1. Verehrer & Einsamkeit

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Solaria

Ich sitze im Thronsaal vor einer Horde Männern. Nicht zu glauben, aber sie alle sind Götter. Der eine da zum Beispiel, mit dem spitzen Hut, ist der Gott der Jagd. Und der andere mit dem blonden Haar ist der Gott des Handels, und dann wäre da noch der Gott der Kleidung, der wirklich ausgezeichnet gekleidet ist, und der Gott der Ernte. Mehr wurden mir noch nicht vorgestellt, aber keiner von ihnen scheint es wirklich ernst zu meinen hier.

Diese Versammlung von eingebildeten Göttern ist eine Auswahl von Heiratskandidaten für mich.

Für dieses Ereignis ist der Thronsaal eigentlich viel zu schön geschmückt. Das war der Aufwand nicht wert. Die großen blitzenden Kronleuchter sind umgeben von gelben und weißen Blumen, die kreuz und quer an der Decke hängen, die Dienerschaft hat die weißen Blumenkübel hervorgeholt, die sonst nur bei Hochzeiten eingesetzt werden, und die Wachen tragen heute nicht ihre alltägliche Rüstung, sondern die aus Weißgold. Alles scheint zu leuchten, nur meine Laune nicht.

Diese ganzen besonderen Dinge sind eigentlich für viel bedeutsamere Veranstaltungen reserviert, aber meine Eltern waren der Meinung, sie müssten einen riesen Aufstand anzetteln und junge Götter aus dem ganzen Süden einladen, um sie mir vorzustellen. Ich soll einen Ehemann finden, mit dem ich das Land regieren kann.

Der nächste Gott verbeugt sich überschwänglich vor mir. Er sieht kaum aus wie ein Gott, er ist womöglich sogar jünger als ich. Seine Kleidung ist glatt und sitzt perfekt, sein Haar ist pinibel frisiert. Selbst seine Augenbrauen scheinen zu perfekten Linien gezupft zu sein. Doch seine Erscheinung wirkt eher Durchschnittlich an diesem Ort. Auch wenn er womöglich seine beste Kleidung trägt, um hier Eindruck zu hinterlassen, er befindet sich im Palast der Hauptstadt des Südens. Hier ist alles eindruckvoll.

Flehend sehe ich zu meinen Eltern hinauf, die neben mir auf ihrem prächtigen goldenen Thron sitzen. Doch sie beachten mich gar nicht. Als ginge es hier nicht um meinen zukünftigen Ehegatten, sondern nur um einen Schwiegersohn. Ich spiele kaum eine Rolle bei diesem Spiel.

Mein Vater ist der Gott der Zeit, genannt Tem, meine Mutter die Göttin des Zwielichts, Nebula. Sie sind das Königspaar von Mutario, der Hauptstadt des Südens.

"Und mit wem haben wir nun die Ehre?" fragt mein Vater den jungen Burschen, der sich soeben verbeugt.

"Mein Name ist Inonem, ich bin der Gott der Ordnung."

Ich seufze.

Meine Zwillingsschwester Stella sitzt direkt neben mir, ich hoffe, für sie ist jemand dabei, mich jedoch kann keiner recht beeindrucken. Ich frage mich, ob ich zu wählerisch bin oder ob wirklich nichts gescheites dabei ist. Beide Überlegungen frustrieren mich ungemein. Wahrscheinlich sind diese ganzen Götter sowieso nur hier, um mal gehörig den Palast durcheinander zu bringen und sich am Buffett durchzuschnorren.

Meine Schwester hat es leichter als ich. Sie muss nicht einmal einen Gott heiraten. Sie ist nicht die Thronerbin, sie dürfte sogar einen stinknormalen Menschen heiraten. Und nur weil sie nicht die Thronerbin ist schmälert das nicht im geringsten ihre Begehrtheit, denn sie ist die Göttin der Sterne. All die Sommersproßen in ihrem zarten Gesicht und ihr silbriges Haar erinnern mich tagtäglich daran.

Sie stupst mich an. "Sieh dir mal den da an." kichert sie. Unauffällig deutet sie auf einen kleinen Kerl mit außerordentlich bunter Kleidung.

"Ich tippe auf den Gott der Lächerlichkeit, was sagst du?" raunt sie mir leise zu.

"Es wäre mir ein Vergnügen, Eure werte Tochter auszuführen," beteuert der Gott der Ordnung jetzt und wendet den Blick direkt an mich,"die Göttin der Sonne ist schon etwas ganz besonderes. Darf ich Euch in meine ordentliche Welt entführen?"

Sonnenwind (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt