6. Gelehrte & Bibliotheken

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Solaria

Als ich wach werde, ist es stockdunkel um mich herum. Zuerst bin ich völlig orientierungslos, mein Kopf dröhnt vor Schmerz, und ich bilde mir ein, noch immer auf dem Hügel zu sein, wo ich zusammengebrochen bin und jetzt wieder aufwache.

Doch dann spüre ich das Kissen und die Laken, auf denen ich liege, und ich versuche, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, und werde panisch. Mein Atem beschleunigt sich. Wo haben sie mich hingebracht? Hat mich doch jemand erkannt? Ich wurde doch nicht wieder nach Mutario gebracht??

Als ich vorsichtig versuche, irgendetwas zu ertasten, dass mir für eine Flucht helfen könnte, geht eine Tür auf, und ich zucke zusammen.

"Seid Ihr wach?" fragt eine Frau.

"Wer will das wissen?" antworte ich. Die Frau kommt in den Raum und stellt eine Kerze auf dem kleinen Tisch neben dem Bett ab, in dem ich liege.

Jetzt erkenne ich auch, dass ich nicht in meinem Zimmer in Mutario bin, sondern in einer Kammer, die ich nie zuvor gesehen habe. Die Frau trägt ein Gewand, einen Gürtel um die Hüften, eine Kette um den Hals. Sie setzt sich neben mich auf einen Stuhl.

"Wer seid Ihr? Wo bin ich?" frage ich verwirrt. Was ist hier los?

"Ihr seid in Sicherheit, Prinzessin, keine Sorge." versucht sie, mich zu beruhigen, doch sie scheitert kläglich.

"Prinzessin?? Ich...Ihr müsst mich verwechseln, ich..."

"Prinzessin Solaria, Ihr müsst Euch beruhigen, wir wollen Euch nichts tun."

"Wir? Wer seid ihr? Wo bin ich hier?" Mir klopft das Herz bis zum Hals. Ich muss schleunigst hier weg, bevor sie Wachen rufen und mich zurück nach Mutario bringen! Hoffentlich haben sie nicht schon den erstbesten Vogel nach Mutario geschickt, um meinen Vater zu benachrichten!

"Bitte, beruhigt Euch, Prinzessin. Mein Name ist Asanti, ich bin eine Gelehrte, wie Nero, Vala und Iras. Wir haben Euch bewusstlos auf dem Hügel gefunden, Prinzessin, und in Sicherheit gebracht, bevor jemand aus dem Volk euch noch genauer unter die Lupe genommen und erkannt hätte."

Langsam beruhige ich mich tatsächlich wieder. Mich hat also niemand erkannt, außer diese Gelehrten.

"Aber wo bin ich?"

"Noch immer in Crius, Prinzessin." sagt eine andere Frau, die jetzt gefolgt von zwei Männern die Kammer betritt. Auch sie tragen die Gewänder von Gelehrten. Das müssen die anderen sein, von denen Asanti erzählte.

Sie stellen sich mir vor und verbeugen sich tief, dann fragt Nero:"Was macht Ihr hier ganz allein in Crius, Prinzessin?"

Nero ist ein alter gebückter Mann, der mich neugierig ansieht. Iras, der neben ihm steht, ist gewissermaßen die junge Version von Nero. Vielleicht sein Sohn.

Ich beschließe, diesen Gelehrten zu vertrauen, sie haben mir immerhin geholfen. Außerdem kann ich etwas Hilfe gut gebrauchen.

"Ich habe Mutario verlassen, um Antworten zu finden."

Nero reibt sich das Kinn. "Antworten auf welche Fragen, Hoheit?"

"Ob es einen Weg gibt, ohne den Mondgott zu leben. Ich halte diese Schmerzen nicht mehr aus." gebe ich ganz ehrlich zu und schlinge die Arme um mich. Asanti sieht mich mitfühlend an und tätschelt mir den Arm.

Jetzt meldet Iras sich zu Wort:"Ich schätze, wir haben einigen Gesprächsbedarf. Macht Euch doch etwas frisch, und dann versuchen wir, Euch zu helfen."

Ich nicke. Das hört sich gar nicht schlecht an.

Asanti zeigt mir noch das Bad, dann lassen sie mich allein. Die Kammer ist in einem steinernen Gebäude, stelle ich fest, als ich die Vorhänge aufziehe. Es könnte eine Akademie sein, oder eine Bibliothek. Aber bevor ich das rausfinde nehme ich ein Bad, an mir klebt noch immer der Staub und auch der Geruch des Festes. Rauch, der Duft nach süßem Gebäck.

Sonnenwind (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt