Kapitel 16

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Rastlos bewegte ich mich durch die Wohnung, war nicht in der Lage mich auf irgendetwas länger als ein paar Sekunden zu konzentrieren oder still zu sitzen. Immer wieder sah ich auf die Uhr, doch der Sekundenzeiger bewegte sich nur im Schneckentempo fort. Oder vielleicht in Zeitlupe? Um achtzehn Uhr wollten wir uns treffen und ich hatte entschieden eine Stunde vorher loszugehen. Noch zwei Stunden.

Was sollte ich denn so lange noch machen? Mein Blick huschte durch das Wohnzimmer. Nein, in diesem Raum gab es nichts mehr zu tun, denn ich hatte es bereits am Morgen aufgeräumt und Staub gewischt. Ein Blick zu dem schmalen Balkonfester ließ mich einen Moment in Erwägung ziehen es zu putzen, aber dann machte ich mir klar, dass das Wetter dafür einfach unpassend war. Es nieselte und der Wind pfiff ab und zu um die Hausecke und ließ die Äste der alten Ulme und Kastanie im Garten heftig von einer Seite zu anderen wehen.

Meine Beine trugen mich zurück ins Schlafzimmer wo mir ein entnervtes Stöhnen entwich, als ich mein Bett sah. Dort lagen unzählige Klamotten, denn ich hatte mich nicht entscheiden können, was ich tragen sollte. Pullover, Shirts, Hosen und sogar einen Rock hatte ich achtlos auf die Tagesdecke geworfen. Tief aufseufzend trat in das Zimmer ein, öffnete den Schrank und begann dann rasch das Chaos zu beseitigen.

War das normal, dass die Hände schwitzig waren, dass Herz beinahe aus der Brust sprang und die Schmetterlinge einen Looping nach dem anderen in meinem Bauch flogen? Weswegen war ich eingentlich so aufgeregt? Das war doch Aufregung oder etwa nicht? Oder bekam ich gerade einen Herzinfarkt? Oh. Mein. Gott. Abrupt blieb ich stehen, wischte mir die Hände an den Oberschenkeln ab und horchte tief in mich hinein. Nein, da war kein Schmerz in meiner Brust oder ein Taubheitsgefühl in meinen Händen oder Armen. Das musste Aufregung sein. Aber wieso? Ich wollte mich doch nur mit Riker treffen. Wir hatten uns doch schon dutzende Male getroffen und da hatte mein Körper nicht so verrückt gespielt. Es trafen sich doch nur zwei Freunde. Oder etwa nicht? Riker würde mir doch nicht plötzlich seine unsterbliche Liebe gestehen. Das war nur ein Wunschtraum, Beatrix. Zu schön um wahr zu werden. Solche Dinge passierten Mädchen wie mir nicht. Nie! Ein Mann wie Riker könnte mit einer Frau wie mir auch gar nichts anfangen. Männer wie Riker brauchten Frauen, die waren wie sie selbst. Sie nahmen keine Rücksicht auf traumatisierte und paralysierte Frauen. Mit denen konnten sie keinen Spaß haben und erst recht keinen Dampf ablassen. Riker war ein Mann durch und durch. Er strotzte geradezu vor Kraft und Virilität. Das Testosteron strömte aus jeder seiner Körperzellen. Wenn er Sex wollte, dann hatte er keinerlei Probleme damit eine willige Partnerin dafür zu finden. Ich wusste ja auch noch nicht einmal, ob ich jemals dazu in der Lage sein würde überhaupt ein normales Verhältnis zu meinem Körper aufzubauen, von meiner Sexualität ganz zu schweigen. Kein Mann, egal wie verständnisvoll er auch sein mochte, würde Monate, vielleicht sogar Jahre, auf eine Frau warten. Die Zeiten, in denen man bis nach der Hochzeit mit dem Sex wartete waren schon lange vorbei.

Das Klingeln an der Tür riss mich aus meinen trübsinnigen Gedanken und ich sah mich verwundert um. Wer war das? Außer Miss Weatherly klingelte sonst niemand bei mir. War etwa etwas nicht in Ordnung mit ihr? Brauchte sie Hilfe? Mit schnellen Schritten eilte ich zur Tür und riss sie auf nur um dann einem schüchtern lächelnden Riker gegenüber zu stehen.

„Was...machst du denn hier", fragte ich verdattert.

Riker trat von einem Bein aufs andere. „Na ja, das Wetter ist ja alles andere als gemütlich heute, also habe ich mir von meinem Nachbarn das Auto geliehen, um dich abzuholen."

Wie aufmerksam von ihm. Unweigerlich schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, denn es rührte mich zutiefst wie viele Gedanken er sich immer um mein Wohlergehen machte.

„Komm rein, ich muss mir noch Schuhe anziehen." Ich öffnete die Tür noch ein Stück weiter für ihn, damit er eintreten konnte, während ich mich abwandte und mir ein paar Sneaker schnappte. Da wir noch ein wenig in der Umgebung des Millenium Eyes umher schlendern wollten, mussten bequeme Schuhe her.

Peinlich BerührtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt