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"Dir helfen?" frage ich, runzel meine Augenbrauen. "Was könnte ich tun, um dir zu helfen?"

Harry setzt sich auf die Schaukel zurück. "Mehr als du weißt."

Ich verschränke meine Arme vor meiner Brust. "Hat die Polizei deinen Mordfall nicht behandelt? Ich meine es ist erst drei Monate her, sollten die Ermittlungen nicht immernoch laufen?"

Sein Kiefer ballt sich. "Sie haben den Fall einen Monat nach dem Mord abgeschlossen."

"Was? Wie konnten sie das tun?"

"Irgendwas geht innerhalb des Justizsystems in dieser Stadt vor sich, ich vermute das seit einer Weile," sagt er. "Sie sind korrupt, aber nicht alle von ihnen."

Ein kurzer Zeitraum der Stille bricht an.

"Also...können dich die Leute sehen?" frage ich ihn. "Außer mir, meine ich."

"Ja. Ich bin greifbar, aber ich kann nichts...empfinden. Körperlich jedenfalls. Mein Körper arbeitet nicht, nur mein Kopf."

Ich nicke verständnisvoll. Das ist der Grund, weshalb es ihn nicht gestört hat aus meinem zweistöckigen Fenster zu springen- er kann keinen körperlichen Schmerz spüren.

"Es wäre trotzdem schlecht, wenn mich hier aus der Gegend jemand sehen würde," sagt er ernst. "Meine Familie war bekannt genug, dass sie mich wieder erkennen würden."

Ich schlucke, versuche alles was er mir sagt zu begreifen. Ein leichter Wind bläst durch die Lichtung, und ich zittere ein wenig, hülle meine Arme um mich.

Harry bemerkt es. "Du solltest nach Hause gehen, bevor deine Eltern herausfinden, dass du nicht da bist."

"Warte, ich habe noch so viele Fragen."

Er lächelt, steht von der Schaukel auf. "Wir reden bald."

Ich stehe auf. "Wo...du weißt schon...hälst du dich auf?" Es wäre seltsam ihn zu fragen, wo er wohnt.

"Aufhalten?" Er kratzt sich am Nacken. "Ich halte mich nirgendwo genau auf. Ich meine ich schlafe oder esse nicht oder sowas, also...beobachte ich irgendwie nur."

"Beobachten?"

"Die Welt beobachten. Es ist anders sie vom Tod aus anzuschauen, als es vom Leben aus ist."

"Kann ich mir vorstellen."

Von dort aus wo ich stehe kann ich seine unheimliche Kälte spüren. Es fühlt sich beinahe so an als würde der Tod in ihm seine eisigen Finger zu mir ausstrecken, nach meiner Haut greifend, wissend, dass ich erst vor kurzem so unbedingt sterben wollte.

Weißt du nicht mehr, Jane? Du warst so nah dran.

Ich trete zurück. "Vielleicht sollte ich nach Hause gehen."

Er nickt.

"Wenn ich mich morgen mit dir treffe...erzählst du mir dann mehr über dich?" frage ich.

Er neigt seinen Kopf zur Seite. "Mehr über mich?"

"Wenn ich dir helfen werde deinen kaltblütigen Mörder zu finden, will ich mehr darüber wissen wer du warst."

Seine Lippen zucken. "In Ordnung."

Ich nicke und hole Luft. "Okay, ich gehe dann."

Ein volles Lächeln erobert sein Gesicht. "Übrigens, Vorsicht beim Hochklettern."

Ich ziehe eine Augenbraue hoch als ich aus der Lichtung laufe, drehe mich ein letztes Mal um, um ihn anzusehen.

Er hält seine Hand hinter seinem Rücken, hellrosane Lippen zu einem Grübchenlächeln gekrümmt.

Phantom » German TranslationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt