🔱Siebenunddreissig🔱

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Taehyung

Unruhig ziehe ich an der Zigarette zwischen meinen Lippen, lasse meinen Blick beinahe nervös umherhuschen und stosse dann auch schon wieder den Rauch aus, der sich in der Luft verflüchtigt.

"Ich habe dich selten so aufgewühlt gesehen", bemerkt Namjoons Stimme neben mir sachlich. Ich lache kalt auf und verdrehe die Augen, bevor ich nur mit den Schultern zucke. "Man kann nunmal nicht nur immer zufrieden sein", zische ich schroff zurück. Der Ältere lacht deutlich amüsierter als ich zuvor und ich merke, wie er mir kurz gegen die Schulter schlägt. "Meine Güte, was ist los?"

"Nichts." Ich sehe nicht zu ihm rüber, wende meinen Blick nicht vom Himmel ab, der langsam aber sicher in ein schönes, sanftes Rosa und Lila getaucht wird, da die ersten Sonnenstrahlen wieder unseren Flecken Erde treffen. "Erzähl es jemandem, der es glaubt", gibt mein Hyung zurück und ich verdrehe abermals die Augen. Manchmal hasse ich es, dass er so viel von mir weiss und mich dadurch wie ein offenes Buch lesen kann. Es ist mir manchmal unangenehm, weil er damit weiss, wann etwas nicht stimmt und anfängt jedes Detail aus mir herauszuquetschen, bis ich schliesslich endlich offenbare, was los ist.

Manchmal möchte ich das einfach nicht, manchmal will ich einfach nicht darüber reden, will es lieber für mich behalten, einfach in mich reinfressen und es verdrängen, selbst wenn das nicht wirklich eine gute Idee ist. Aber Namjoon lässt bei sowas nicht locker, das ist das Problem. Das ist wohl auch der Grund, wieso er tatsächlich die ganzen Stunden bis jetzt mit mir draussen auf dem Gehsteig gehockt ist, die Füsse von sich gestreckt, einfach auf die Strasse, die sowieso kaum befahren wird, genau wie ich auch. 

Ich habe eine Zigarette nach der anderen geraucht, natürlich hat er da bemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt und mich etwas aufwühlt, das ist dasselbe, wie wenn Menschen ihre Fingernägel abkauen, wenn sie nervös sind; ich führe mich wie ein Kettenraucher auf.

Gedankenverloren klopfe ich die Asche vom Ende der Zigarette mit meinem Zeigefinger ab und stecke sie mir dann wieder zwischen die Lippen, um an ihr zu ziehen. 

Die Art und Weise wie er mich allein schon angesehen hat, nachdem ich gesprochen habe... er hat geschnallt, dass ich ein verdammtes Wrack bin, mindestens bei der Sache mit meiner Schwester. Der Junge ist nicht bescheuert und irgendwie schafft er es immer wieder, mir unangenehme Fragen zu stellen, die mich alle aus dem Konzept bringen. Er hat irgendein verdammtes Talent dafür, dass ich definitiv verfluche. 

"Okay", höre ich Namjoon dann sagen, im nächstem Moment ist die Kippe zwischen meinen Fingern verschwunden und als ich überrascht zu meinem Hyung sehe, kann ich mitkriegen, wie er sie einfach auf den Asphalt fallen lässt und kurzen Prozess mit ihr macht, als er sie mit dem Schuh zerdrückt. "Was soll das, Hyung, das war meine!", motze ich ihn eher halbherzig an, doch er zuckt desinteressiert mit den Schultern, bevor er den Blick wieder zu mir wendet und mir direkt in die Augen schaut. 

"Ich weiss nicht, was vorgefallen ist, zwischen euch, aber seit du zurück von eurem kleinen Ausflug bist, bist du vollkommen aufgewühlt. Was ist los, Taehyung?"

Leer schluckend sehe ich erst an ihm vorbei die menschenleere Strasse entlang. Noch ist hier keiner auf, bis auf uns und um ehrlich zu sein, bin ich gerade froh darum, denn so starrt uns niemand an oder hört uns zu und kriegt Dinge mit, die ihn nichts angehen.

"Er stellt mir immer Fragen, die einen wunden Punkt in mir treffen, Hyung", gebe ich schliesslich leise zu und starre dann seufzend auf den dreckigen Asphalt, wo Namjoons Füsse sind, die in den ausgelatschten Sneakers stecken. 

"Wieder deine Schwester?", rät er einfach leise und ich nicke langsam, "Ständig stellt er Fragen, er will alles wissen, wieso kann er nicht einfach akzeptieren, dass ich nichts erzählen will?", murmle ich und fahre mir dann aufgewühlt durch die Haare. Ich höre den Älteren neben mir Seufzen und einen Moment lang herrscht Stille, bis er das Wort wieder ergreift: "Wovor hast du solche Angst?"

Ich erstarre einige Sekunden lang, dann allerdings ziehe ich die Augenbrauen zusammen und sehe ihn perplex an. "Ich habe keine Angst!", antworte ich harsch.

Aber Namjoon lächelt nur müde und hebt dazu eine Augenbraue. "Doch, die hast du", widerspricht er mir halblaut, "Sogar ziemlich viel, sieh dich doch einmal an, Tae. Du rauchst mir hier schon die ganze Nacht lang Zigarette um Zigarette." Dabei nickt er auf den Boden bei mir und ich folge dem Blick und erkenne die zahlreichen Zigarettenstummel  vor mir, woraufhin ich schnaube und mir abermals durch die Haare fahre und schlussendlich einfach hilflos mit den Schultern zuckte.

"Du bist nervös, du hast Angst, dem Jungen von dir zu erzählen", fährt er fort und ich beisse mir auf die Lippe, denn vermutlich hat er Recht. Ziemlich sicher sogar. Ich habe Angst. "Wieso? Mir konntest du die Dinge auch erzählen, oder nicht?"

"Aber du bist nicht er...", erwidere ich leise und suche nach Worten, doch ich finde keine. Aber Namjoon schient zu verstehen, was ich ihm genau sagen will, denn ich höre ihn leise lachen und spüre anschliessend, wie er mir einen Arm um die Schultern legt.

"Du vertraust ihm nicht... Aber wieso nicht? Was hat er dir getan? Versuch es doch einfach, Tae. Nicht alle Menschen sind schlecht und verurteilen dich. Nicht alle sind wie du und haben Vorurteile, weil sie eine Information vom anderen haben aber den Rest nicht kennen."

Ich verdrehe die Augen und schnaube. "Danke, Namjoon", meine ich sarkastisch und er lacht laut auf. "Du bist kein schlechter Mensch für deine Entscheidungen, Taehyung - und Jungkook auch nicht."

Graffiti [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt