8. Tempel & Götter

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Solaria

Als ich endlich den zerstörten Teil des Waldes hinter mir gelassen habe, kann ich etwas aufatmen. Ich hoffe, dass die Natur sich irgendwie wieder erholen wird, auch wenn es dauert. Mit einem Seufzer kehre ich dem zerstörten Land den Rücken zu und setze meinen Weg fort.

Erst jetzt kommt in mir die Frage auf, warum gerade ein Tornado auftauchte. Tornados gibt es eigentlich nicht. Zumindest nicht im Götterreich, und selbst in dem Teil des Landes, der außerhalb dieses Reiches liegt, kommen sie nur alle Jubeljahre mal vor. Seit wann auch im Götterreich?

Mir schmerzt noch immer alles, und ich komme nur langsam, schlurfend voran. Die Sonne zu nutzen war anstrengend, schnell knurrt mir der Magen.


Zwei Tage voller Einsamkeit und Hunger später finde ich im schier endlosen Wald eine kleine Lichtung, auf der sich ein Gebäude befindet, dass verdächtig nach einem Tempel aussieht. Es kann nur der Tempel sein, ich erkenne seine Türme durch die Baumkronen schon von weitem.

Ehrfürchtig trete ich näher. Er besteht aus schhneeweißem Marmor, mit allerlei Moos und Ranken bewachsen. Er ist groß, jedenfalls enttäuscht er an Höhe überhaupt nicht. Meterhoch erstreckt er sich in den Himmel, wirft einen langen Schatten über den Wald. Nirgends steht beschrieben, was er genau ist, aber ich weiß es besser.

Vor seinem Eingang ist ein kleiner Tümpel mit Seerosen, Sträuchern und Binsen, alles ist überzogen mit Lianen und Schmutz. Alt sieht er aus, aber er strahlt Würde und Stolz aus. Bin ich auch würdig, ihn zu betreten?

Er hat Ecken und Kanten, Nischen und Vorsprünge. Edle Figuren posieren in jenen Nischen, ich weiß nicht, wen diese Figuren darstellen sollen. Vielleicht Götter. Aber welche?

Das Sonnenlicht, das durch das Blätterdach scheint erhellt den weißen Marmor und lässt ihn beinahe leuchten. Der Tümpel wird von einer kleinen Brücke durchzogen, die ich nun entlang laufe. Im aquamarinfarbenen Wasser sind schillernde Fische, die schnell das Weite suchen, als sie mich bemerken. Irgendwo plätschert es leise, könnte ein Wasserspiel oder ein kleiner Wasserfall sein.

Ich bin so entspannt wie seit Tagen nicht mehr. Zuletzt ging es mir so, als ich auf dem Fest in Crius war. Es ist, als fiele nun eine Last von mir ab. Ich habe mein erstes Ziel erreicht, auch wenn es nicht leicht war, herzukommen.

Ich schiebe eine Liane beiseite und entdecke einen Eingang, ein großes Tor, das wie ein Schlund in der Mauer klafft. Man sagte mir, nur Götter seien in der Lage, diese Tempel betreten. Von daher braucht es wohl keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen, was den Eingang betrifft.

Vorsichtig setze ich einen Fuß in den Tempel und bin froh, dass dieses schöne Bauwerk nicht durch den Sturm zerstört wurde.

In seinem Inneren ist es zunächst dunkel, doch ein paar Schritte weiter führt eine Treppe hinauf in ein Stockwerk, dass durch einige Fenster Lichtgeflutet wird. Staubig ist es, und ich laufe lange Gänge entlang. Einer dunkel, einer hell. Überall sind wieder diese Skulpturen, und ich betrachte sie ehrfürchtig. Auch hier drinnen gibt es einen Tümpel, genauer gesagt in einem Innenhof, den ich entdecke. Im Wasser paddeln Schwäne. Ein paar Vögel schrecke ich auf, als ich den Innenhof durchquere, schnell und aufgeregt zwitschernd verschwinden sie.

Hier wachsen doch tatsächlich Palmen. Schöne, hohe Fächerpalmen, die angenehm kühle Schatten werfen. Auf der anderen Seite des Innenhofes ist wieder ein Eingang, an seinen Seiten jeweils die Skulptur eines Drachen. Sie reißen ihre Mäuler auf, als wollten sie Feuer speihen. Die Schwäne schnattern aufgebracht, als ich an ihnen vorbei laufe.

Im Inneren führt mich eine lange marmorne, staubige Treppe hinauf. Das Treppengeländer ist aus Gold in ein filigranes Muster verarbeitet. Weiter oben entdecke ich dann auch endlich, was dieser Tempel beinhaltet. Vor mir an der Wand tut sich eine neue Weltkarte auf. Keine kleine aus Papier, sondern eine große, in den Stein gearbeitet. Oben im Norden ist Quodios mit den drei Brücken, im Süden meine Heimat Mutario. Links auf der Karte, über dem Wald, da liegt Altrumi, wo die Götter von Erde und Luft regieren, und im Osten in Elemar die Götter von Feuer und Wasser. Ehrfürchtig betrachte ich die Karte, die vor mir aufragt, als würde ich direkt auf die Welt hinuntersehen.

Sonnenwind (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt