Kapitel 7 ♡

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Ich spürte wie der eisige Wind der Nacht, sanft über meine warme Haut strich und erschauderte leicht. Um mich herum war nichts weiter als eine bedrohliche Dunkelheit und die tanzenden Schatten, der sich leicht im blassen Mondlicht wiegenden Äste. Ich drehte mich ein paar mal im Kreis um erkennen zu können wo ich war, aber mit jeder Drehung wurde meine Sicht immer verschwommener, bis ich schließlich gar nichts nichts mehr sah. Ich spürte Panik in mir aufsteigen. Ich wollte nach Hilfe schreien, aber es kam kein einziger Ton heraus.

Plötzlich spürte ich einen heißen Atmen an meinem Nacken und eine Hand die fest meinen rechten Arm packte. Ich wurde herum geschleudert und jetzt spürte ich den Atem, der mir unbekannten Person direkt an meiner Wange. "Siehst du Jimin, was hab ich dir gesagt?" flüsterte er in mein Ohr. Ich glaube mein Herz hatte mindestens drei Schläge ausgesetzt, nachdem ich seine raue Stimme erkannt hatte und sofort gefror mir das Blut in den Adern. Das konnte nicht wahr sein. Nicht schon wieder.
"Bitte Taehyung. Lass mich doch einfach in Ruhe." flehte ich leise.

"Nein. Ich hab es dir gesagt, Park."

"Aber es ist nicht meine Schuld! Wie oft noch?!" schrie ich und meine Sicht wurde wieder klarer, so dass ich in seine bedrohlich glänzenden Augen schauen konnte. Es hatte sowieso keinen Sinn, es ihm zu sagen. Er würde mich nicht in Ruhe lassen, egal was ich sagte.

"Dazu hab ich dir bereits etwas gesagt."

Ich nickte leicht. "Ich weiß."

Der Wind wurde auf einmal sehr viel stärker, wodurch ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte. "Ich hasse dich so sehr, Jimin. Wenn ich dein Gesicht schon sehe, würde dich am liebsten umbringen." schrie Taehyung und schubste mich ein ganzes Stück von sich weg. "Nur kann ich das nicht..." setzte er leise dahinter, aber ich hatte es trotzdem gehört.

"Tu es doch einfach." hauchte ich. Mir war alles egal. Mein Körper hatte keine Kraft mehr um das ganze noch einmal durch zu stehen. Ich strich leicht über die Narben an meinem Arm. Vielleicht wurde es mal Zeit für neue. Ich sehnte mich danach wenigstens für ein paar Minuten, von meinem scheiß beschissenen Leben und den Erinnerungen abgelenkt zu werden. Oder Taehyung bringt mich einfach um.

"Es geht nicht." riss er mich aus meinen Gedanken und kam langsam auf mich zu.

"Warum nicht?"

"Das geht dich nichts an." Taehyung stand jetzt wieder genau vor mir und packte mich am Kragen.

"Hast du etwas Angst?" sagte ich spöttisch.
In Tae's Augen sah man die Wut aufsteigen und sein Griff wurde immer fester. Mein Hals schmerzte bereits. "Niemals." lachte er abschätzig und schleuderte mich mit voller Wucht auf den Boden, aber ich spürte beim Aufprall nicht den harten Asphalt, sondern den sanften Stoff meiner Bettdecke, die samt mir auf dem Boden meines Zimmer's lag. Mein Kopf dröhnte dennoch, was wahrscheinlich an der Platzwunde an meiner Stirn lag die Taehyung mir zu gezogen hatte. Ich versuchte mich langsam auf zu raffen, aber mir wurde schwindlig. Ich ignorierte es einfach und zog mich an meinem Bett hoch, tapste anschließend leise ins Bad und schaltete dort das Licht ein, wovon ich kurzzeitig erblindete. Ich war auch echt ein Idiot.

Seuftzend öffnete ich das kleine Regal mit dem Spiegel, das über dem Waschbecken hing. Auch wenn es nur ein Traum gewesen war, dieses Verlangen hatte ich trotzdem.

Ich hatte endlich gefunden was ich suchte und hielt jetzt das kleine kalte Metallstück in meiner zittrigen Hand. Zögerlich setzte ich die scharfe Klinge an meinem rechten Unterarm an. Sollte ich wirklich? Plötzlich tauchten wieder Bilder meiner Erinnerungen in meinen Gedanken auf. Meine Eltern, wie sie vor meinen fünfjährigen Kinderaugen Handschellen angelegt bekamen und anschließend von Polizisten abgeführt wurden. Ich schrie die ganze Zeit, weil ich das alles nicht verstand, aber ich blieb trotzdem an Ort und Stelle auf dem Boden sitzen. Ich sah den achtjährigen Jin der verzweifelt versuchte aus den Armen unserer Tante zu entrinnen um unseren Eltern hinter her zu stürmen. Meine Hoffnungen, diese Bilder nie mehr sehen zu müssen, wurden auf einem Schlag zerstört.

Ich zögerte keine Sekunde mehr und zog die Klinge einmal fest und schnell über die weiche Haut meines Armes. Zwei mal. Drei mal. Vier mal. Beim zehnten mal zählte ich nicht mehr mit. Ich spürte salzige Tränen über meine Wangen laufen und schaute in den Spiegel. Was ich dort sah war ein blasses weißes Gesicht, mit tiefen dunklen Augenringen.

Ich hatte Jin und Yoongi versprochen es nie wieder zu tun, aber ich hatte einfach die Kontrolle über meinen eigenen Körper verloren und das nur wegen Taehyung. Selbst in meinen Träumen hatte ich wohl keine Ruhe mehr vor ihm.

"Jimin? Bist du da drin?!"

Ich zuckte zusammen und ließ dabei das mit Blut verschmierte Metallstück fallen. Als ich einen Blick nach unten warf, bermerkte ich, dass das Waschbecken auch nicht gerade besser aussah. Von meinem Arm wollte ich gar nicht erst anfangen.

"Jimin?" fragte Jin erneut und klopfte an die Tür.

"Ja. Einen Moment noch." schnell wusch ich meinen Arm ab und säuberte das durch mein Blut rote Waschbecken. Anschließend wickelte ich noch einen Verband um meine brennenden Wunden und zog den Ärmel meines Pulli's darüber. Ich wollte schon die Tür öffnen, als mir einfiel, dass hier irgendwo noch die Klinge herum lag. Ich kroch auf dem Boden herum, aber keine Spur von dem Ding. Fuck. Wenn Jin sie finden würde, wäre ich wirklich am Arsch.

"Was machst du denn da so lange?! Ich muss auf' s Klo." hörte ich meinen Bruder erneut sagen.

Es hatte keinen Sinn hier noch weiter auf dem Boden rum zu krabbeln. Ich betete innerlich dafür, dass dieses dumme Teil irgendwo hingefallen war, wo es niemals jemand finden würde. Ich schloss die Tür auf und schaute in Jin's genervtes Gesicht.
"Na endlich." er drückte mich leicht zur Seite und knallte mir die Tür vor der Nase zu. Ich verdrehte meine Augen und lief in die Küche.
Meine Kehle fühlte sich so an als ob ich drei Wochen nichts mehr getrunken hätte.

Ich schnappte mir einfach eines der Gläser die neben der Spüle auf der Ablage standen und füllte es mit eiskalten Wasser, das ich anschließend gierig mit einem Zug austrank.
Ich stellte gerade das Glas zurück, als mich die Stimme meines Bruder's erneut zusammen zucken ließ. Warum war ich eigentlich so verdammt schreckhaft?

"Was ist das hier?!"

Ich ahnte bereits was mir blühte und mein Verdacht bestätigte sich, als ich mich zu ihm umdrehte und die silberne Klinge in seiner Hand aufblitzen sah. "Eine Rasierklinge?" fragte ich blöd. Jin verdrehte die Augen "Du weißt genau was ich meine, Jimin. Da klebt Blut dran."

"Ähm ja. Ich hab mich beim Rasieren geschnitten." log ich.

"Wenn willst du hier verarschen? Dir wächst doch nicht mal ein Bart!"

Na, vielen Dank auch. "Es gibt auch andere stellen wo man sich rasiert." versuchte ich mich erneut raus zu reden.

"Ach und dann versteckt man die Klinge unter dem Badezimmerteppich?!"

Hätte ich auch mal selbst drauf kommen können, dort zu suchen. Aber wie kam er auf die Idee darunter nach zu sehen? Vielleicht hing ja im Bad irgendwo eine versteckte Kamera. Das musste ich unbedingt in nächster Zeit mal nach prüfen. "Ähm...dann muss die mir wohl runter gefallen sein."

Ich sah meinem Bruder an, dass er mir kein Wort glaubte. Er kam langsam auf mich zu und sah mich mit einem Blick gemischt aus Angst und Wut an. "Zeig mir deinen Arm."

Entsetzt sah ich ihn an. "W-wieso denn? Da ist doch nichts."

"Das war vor zwei Jahren auch immer deine Standardantwort also los jetzt. Zeig!"

Ich seufzte leise und zog quälend langsam den linken Ärmel meines Pulli's hoch. Zum Vorschein kam der weiße Verband, den Jin jetzt mit traurigen Augen betrachtete. "Warum hast du das getan, Jimin? Ich dachte diese Zeiten wären endlich vorbei." sagte er leise.

"Es ist wegen Taehyung. Ich verstehe das alles nicht. Die ganzen Jahre hat er mir mich in Ruhe gelassen und mich keines Blickes gewürdigt, also wieso gerade jetzt? Hat er sich auf einmal gedacht 'Ach, das ist ja der Sohn von den Mördern, dem mach ich jetzt mal das Leben zur Hölle'?!" ich setzte mich auf einen der Stühle am Esstisch, weil mir wieder etwas schwindlig wurde und vergrub mein Gesicht in den Händen.
Ich hörte wie Jin einen Stuhl ein Stück zurück zog und neben mir Platz nahm. Er legte einen Arm um meine Schultern und ich spürte seinen Blick von der Seite. "Das ist genau das was ich auch zu gern wüsste. Er hätte doch auch einfach mich nehmem können."

"Das tut er nicht, weil du bloß mein Halbbruder bist. Du hast keinen mordlustigen Vater so wie ich." flüsterte ich und rieb mir die Augen, weil ich mittlerweile wieder ziemlich war. Das Adrenalin war aus meinem Körper verschwunden. Genauso wie meine Lust am Leben.

𝑳𝒐𝒗𝒆 𝒀𝒐𝒖 𝑺𝒐 𝑩𝒂𝒅 | ⱽᵐⁱⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt