34.Kapitel

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Während ich warte, lasse ich den Blick streifen.

Der Laden ist winzig und vollgestopft mit allerlei Zeug. Vieles ist Ramsch aber ich bin sicher, dass sich dazwischen einige Kostbarkeiten verbergen, die man erst auf den zweiten Blick sehen kann. Forster hat das auch immer gemacht: die guten, aber günstigen Waren ausgestellt und die teuren im Hinterzimmer gelagert, wo er sie nur ausgewählter Kundschaft präsentierte.

Auch hier steht eine alte Standuhr mit wunderschönem Muranoglas als Ziffernblatt. Die bunten Farben spiegeln sich im Licht und ich trete etwas näher heran, um es mir genauer anzusehen. „Attenzione, è fragile!", sagt eine forsche Stimme und ich fahre zusammen. Hinter dem Tresen ist ein Mann aufgetaucht. Er ist dürr und ausgemergelt, hat gefärbtes, braunes Haar und tiefe Falten in den Wangen. Sein Blick ist wach und er mustert mich. „Ich spreche nur Englisch", sage ich vorsichtig und er nickt knapp. „Verstehe ich", sagt er in gebrochenem Englisch und ich bin froh, dass der Mann meine Sprache beherrscht, das wäre sonst interessant geworden. „Was kaufen Sie?", fragt er mich und mustert mich mit einem Blick, als hätte er besseres zu tun, als sich jetzt noch um Kundschaft zu kümmern. Wenn es ihn stört, dass man reinkommt, soll er den Laden doch abschließen, denke ich bei mir, sage aber nichts. Immerhin will ich dieses Schmuckstück loswerden.

„Ich verkaufe", sage ich mit fester Stimme und sehe Interesse in seinem Blick aufflammen. „Sie kaufen doch Dinge auf, nehme ich an."
„Selbstverständlich", murmelt der Mann und nickt mir auffordernd zu. „Was hast du?"

Wortlos ziehe ich die Halskette aus der Tüte. Ich habe sie sicherheitshalber aus der Schatulle genommen, dann fällt vielleicht nicht sofort auf, dass sie gestohlen ist. Das Gold glänzt im Licht und einige kleine Steinchen blitzen durch den Laden. „Lassen Sie mich das sehen", verlangt der Mann und ich lege ihm nach kurzem Zögern die Kette in die ausgestreckte Hand. Er legt sie auf dem Tisch ab, zieht ein Uhrmacherglas aus der Tasche und klemmt es sich vors linke Auge.

Geduldig warte ich darauf, dass er alles genau angesehen hat. Hoffentlich kauft er es auf.

„Das ist 585er Gold mit 0,5 Karat Diamanten", sagt er und hebt den Blick wieder. Die Kette liegt vor ihm auf dem Tisch und ich behalte sie wachsam im Blick. „Ich zahle 900€."

„1400, sonst kommen wir nicht ins Geschäft."

„1000."

„1300."

„1150. Mein letztes Angebot." Wir sehen uns an und schließlich nicke ich. „Wunderbar. Ich hole mein Geld aus dem Safe. Warten Sie hier", weißt er mich an, dreht sich um und verschwindet im Hinterzimmer. Auch hier hängt ein Perlenvorhang, doch dieser hier ist wesentlich schöner, als der bei Forster, denn auch hier hängen Perlen aus Muranoglas und keine billigen Plastikkügelchen.

Er zählt mir das Geld in die Hand und als ich es habe, schiebe ich es schnell in die Tasche. Der Mann nimmt die Kette vom Tresen und wiegt sie in der Hand. Er sieht zufrieden mit seinem Geschäft aus und scheint über etwas nachzudenken. Das dauert so lange, dass ich kurz davor bin, einfach zu gehen, weil ich nicht glaube, dass er noch etwas zu mir sagt, dann räuspert er sich jedoch und meint: „Davon kann ich mehr gebrauchen. Wenn du also wieder etwas hast...weißt du ja jetzt, wo du mich findest."

„Ja, vielen Dank", antworte ich knapp, nicke ihm zu und verschwinde aus dem Laden.

Das war eine Aufforderung um mehr Ware für ihn zu beschaffen, dessen bin ich mir sicher. Nachdenklich schlage ich den Weg zurück zum Markusplatz ein und lasse das heute Geschehene auf mich wirken.

Ich hätte einen Abnehmer für Diebesgut, vorausgesetzt, es erfüllt die Erwartungen des Mannes. Also könnte ich doch in den nächsten Tagen einfach Ausschau nach reichen Touristen halten und ab und an eine Kette, ein Armband oder eine Uhr erbeuten. Wenn ich das Zeug verhökern kann, dann haben wir genug Geld um noch eine Weile hier zu bleiben. Wir sind noch nicht lange unterwegs. Etwa 12 Tage – viel zu kurz, um wieder nach England zurück zu gehen. Ich werde noch Monate untertauchen müssen, bis Forster meinen Faux Pas entweder vergessen hat, oder mich nicht findet, sodass ich ein neues Leben anfangen kann.

9-2-9 • Buch I (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt