21. Training & Zuneigung

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Solaria

Am Morgen darauf werde ich nicht in ein Kleid gesteckt, sondern in eine eng anliegende Lederrüstung. Die Beinteile fühlen sich an wie eine zweite, harte Haut, und die Lederweste passt sich perfekt an meinen Oberkörper an. Ich bekomme noch passende Stiefel, Armschienen und einen Helm, dann betrachte ich mich in einem Spiegel.

Ich sehe aus wie eine Kriegerin. Das passt gar nicht zu mir, ich bin keine Kriegerin. Ich weiß ja nicht einmal, wie man ein Schwert richtig hält. Aber das wird sich ab heute wohl ändern.

Es klopft an meine Tür.

"Herein!"

Ein Legionär tritt ein. Ich bin beeindruckt. Er ist groß und muskulös, in voller Montur steht er vor mir, den Helm unter seinem Arm. Im Gegensatz zu mir trägt er eine metallene Rüstung und einen Speer in der Hand,

"Göttin der Sonne, Prinzessin von Mutario," spricht er mich an und verbeugt sich überschwänglich," es ist mir eine Ehre, Euch den Umgang mit Schwert und Schild beibringen zu dürfen."

Okay, ich sollte mich möglicherweise mal wieder wie eine Prinzessin verhalten, auch wenn ich nicht wie eine aussehe.

"Erhebt Euch." Er tut, wie ihm geheißen. "Wie lautet Euer Name?"

"Evros, Prinzessin."

"Seid Ihr ein Gott?"

"Nein, Prinzessin."

Er ist gehorsam. Ich fühle mich eigentlich unwohl, wenn jemand sich so gezwungen verhält, ich will sowieso keine Macht gegenüber jemandem vortäuschen, der mich mit einem Schlag Bewusstlos hauen könnte. Wird er sich während des Tranings überhaupt trauen, zuzuschlagen?

"Bitte, nennt mich Solaria."

"Wie Ihr befiehlt...Solaria."

Ich folge ihm hinaus in einen von weißen Säulen gesäumten Hof, auf dem es Waffenständer, Zielscheiben, Übungspuppen und einige Hindernisse gibt, die einen Parcour bilden.

"Bevor wir beginnen," erkärt Evros mir,"muss ich Euch bitten, jegliche Kraft, die euch als Sonnengöttin verliehen ist, zu unterlassen. Der Kampf sollte fair sein."

Wenn er wüsste.

Jedoch nicke ich, und er gibt mir ein Holzschwert, ein Schild in die andere Hand.

"Den rechten Fuß nach vorn."

Er zeigt mir die Grundhaltung beim Kampf, allein das kostet uns schon sehr viel Zeit. Dann geht er über dazu, mögliche Angriffs- und Verteidigungstechniken vorzuführen. Bevor es zu einem ersten richtigen Kampf kommen kann, ist erst eine Mittagspause angeordnet, in der wir unser Mittagsmahl einnehmen. Volan ist auch da und erkundigt sich nach meinen Fortschritten.

"Evros ist ein guter Lehrer." lobe ich ihn, worauf dieser gleich viel größer zu werden scheint. Von mir derart gelobt zu werden muss schon etwas besonderes für ihn sein.

"Was hast denn du heute schon so veranstaltet?" erkundige ich mich bei Volan.

"Ich war im nächsten Dorf." antwortet er bloß, ohne weitere Erklärung, aber mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht.

Als ich wieder mit Evros den Innenhof betrete, geht gerade die Sonne wieder auf, obwohl es mitten am Tag ist. Unsere Schatten werden immer kürzer, während ich ihm zeige, dass ich mir die Angriffsstellungen gut gemerkt habe.

Das letzte Mal, als ich so intensiven Unterricht bekam, ist lange her. Damals war es so gut wie unmöglich für mich, genug Konzentration aufzubringen, um etwas zu lernen, da der Schmerz mich übermannte.

Sonnenwind (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt