setzt sich auf. "Ist ja gut." sagt er schmunzelnd und läuft rüber zum Schrank. Nachdenklich kratzt er sich am Kinn. "Höchst schwierige Angelegenheit. Das geht ja gar nicht! Und das erst! Wann war das denn in, in den 50ern? Oder doch früher?" beurteilt er mit gekünstelter Stimme meine Klamotten. Ich lache und setze mich dabei im Schneidersitz aufs Bett. "Na gut, dann..nimm das!" schreit er plötzlich und im nächsten Moment habe ich ein fliederfarbenes Shirt mit freiem Rücken im Gesicht hängen. Prüfend betrachte ich es, dann lächle ich und ziehe es mir über den Kopf.

"Fertig!" rufe ich und strahle Namjoon an. Er schmunzelt über mein Verhalten, dann schließt er die Schranktür und kommt auf mich zu. "Wir haben noch eine halbe Stunde, bevor Tae und Jungkook kommen. Lass uns kuscheln." sagt er und umrahmt mein Gesicht mit seinen Händen. Ich schaue ihm in die Augen und merke, wie müder er wirkt. Er hat sich wirklich Mühe gegeben, den Urlaub zu planen. Er hat das alles zusammen mit Jungkook und Tae auf die Beine gestellt, damit wir zu viert Zeit verbringen können und dafür nahezu all seine Freizeit verwendet. Er stand in aller Herrgotts Frühe auf, hat Frühstück für uns gemacht, aber selbst kaum etwas gegessen, sondern im Internet gecheckt, was wir alles machen könnten während unserem Urlaub. Dann ist er zur Arbeit, hat sich dort den Arsch abgerackert, ist total ausgepowert nach Hause gekommen. Und statt zu schlafen hat er sich wieder hingesetzt und geschaut, was es dort, wo wir hinfahren so alles gibt. Eigentlich hat er nur Mittag gegessen und wenn ich ihn gezwungen habe, auch mal was zum Frühstück. Saß bis tief in die Nacht im Wohnzimmer und hat geplant. Und nebenbei hat er es trotzdem fertig gebracht, immer fürsorglich und zuvorkommend zu sein.

Seit zwei Tagen fühle ich mich, als hätten wir Rollen getauscht. Er denkt nicht mehr an sich, sondern nur noch an mich und das ist ungesund für ihn. Das kann nicht so weitergehen und wenn das nicht aufhört, werde ich irgendwas dagegen unternehmen, auch wenn ich noch nicht weiß, was. Und dann kommt noch dazu, dass er soviel abgenommen hat. Zwei Tage und es fällt mir jetzt schon auf. Er will einfach nicht aufhören zu arbeiten und am Liebsten würde ich den Urlaub abblasen und ihn mästen, damit er wieder Normalgewicht hat, aber das würde all seine Arbeit und Mühe zerstören. Das würde ihn verletzen und das kann ich nicht. Aber trotzdem tut es mir weh, ihn so zu sehen. Ich würde ihm so gern einen Teil seiner Last abnehmen, aber das lässt er ja nicht zu.

Irgendwann wird er merken, wie schlecht ich für ihn bin und dann wird er sich von mir trennen. Er wird erkennen, dass ich all diese Mühe nicht wert bin und er besser daran täte, zu gehen und nie wieder zurückzusehen. Es würde mir das Herz zerreißen und mich endgültig umbringen, doch es wäre besser für ihn. Trotzdem bin ich selbstsüchtig. Wie gesagt, auch wenn es besser für ihn wäre, will ich ihn bei mir haben. Schon allein der Gedanke an eine Trennung ist wie eine Hand, versehen mit langen Klauen, die mein Herz zerquetscht, es aus meiner Brust reißt und dann in tausend Stücke zerfetzt.

Namjoon blickt mich ernst an. "Woran denkst du? Du siehst traurig aus." sagt er in die Stille und setzt sich neben mich auf unser Bett. Ich blinzle die Tränen weg, die mir plötzlich die Sicht nehmen und fixiere einen Fussel am Fußboden, nur um Namjoons Blick nicht zu begegnen. Warum muss er auch so aufmerksam und einfühlsam sein? Könnte er nicht ein Arschloch sein, bei dem es mir egal ist, was ich ihm sage? Das macht alles noch viele schlimmer. Ich kann ihm doch nicht sagen, dass ich noch immer Zweifel an unserer Beziehung habe. Das würde ihm den Boden unter den Füßen wegreißen. Das könnte er nicht ertragen. Fieberhaft denke ich nach, was ich sagen könnte, aber mir fällt nichts sein. Und wenn ich ihm die Wahrheit sage? Zumindest einen Teil davon? Ich atme tief durch, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden. "Du arbeitest zu viel. Ich finde es süß, dass du dir so viel Mühe mit dem Urlaub gemacht hast, aber ich fühle mich, als hätten wir die Rollen getauscht. Jetzt bin ich diejenige, die dich zum Essen überreden und aufpassen muss, dass du dich nicht selbst gefährdest. Ich habe Angst um dich." versuche ich ihm zu erklären. Namjoon schweigt, also wage ich einen Blick in seine Richtung und wünschte, ich hätte es gelassen. Er sieht mich an, als wüsste er genau, dass ich ihm etwas vorenthalte. Er seufzt, dann schaut er auf seine Hände und ich sehe, dass er sie zu Fäusten ballt. "Warum sagst du mir nicht alles? Ich will dir doch nur helfen." flüstert er und hebt den Blick. In seinen Augen schimmern Tränen und mein Herz zerbricht. Ich fasse einen Entschluss: Ich muss es ihm sagen. Noch diese eine Mal, um ihn glücklich zumachen, dann werde ich meine Probleme für mich behalten und ihn damit nicht belasten. Aber das hier muss ich ihm sagen, sonst gibt er keine Ruhe und denkt, ich würde ihm nichts erzählen, weil ich ihm gar nicht traue. Er muss wissen, dass ich immer noch Zweifel habe, trotz allem, was schon passiert ist.

"Ich habe Angst, Namjoon. Angst, dass du irgendwann merkst, dass du ohne mich besser dran bist und dass ich die ganze Mühe die du dir machst, nicht wert bin. Dass du eine Bessere haben könntest. Jemanden, der nicht so geschunden ist wie ich und der in der Lage ist, zu hundert Prozent zu vertrauen. Aber das kann ich nicht und du weißt warum. Ich würde dir unglaublich gern mit allem was ich habe, vertrauen. Aber ich kann's nicht, weil ich zu große Angst habe, enttäuscht und verletzt zu werden. Ich glaube nicht, dass du mich bewusst verletzen wirst, aber vielleicht ausversehen, ohne es zu beabsichtigen. Ich habe so große Angst, dass mein Herz wieder zerbricht. Diese Angst, Namjoon, kannst nicht mal du mir vollständig nehmen, obwohl du der bist, bei dem ich mich am sichersten fühle."

Save me? [Namjoon x Reader]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt