▷ Lauren Aquilina - King ◁
Es ist Freitagabend, drei Wochen sind inzwischen vergangen und nun steht das Wochenende vor Aarons Entlassung an. Die Zeit vergeht im Moment so schnell, dass sie mir aus den Händen fällt und zwischen meinen Fingenr zerrinnt - wie Butter, die zu heiß ist. In den Einzeltherapiesitzungen habe ich inzwischen noch mehr über mich gelernt und ich habe auch angefangen, die Gruppentherapien zu schätzen - und vielleicht spreche ich dort auch irgendwann einmal.
Einige aus den anderen Gruppen sind zusammen im Kino oder beim Bowlen. Sogar ich wurde gefragt, habe mich aber dagegen entschieden. Mir ist heute nicht danach, unter vielen Menschen zu sein. Aus genau diesem Grund genieße ich die Stille, die sich über mich legt, als ich aus dem bunten Treiben des Speisesaals in die fast laute Stille der anbrechenden Nacht trete. Das Klicken meines Feuerzeuges und die orangegelbe Flamme durchdringt die einbrechende Dämmerung. Grillenzirpen verziert die Stille und untermalt die zarten Geräusche der Nacht.
Leonie, Noah und Aaron sind unterwegs, generell sind viele in der Stadt und ein klitzekleiner Funke Einsamkeit überkommt mich nun doch.
Ich starre in den enzianblauen Himmel, an dem sich bereits die ersten Sterne zeigen. Konzentriert blinzle ich und versuche, das ein oder andere Sternbild zu entdecken, aber meine astronomischen Kenntnisse lassen offensichtlich leider sehr zu wünschen übrig. Ich bin müde und erschöpft, weswegen ich beschließe, mich zurückzuziehen. Als ich den Speisesaal durchquere, fällt mir der glatzköpfige Typ von letztens auf. Er hat mich nie wieder angesprochen - aber gut, es waren meist Leonie oder Noah um mich herum. Sein Blick ist voller Hass und ich kann die sprühenden Funken fast mit meinen bloßen Händen greifen. Könnten sie töten, würden sie es. So schnell ich kann verlasse ich den Speisesaal. Im Gegenteil zu dem Gefühl bei Noah welches ich anfangs verspürte - Verzweiflung - spüre ich bei diesem Mann nur Angst. Er wirkt weitaus gefährlicher als Noah; Noah wirkt bedrohlich, wenn er wütend ist, aber bei ihm habe ich nicht die Angst, dass er mich töten würde. Mir wird bewusst, dass ich Noah von Anfang an vertraut habe, dass er mir nichts tut - körperlich. Bei diesem neuen Mann jedoch schrillen sämtliche Alarmglocken in meinem Kopf.
Als ich in meinem Zimmer angekommen bin, schnappe ich mir mein Tagebuch sowie meinen Kugelschreiber und lasse mich auf meinem Bett nieder. Aus meinen Kopfhörern erklingt Musik und die Kombination aus Musik und dem Tagebuchschreiben beruhigt meinen aufgewühlten Kopf, lenkt ihn ab und fokussiert ihn. Bis auf die Tatsache, dass ich jemanden bestimmten vermisse. Jemanden, den ich nicht vermissen will. Weil ich nicht zu sehr über ihn nachdenken darf. Je mehr man über jemanden nachdenkt und spricht, desto mehr verankert sich die Person im Kopf. Aber ich kann einfach nicht verhindern, dass sich sturmblaue Augen immer wieder in meinen Kopf stehlen.
Die Tür öffnet sich und Leonie kommt herein. Sie unterhält sich lachend mit jemandem der vor der Tür steht. Mein Herz sticht verräterisch in der Hoffnung auf Noah, doch ich sehe nicht auf. Ich möchte mir nicht anmerken lassen, dass ich ihn vermisse. Und ich will mir nicht anmerken lassen, dass mich ein kleiner Stich an Eifersucht durchfährt, weil ich gerne mit Noah mal alleine in der Stadt unterwegs wäre.
Das Bett sinkt neben mir leicht ein und es dauert keine Sekunde, und ich habe Leonies Hand auf meinem Knie. Ich sehe auf und nehme einen Ohrstöpsel aus dem Ohr.
"Hey", begrüßt sie mich und lächelt mich an.
"Hi", antworte ich und klappe mein Tagebuch zu. "Na, wie war es?", erkundige ich mich.
Leonie grinst.
"Gut. Ich habe gewonnen. Jemand wartet draußen vor der Tür auf dich." Sie zwinkert gewollt auffällig und grinst. Natürlich muss mein dummes, verräterisches Herz gleich schneller schlagen und beginnen, aufgeregt in meiner Brust zu flattern.

DU LIEST GERADE
NOAH | ✓
General Fiction»Manche Menschen sind ein Geschenk, andere eine Strafe.« »Dann bist du eindeutig das ätzende Fegefeuer, Kugelfisch.« »Und du Pest und Cholera, Noah!« »Halt die Schnauze!« Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch gibt es für Lias Eltern nu...