🔱Vierundvierzig🔱

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Jungkook

Mit einem Seufzen lässt Yoongi Hyung seine Maus los und greift dafür zu dem kalten Starbucks-Kaffee, der erst zur Hälfte leer getrunken ist, selbst wenn ich ihm diesen schon vor Stunden vorbei gebracht habe. Meiner ist schon längst fertig, immerhin hatte ich auch nichts anderes zu tun, als neben meinem Hyung zu sitzen und ihm dabei zuzusehen, wie er an einem Beat für einen neuen Song herum tüftelt. Es ist gleichermassen interessant, wie langweilig, denn da ich kaum eine Ahnung davon habe und selbst gar nichts tun kann, ausser ihn dabei zu beobachten, ist es dennoch interessant zu sehen, wie er daran arbeitet, immer wieder stoppt und das Stück abspielt, um dann weiter daran zu arbeiten.

"Wann denkst du, bist du damit fertig?", will ich von ihm wissen und wende meinen Blick vom Bildschirm des Laptops ab, an dem er so konzentriert arbeitet, um Yoongi von der Seite anzusehen. Er hat den grünen Strohalm des Bechers zwischen die Lippen geklemmt und trinkt noch einen Schluck, bevor er den Kaffee wieder zurück auf den Tisch stellt und mich aus den Augenwinkeln ansieht und mit den Schultern zuckt. "Keine Ahnung", meint er mit rauer, heiserer Stimme und ich ziehe die Augenbrauen besorgt zusammen.

"Du klingst müde, Hyung", bemerke ich ruhig, doch er macht sich bereits wieder an seinem Laptop zu schaffen. "Ist halb so wild", murmelt er dann völlig beiläufig und ich schnaube. "Ich bin hier um zehn aufgetaucht. An deinem freien Tag. Hast du überhaupt geschlafen, die Nacht?", will ich wissen, denn normalerweise braucht der Schwarzhaarige deutlich länger um Morgens um Zehn an die Tür zu kommen. Es liegt nicht daran, dass er so tief und lange schläft, vielmehr dass er seinen Schlafrhythmus ständig zerstört. Die meisten würden Yoongi als faul ansehen, weil er tagsüber immer so müde und antriebslos wirkt, oft schläft oder vor sich hin döst, dabei wissen sie einfach nicht, dass er all seine Energie und Motivation Abends und nachts verpulvert. Ich weiss nicht, wie viele Nächte er schon komplett aufgeblieben ist, um an seinen Songs arbeiten zu können, weil das die einzige Zeit ist, die ihm übrig bleibt zwischen Studium und Arbeit. Manchmal geht er um vier Uhr ins Bett, nur um sich um sieben wieder raus zu quälen, damit er pünktlich in der Uni ist. 

Das allerdings scheint wieder eine schlaflose Nacht gewesen zu sein, wenn ich mir die tiefen, dunklen Ringe unter seinen Augen so anschaue. 

Yoongi seufzt und nimmt sich kurz die Basecap vom Kopf, nur um sich durch die zerzausten, schwarzen Haarsträhnen zu fahren, die davon zeugen, dass sie heute wohl noch keine Bürste gesehen haben. "Sollte ich nicht derjenige sein, der dich das fragt?", erwidert er dann auf meine Frage und dreht den Kopf, um mich direkt anzuschauen, während er seine Cap wieder verkehrt herum aufsetzt und dann die Augenbrauen fragend hebt. Ich schnaube und sehe zurück zum Laptop um seinem forschenden, intensiven Blick auszuweichen. "Das ist nicht dasselbe", versuche ich ihn abzuwimmeln, woraufhin ich ihn auflachen höre.

"Das ist sowas von dasselbe. Also, Jungkook: Hast du diese Nacht überhaupt geschlafen?"

"Hab ich", murmle ich. Das ist nicht einmal gelogen, tatsächlich bin ich um halb zwei Zuhause gewesen, trotzdem war mein Schlaf eher schlecht als recht. "Jetzt bist du dran. Hast du geschlafen?"

Ich erhalte keine Antwort auf meine Frage, Yoongi Hyung stellt mir nur die nächste Gegenfrage. "Sag mir lieber wieso du so früh hier aufkreuzt." Ich beisse mir auf die Unterlippe und zucke mit den Schultern. Wieder seufzt der Ältere und lässt von seiner Maus und dem Laptop ab. Er dreht den Stuhl so, dass er mich wieder direkt ansehen kann und unsicher erwidere ich diesen Blick diesmal. Yoongi neigt den Kopf und sieht mich auffordernd an. "Ich war gestern Nacht wieder mit Tae draussen", murmle ich leise, was der Ältere mit einem Nicken zur Kenntnis nimmt, während er sich zurücklehnt. "Und?", hakt er ruhig nach und ich zucke erneut mit den Schultern.

"Er war komisch, Hyung."

"Inwiefern komisch?", bohrt er weiter und ich denke an den Augenblick zurück, wo Taehyung auf einmal so dicht vor mir gestanden ist. Wie er mich mit seinen dunklen Augen so intensiv angeschaut hat, als ob er auf den Grund meiner Seele schauen möchte, als ob er die Antwort auf eine Frage finden will. Die Intensität seines Blickes hat mich in seinen Bann gezogen, ich konnte einfach nicht wegsehen. Es ging nicht. Es war wie eine unsichtbare Kraft. 

Es war nicht unangenehm, ich mochte die Nähe, ich mochte sie sogar sehr und als er mir dann einfach durch die Haare gefahren ist, habe ich die Berührung mit einem warmen Gefühl in der Brust genossen und wahrgenommen. 

"Er... zeigt auf einmal so viel Zuneigung, Hyung", meine ich leise, "Er steht dicht bei mir, er fährt mir völlig unwillkürlich durch die Haare... u-und... ich weiss nicht..." Mit einem Seufzen lasse ich den Satz in der Luft stehen und sehe hoch in das Gesicht meines besten Freundes, auf dessen Lippen sich der Ansatz eines kleinen Grinsen zeigt.  "Und du fragst dich, ob es möglich ist, dass da etwas von seiner Seite aus kommen könnte", schlussfolgert er und neigt dann den Kopf.

Mit einem Seufzen gehe ich mir durch die Haare und schürze die Lippen, während mein Blick zurück zu Yoongis Laptop huscht. "Wäre es denn sehr abwegig sich das zu fragen? Oder es gar zu hoffen?", will ich unsicher von ihm wissen, woraufhin ich nur spüre, wie der Ältere mir durch die Haare wuschelt. 

"Ich bin jetzt kein Experte oder so, aber... es scheint mir gar nicht so abwegig, wenn ich höre, was du mir da erzählst", meint er und ich sehe wieder zu ihm auf, nur um sein ermunterndes Lächeln zu sehen, mit dem er mich bedenkt. Erneut greift er zu seinem Kaffeebecher, doch bevor er sich wieder den Strohhalm zwischen die Lippen klemmt und daraus trinkt, meint er noch mit einem hörbar amüsierten Unterton in der tiefen, warmen Stimme:  "Ich dachte die ganze Zeit, nur du bist derjenige mit dem Crush von euch beiden, aber wie es scheint bist du damit nicht allein~"

Graffiti [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt