11. Drachen & Freiheit

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Solaria

Ich schlage die Augen auf. Wann bin ich denn bewusstlos geworden? Um mich herum dämmert es, und es ist schon etwas kühler. Wie lange habe ich hier gelegen? Mir schmerzt alles, als hätte man mich verprügelt.

Ich bin im Schatten eines kleinen Baumes zusammengebrochen und habe auch jetzt nicht die Kraft um aufzustehen. Es ist alles zuviel. Ich glaube, ich schaffe es niemals bis nach Altrumi. Vorher gehe ich an irgendetwas zugrunde. War ja eigentlich klar, dass ich es nicht schaffe. Ich habe mich noch nie weit von Mutario entfernt, von Reisen habe ich keine Ahnung. Überstürzt ein wenig Kleidung und Geld eingepackt und einfach abgehauen bin ich. Was auch immer ich vorhabe, kann ich wohl vergessen, da meine Reise hier enden wird.

Ich kann nicht mehr aufstehen, mein Körper will nicht mehr, meine Seele noch weniger. Schon verrückt, als ich im Tempel war, spürte ich so einen heftigen Tatendrang und war so voller Energie und Neugierde auf die weiteren Ziele meiner Reise, und jetzt liege ich hier im Dreck und habe alle Hoffnung verloren. Und woran liegt das?

Der Mondgott. Dieser verdammte Mondgott, er macht mir das Leben zur Hölle, im wahrsten Sinne, denn ich vertrockne hier unter diesem kümmerlichen Bäumchen. Ich sehe diesen Gesichtslosen Jungen vor mir, nach dem ich mich schon so lange sehne. Mein Herz scheint nur für ihn zu schlagen, obwohl ich nicht mal weiß, wer er ist, oder ob es ihn gibt. Meine Hände verkrampfen sich zu Fäusten, meine trockenen Augen blinzeln heftig, als zwei einzelne Tränen sich hervorkämpfen.

Und es liegt nicht nur am Mondgott, den ich zu lieben und gleichzeitig zu hassen scheine. Der Vorfall mit dem Tornado und auch das vertrocknete Dorf Zalt haben mir gezeigt, dass ich gar nicht dazu imstande bin, zu reisen. Es ist, als hinterließe ich genau da, wo ich entlanglaufe, eine Schneise der Zerstörung. So kann es doch nicht weitergehen!

Manchmal würde ich das alles so gerne einfach hinter mir lassen. Einfach loslassen und abhauen. Aber das geht nicht. Abgehauen bin ich zwar, aber frei bin ich deswegen nicht. Der Schmerz verfolgt mich Tag und Nacht, und ich weiß eigentlich kaum, wo ich anfangen soll zu suchen.

Klar, die Tempel geben mir ein paar Tipps. Zumindest hoffe ich, dass sie das tun werden. Aber dann? Was mache ich denn dann? Wo soll ich dann suchen? Die Gelehrten aus Crius sagten, ich solle immer gen Norden reisen, weil in der Richtung der Mond aufgehen würde, wäre er denn da.

Aber was soll es mir bringen, dem Mond entgegenzulaufen, wenn er gar nicht da ist? Ich verstehe das nicht. Vielleicht war das auch nur eine Metapher, und mit "Gen Norden laufen, dem Mond entgegen" ist etwas ganz anderes gemeint. Jedoch, mein benebelter Verstand lässt nicht zu, weiter darüber nachzudenken.

Wieder werden mir die Lider schwer. Sollte Vater seine Soldaten so weit schicken, dann finden sie mich erst in einigen Tagen. Niemand ist in der Nähe, außer der alte Mann in Zalt, einen halben Tag entfernt. Aber auch der könnte mir nicht helfen, er kann sich ja nicht einmal selbst helfen. Der Einzige der mir jetzt noch helfen könnte ist Travis. Nur hat dieser mich verjagt.

Ich bin das allerletzte. Ich bin einfach abgehauen und habe meine Familie im Stich gelassen, mein Fehlen in Mutario bringt das Klima durcheinander. Ich habe es nicht einmal bis nach Altrumi geschafft. Mir sackt das Herz in die Hose. Es ist vorbei. Wenn ich jetzt die Augen schließe kann ich vielleicht einfach einschlafen und bekomme nichts mehr mit. Mir ist alles egal. Es hätte ja sowieso keinen Sinn gehabt, den Mondgott zu suchen, ich hätte ihn sowieso nicht gefunden, weil er nämlich tot ist. Er ist und bleibt tot, Solaria, verdammt. Alle Verzweiflung, die dich antreibt, ist nur wunschdenken.

Ich schließe die Augen.


"Wie es scheint, ist sie nicht verletzt."

Sonnenwind (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt