🔱Neunundvierzig🔱

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Jungkook

Mit einem Seufzen drehe ich mich in meinem King-sized-Bett auf die andere Seite und strecke die Hand aus, um meinen Wecker zu erreichen. Ich aktiviere das Licht, sodass der kleine Bildschirm des Gerätes blau aufleuchtet und mir anzeigt, dass wir gerade mal drei Uhr nachts haben. Ich seufze tief, stelle den Wecker zurück auf meinen Nachttisch und lasse mich dann wieder in meine Kissen fallen, sodass ich nach oben an die Decke schaue.

Mein Kopf will einfach nicht zur Ruhe kommen, meine Gedanken drehen und drehen sich und die Müdigkeit, auf die ich seit Stunden warte, will einfach nicht zu mir kommen und mir endlich meinen lang ersehnten Schlaf geben. Ich bin viel zu aufgewühlt. Dabei ist das Thema für einmal nicht einmal etwas schlechtes - vielmehr ist es viel zu schön, als das ich dachte, könnte es je wahr sein.

Taehyung hat mich geküsst. Einfach so, er hat mich diese Nacht einfach geküsst. Erst bin ich verdammt überrumpelt gewesen, so überrascht von der plötzlichen Aktion, einfach weil ich es nicht erwartet habe. Taehyung hat nie den Anschein gemacht, dass er ähnliche Gefühle wie ich hegen könnte, mir gegenüber. Ich dachte, dass ist ein ziemlich einseitiger Crush, der mit der Zeit einfach wieder vergehen wird, wie die anderen Crushes, die ich schon hatte. Aber das hier ist neu gewesen. Es war schön. Zwar völlig überraschend, besonders weil wir Minuten zuvor noch durch die Gassen gerannt sind, um die Polizei abzuhängen, doch das hat den Moment und die Atmosphäre irgendwie doch nur noch schöner und spezieller gemacht.

Es war toll, seine Lippen auf meinen zu spüren, perfekt passend, rau und dennoch auf eine Art und Weise weich und besonders die Zärtlichkeit, mit der er sie gegen meine bewegt hat. Man würde ihm das nicht zutrauen, doch ich habe es nur umso mehr genossen. Es war schön, ihm einmal so nahe sein zu dürfen und erfahren zu dürfen, dass man nicht der Einzige ist, der so empfindet. Was auch immer ihn dazu getrieben hat, ich bin froh, dass er es getan hat. Es hat ein Gefühl in mir freigesetzt, dass ich nicht beschreiben kann, so atemberaubend und überwältigend war es. Eine riesige Freude hat sich in meinem Körper ausgebreitet, mir ist heiss gewesen und am liebsten hätte ich ewig so weitergemacht, wenn er sich nicht von mir gelöst hätte. 

Viel gesagt und getan haben wir danach nicht mehr. Ich wollte wissen, was wir jetzt machen und Taehyung hat gesagt, dass ich vielleicht jetzt besser nach Hause gehe und mich hinlege. Die Bullen werden die Umgebung sicherlich nach uns absuchen, also müssten wir einen ganz anderen Ort aufsuchen und auf die Schnelle ist uns beiden keiner eingefallen, der etwas abgelegen und nicht viel besucht ist, also habe ich seinen Rat schliesslich befolgt und bin gegangen. 

Doch seit ich um etwa Mitternacht hier angekommen bin und ins Bett gegangen bin, kann ich nicht einschlafen. Vielmehr drehen sich all meine Gedanken um den Kuss und die Frage, was das jetzt bedeutet. Darüber geredet haben wir nämlich nicht mehr. Ich wollte auch erst gar nicht mehr darüber sprechen, ich bin viel zu glücklich darüber gewesen, dass es passiert ist und auch Taehyung hat anscheinend anderes im Kopf gehabt, als jetzt zu definieren, was das für uns bedeutet und die Beziehung in der wir zueinander stehen.

Ich lache leise, als mir auf einmal wieder in den Sinn kommt, wie sehr er mich erst verabscheut hat. Er hat mich für den reichen, verwöhnten Schnösel gehalten und ich bin mir sicher, wir beide wollten nie etwas derartiges mit dem jeweils anderen anfangen. Und doch haben wir uns irgendwie zusammengerauft und es tatsächlich auf die Reihe gekriegt, dass wir uns angefreundet haben, bis hin zu dem Punkt, an dem wir jetzt stehen. Jetzt muss ich nur noch wissen, was für ein Punkt das genau ist.

Ein Kuss muss nicht unbedingt immer eine Beziehung bedeuten. Was, wenn es einfach eine Kurzschlussreaktion war, weil er erleichtert gewesen ist, die Cops abgehängt zu haben? Oder einfach aus Lust und Laune heraus? Das ist das Problem, das mich schon die ganze Zeit wach hält; ich mache mir viel zu viele Gedanken darum. 

Ich fahre mir mit einem tiefen Seufzen durch die Haare und schliesse einen Moment die Augen, um mich wieder etwas zu sammeln. Ziemlich sicher kriege ich meine Antwort nicht, wenn ich hier alleine rumliege und grüble. Taehyung kann ich gerade nicht fragen, also bleibt im Grunde nur eine einzige Person, der ich mein Leid noch klagen könnte.

Ich setze mich etwas auf und strecke mich wieder zu meinem Nachttisch hin, diesmal allerdings, um mein Handy in die Finger zu kriegen. Als ich es anmache, blendet mich der helle Screen und mit zusammengekniffenen Augen tippe ich die Kontakte an und scrolle durch diese hindurch, bis ich bei Yoongi Hyung ankomme. Ich hoffe einfach, dass er noch nicht schläft, wobei ich das bezweifle. Er arbeitet so oft nachts, dass es mich eher überraschen würde, wenn er um drei bereits schläft.

Ich rufe meinen besten Freund an und warte dann ungeduldig, dass die Verbindung aufgebaut wird und Yoongi abnimmt. Ich habe Glück, denn bereits nach dem zweiten Klingeln, erklingt plötzlich die tiefe Stimme des Älteren. "Jungkook", murmelt er halblaut, "Es gibt Menschen, die schlafen um diese Uhrzeit."

Ich lache leicht und schüttle den Kopf. "Ja, aber du gehörst nicht zu denen, Hyung", erwidere ich frech, "Selbst wenn, du hast nicht geschlafen, so schnell, wie du den Anruf angenommen hast."

Ich höre ihn seufzen am anderen Ende, doch er diskutiert nicht weiter über das Thema, sondern fragt mich direkt, was los ist. Er kennt mich gut; wenn es mir nicht wichtig wäre, würde ich um diese Uhrzeit nicht anrufen. Was nicht wichtig ist, kann auf eine etwas christlichere Uhrzeit warten. Ich beisse einen Moment lang nur still auf meiner Unterlippe herum und beginne ihm dann zu erklären, was mich so aufwühlt. 

"Ihr seid beide solche Genies", murmelt Yoongi Hyung schlussendlich leise, als ich geendet habe und ich ziehe eine Grimasse. Vielleicht hätten wir es einfach kurz bereden sollen, aber ich wollte die schöne, angenehme Atmosphäre nicht mit so einem Thema zerstören. "Wenn du es nicht weisst, dann frag ihn", meint er dann und ich ziehe die Augenbrauen zusammen.

"Hyung, er erzählt mir doch ohnehin schon so wenig, wieso sollte er darauf eine Antwort geben? Die Frage ist bescheuert", erwidere ich trocken, doch er schnaubt nur. "Hast du mir nicht mal erzählt, dass ihr zwei einen Deal gemacht hat, bei dem jeden Tag auf eine Frage von dir eine Antwort geben muss? Du musst ihn ja nicht fragen, was ihr jetzt seid, stell eine kreativere Frage. Dir fällt bestimmt eine ein."

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