38.Kapitel

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„Wann willst du eigentlich mit mir schlafen?"

„Louis, nicht so laut, das muss jetzt wirklich nicht die ganze Stadt wissen", antworte ich locker und blicke geradeaus. „Ach komm schon, uns versteht doch hier sowieso kein Mensch."

„Louis, Englisch ist eine Weltsprache. Uns versteht hier jeder. Nur weil wir kein Italienisch, Spanisch oder Japanisch können, heißt das nicht, das andere Leute uns nicht verstehen können."

Das scheint der Kleine nicht bedacht zu haben, denn er bleibt sofort stehen und sieht sich mit rotem Kopf um. Zu seinem Glück ist es in dem kleinen Supermarkt so laut und voll, dass man uns vermutlich allein aufgrund des Lärmpegels nicht verstanden haben kann. Trotzdem muss er ein bisschen aufpassen, was er sagt. „Meinst du, jemand hat mich gehört?", fragt er und sieht mich mit großen Augen an. „Ja, das glaube ich durchaus, allerdings scheint es hier niemanden zu stören." Ich greife nach einem Bund Trauben und packe sie in eine Papiertüte. Wir wollen den Nachmittag auf dem Markusplatz verbringen und ein bisschen Leute gucken. Das hat sich Louis gewünscht. Er findet es total spannend, anderen Menschen bei ihrem Alltag zuzusehen. Vermutlich, weil er das all die Jahre nicht konnte.

Wir bezahlen unseren Proviant; ein wenig Obst, Ciabatta und kleine Tomaten, sowie zwei Flaschen Wasser, dann geht's auf zum Markusplatz.

Der ist heute ziemlich voll, wir finden aber einen ruhigen Platz in einer Ecke und setzen uns dort hin. Eigentlich ist es verboten, hier zu sitzen, weil es das Stadtbild stört, aber alle Touristen machen das, also ignorieren wir das Verbot einfach und packen unser Lunch aus.

Louis wirft sich eine Tomate in den Mund und sieht mich dann nochmal fragend an. Er will das Gespräch von eben wieder aufnehmen, das ist mir klar und ich verdrehe die Augen. „Louis, wir kennen uns seit zwei Wochen. Ich will nicht, dass du etwas tust, was du später bereuen könntest."

„Du klingst wie Edward Cullen", stellt der Kleine fest und lehnt sich an meine Schulter. Sofort zieht sich erneut alles in mir zusammen. Diese schlichte Geste wirkt so vertraut und so friedlich. Das gefällt mir. „Mag sein, aber ich meine es ernst. Hör zu; ich würde gerne mit dir schlafen, aber du bist so jung und manchmal habe ich den Eindruck, du willst es nur um der Erfahrung Willen einfach hinter dich bringen. Und so ein Schritt sollte nicht übereilt werden." Weil ich langsam und einfühlsam spreche, scheint Louis das einzusehen und nickt: „Also liegt es nicht daran, dass du mich nicht attraktiv findest?"

Daraufhin muss ich lachen: „Um Gottes Willen, nein. Wenn du wüsstest, wie attraktiv du bist...nein, daran liegt es wirklich nicht, das musst du mir glauben." Meine Stirn berührt seine und ich sehe ihm in die Augen. Er blinzelt und lächelt, bevor er mit der Nase gegen meine stupst und sich dann zurückzieht. „Willst du eine Tomate?"

Wir sitzen lange dort, zählen Japaner, machen uns über die Mode der Deutschen Männer lustig, die Tennissocken in Sandalen tragen und versuchen zu erraten, wie viele Nationalitäten sich wohl gerade hier auf dem Platz aufhalten. Es ist ein schöner Nachmittag und als unser Proviant langsam zur Neige geht, überlege ich, ob ich aufstehen und neues kaufen soll. Vielleicht gibt es ja auch hier am Platz einen kleinen Supermarkt. Ich richte mich etwas auf und sehe mich um.

Mehrere Polizisten fallen mir auf. Sie stehen ganz in der Nähe, tragen Westen und haben die Pistolen am Gürtel. Sie sehen zu uns herüber und ich erwidere den Blick kurz. Dann kommen sie mit ernsten Gesichtern auf uns zu. Sofort bin ich alarmiert und vergesse das Lunch.

Louis hat sie noch nicht bemerkt. Er schaut gerade zu einem geflügelten Löwen hinauf und schiebt sich eine letzte Traube in den Mund.

„Louis", sage ich leise, ohne den Blick von den Polizisten zu nehmen. Mein Herz rast und ich weiß genau, dass sie zu uns wollen. „Louis, da ist Polizei..."

9-2-9 • Buch I (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt