Kapitel 19

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Der schrille Ton meines Weckers reißt mich aus dem Schlaf. Wie jeden Morgen ist mein erster Gedanke: Nicht schon wieder. Kaum sind meine Augen geöffnet, meldet sich die vertraute Übelkeit. Ich stöhne leise und zwinge mich aus dem Bett. Mit zitternden Beinen renne ich ins Bad, gerade noch rechtzeitig, um mich über die Kloschüssel zu beugen.

Das Würgen ist unangenehm, und ich bin jedes Mal froh, wenn es endlich vorbei ist. Nachdem mein Magen sich beruhigt hat, greife ich nach dem Waschbecken, spüle meinen Mund aus und sehe mich im Spiegel an. Blass, mit zerzausten Haaren und Augenringen. Ein toller Start in den Tag, denke ich ironisch.

Ich mache mich fertig, dusche schnell, ziehe mich an und versuche, die Müdigkeit aus meinem Gesicht zu waschen. „Morgen, Mom", murmele ich, als ich in die Küche schlurfe.
„Morgen, Luke", antwortet meine Mutter wie immer, doch ihr Blick bleibt für einen Moment länger an mir hängen. Sie sieht aus, als wolle sie etwas sagen, entscheidet sich dann aber dagegen.

Wir frühstücken zusammen. Toast, etwas Obst, ein Glas Orangensaft – ganz normal. Doch meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Heute ist ein weiterer Tag, an dem ich mit dieser neuen Realität klarkommen muss. Ein Baby. Mein Baby. Unser Baby.

Nach etwa 15 Minuten klingelt es an der Tür. Ich schnappe mir meinen Rucksack und gehe zur Tür. Dort steht Jack, sein Lächeln so warm wie immer.
„Hey", sagt er und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
„Hey", antworte ich und fühle mich, als ob ein Teil der Nervosität, die ich jeden Morgen mit mir herumschleppe, plötzlich verschwunden ist.
Ich verabschiede mich von meiner Mutter, die uns mit einem wissenden Blick hinterherschaut, und wir machen uns auf den Weg zur Schule.

In der Schule angekommen, trennen sich unsere Wege. Jack geht in den Physikraum, während ich mich in den Chemieraum schleppe. Physik wäre für mich der reinste Albtraum – ich verstehe davon absolut nichts. Also habe ich Chemie gewählt, was zwar nicht mein Lieblingsfach ist, aber wenigstens erträglich.

Die Doppelstunde zieht sich hin wie Kaugummi. Der Lehrer redet über Molekülstrukturen, aber ich bin gedanklich woanders. Immer wieder wandern meine Gedanken zu Jack und unserem Gespräch gestern. Er hat sich so gefreut, als er von der Schwangerschaft erfahren hat. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto unsicherer werde ich. Wird er wirklich so locker bleiben? Oder war das nur der erste Schock?

Endlich klingelt es zur Pause. Gemeinsam mit Henry, einem Klassenkameraden, der ebenfalls Chemie gewählt hat, mache ich mich auf den Weg zur Cafeteria. Dort sitzen schon Jack, Liam und Balthazar. Sie winken uns zu, und wir setzen uns zu ihnen.
„Wie war Chemie?" fragt Jack, als ich mich hinsetze.
„Langweilig", antworte ich und greife nach einem belegten Brötchen.
„Physik war die Hölle, der Lehrer hat es echt auf mich abgesehen", gesteht Jack, was uns alle zum Lachen bringt.
Die Pause vergeht schnell, und der restliche Schultag zieht sich wie gewohnt in die Länge. Schule, Pause, Schule – der ewige Kreislauf.

Nach der Schule wartet Jack wie versprochen am Tor auf mich. „Lust, noch ein Eis essen zu gehen?" fragt er, und ich nicke sofort.
Wir gehen in die Stadt, holen uns jeweils eine Kugel – ich nehme Erdbeere, Jack Schokolade – und setzen uns auf eine Bank im Park. Die Sonne scheint, und es fühlt sich fast an wie ein normaler Tag. Fast.

Jack sieht mich von der Seite an. Er wirkt nachdenklich, fast ein wenig nervös.
„Wann hast du eigentlich deinen nächsten Termin beim Arzt? Wegen... na ja, wegen dem Baby?" fragt er schließlich.

Ich lecke an meinem Eis und überlege kurz. „Nächste Woche. Warum?"
Jack spielt mit dem Papier seiner Eistüte, bevor er antwortet. „Also... wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne mitkommen. Dich begleiten. Natürlich nur, wenn das für dich okay ist."
Ich blinzle überrascht. Seine Stimme ist ungewohnt schüchtern, und ich sehe, wie er leicht errötet. Es ist süß, und ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt.
„Natürlich. Ich würde mich freuen, wenn du dabei bist", antworte ich schließlich.
Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus, das mich sofort beruhigt. Jack will wirklich dabei sein. Er will ein Teil davon sein.

Wir sitzen noch eine Weile dort, reden über belanglose Dinge, und ich merke, wie meine Sorgen langsam verblassen. Mit Jack an meiner Seite fühlt sich alles ein kleines bisschen leichter an.

Später, als die Sonne langsam untergeht, bringt Jack mich nach Hause. Er verabschiedet sich mit einem Kuss, und ich sehe ihm nach, wie er die Straße entlanggeht.
Zurück in meinem Zimmer lege ich mich aufs Bett und sehe an die Decke. Die letzten Wochen waren ein Chaos aus Gefühlen – Angst, Unsicherheit, Freude. Aber in diesem Moment fühle ich mich ruhig.
Vielleicht wird es nicht einfach, denke ich. Aber ich bin nicht allein. Und das zählt.

Mein Leben als Omega (bxb,Mpreg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt