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11. Februar 3026

Es muss kurz nach Mitternacht sein. Die Luke des LKW schließt sich und es wird mit einem Mal stockdunkel. Es ist totenstill, aber ich spüre das ich nicht allein bin. Es müssen ca zwanzig andere Kinder hier sein.
Dann beginnt das erste leise Wimmern. Dann das zweite. Immer mehr Kinder fangen an zu weinen oder zu schreien. Wären meine Hände nicht gefesselt, würde ich mir die Ohren zuhalten.

[...]

Trotz des Lärmes im LKW und meiner eigenen Verzweiflung, übermannte mich die Müdigkeit und ich bin eingeschlafen. Jetzt wurde ich durch viel zu grelles Licht und ein lautes Scheppern geweckt.

Ich will mir die Augen reiben, doch dieser Reflex bleibt mit verwehrt. Stimmt ja. Handschellen.

Ich zwinkere ein paar mal und sehe mich um. Ich hatte recht. Es sind ungefähr zwanzig weitere Jungen und Mädchen hier. In verschiedenen Altersgruppen und Größen. Sie sehen aus wie ich: Fettige Haare, schmutziges Gesicht und alte Klamotten aus Wolle und Leinen. Eben das Aussehen der Unterschicht.

"Aufstehen und in einer Reihe aufstellen!", schreit auf einmal ein Polizist. Ich zucke zusammen, versuche aber dann so schnell wie möglich mit wackeligen Beinen aufzustehen.

Das Geheule der restlichen Kinder ist bereits verstummt. Wahrscheinlich haben sie sich damit abgefunden, an ihrer Lage nichts ändern zu können.

Langsam aber sicher stehen alle mehr oder weniger ruhig in einer Reihe und werden einzeln aufgerufen und nach draußen geführt.

"Park Jimin."

Ich trete vor und laufe die Ladeklappe hinunter. Ich stehe auf einem riesigen Parkplatz, wo noch mehr dieser LKWs stehen. Der Himmel ist grau und die Luft wirkt verbraucht. Stadtluft.

Von weiten kann ich die Autos hören, die auf den riesigen Straßen fahren. Ob alle Autos so aussehen wie diese LKWs?

Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, packt mich ein Mann in gelber Weste am Arm.

"Du bist Nummer 712.", sagt er harsch und befreit mich aus den Handschellen, nur um mir ein Papierarmband umzukleben, wo groß meine Nummer drauf steht und ein Name: Min.

"Mr Park, Sie sind bei Familie Min. Folgen Sie bitte dem Beamten dort."

Er zeigt auf einen Mann, der ein Schild mit der Aufschrift 700-799 in der Hand hält.

Langsam gehe ich auf ihn zu und bleibe bei einer Gruppe von Jugendlichen stehen, die alle mein Alter zu haben scheinen.

"Also, ich bin Mr Choi. Ich werde euch jetzt zu dem Platz bringen, bei dem ihr von hier zu euren neuen Familien gebracht werdet."

Neue Familien. Pf. Ich habe nur eine wahre Familie und die macht sich gerade tierische Sorgen um mich! Wie es meiner Mutter wohl geht? Sie hat schließlich gesprochen. Oder besser gesagt geschrien.

Ihre Stimme klang grauenhaft.

Was wird Hoseok wohl denken, wenn er heute Mittag bei der Scheune auf mich wartet? Er kann sich schwarz warten. Ich werde nicht kommen. Ich werde nie wieder zurück kehren können. Selbst wenn die Min's meine Dienste nicht mehr beanspruchen, so würde ich niemals den Weg von New Seoul nach Busan finden.

Der Beamte führt uns über den großen Platz zu einer Straße, auf der unendlich viele Taxen geparkt sind. Vor jedem Auto steht ein Mann mit einem Namensschild.

Mr Choi gibt uns die letzten Papiere und jetzt suche ich das Schild mit meinem Namen. Was machen die eigentlich, wenn es mehrere Park Jimins gibt mh?
Ich hoffe jetzt einfach mal, dass es nur mich gibt.

Als ich das richtige Taxi gefunden habe, zeige ich dem Fahrer meine Einreiseerlaubnis, die ich gerade von Mr Choi bekommen habe.

Koffer oder Gepäck habe ich nicht. Ich habe nichts was mich an meine Familie, Freunde oder Zuhause erinnert.

Das Taxi fährt los und eigentlich wollte ich aus dem Fenster gucken, um Eindrücke der Stadt New Seoul zu sammeln. Bis jetzt habe ich noch keine andere Stadt außer Busan gesehen. Und dort gibt es keine Autos. Bloß Karren, Kutschen, Fahrräder und natürlich die überteuerte Bahnverbindung.

Leider bin ich einfach zu müde. Sobald der Motor startet, fallen mir die Augen zu. Die Nacht in dem LKW war unglaublich unerholsam.

[...]

Das Taxi hält vor einem riesigen Wolkenkratzer. Viel luxuriöser als in Busan. Kein altes, kaputtes Material. Hier ist alles on top.

Das Taxi fährt weiter und ich laufe ohne mich nochmal umzudrehen zur Tür.

Ich suche den Klingelknopf der Familie Min. Er ist ganz oben.

"Puh, ganz schön hoch.", murmele ich zu mir selbst.

Ich betätige die Klingel und ein elektronisches Geräusch ertönt. Ich drücke die Tür auf und trete in die Eingangshalle.

Wow. So viel Luxus auf einmal.

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Belive in yourself ♡

Future Life  ʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰWo Geschichten leben. Entdecke jetzt