▷Jack Savoretti - Written In Scars ◁
Nach der Blitzrunde gehe ich zum Pavillon und rauche eine Zigarette. Ich bin zwiegespalten, denn einerseits gibt es keine Therapie, die ich lieber mag als die Maltherapie - aber gerade dazu fühle ich mich heute nicht so wirklich in der Lage. Doch ich habe gelernt, dass es gerade dann hilft, wenn man etwas malt oder zeichnet; dass einem genau das dann helfen kann, dass man wieder von der Dunkelheit wegkommt, die einen in dem Moment so sehr anzieht. So sehr ich daran gewöhnt bin, in der kalten Dunkelheit zu ertrinken - so sehr liebe ich auch all die Farben, die es außerhalb dieser Dunkelheit gibt. Nur sehe ich sie leider viel zu selten. Manchmal fühlt es sich an, als hätte ich eine schwarze Sonnenbrille an, die die Farben so sehr täuscht und verdunkelt, dass alles nur noch schwarz aussieht. Und je länger man in der Dunkelheit schwimmt, desto blinder wird man für die Farben außerhalb des schwarzen Teiches, in dem man ertrinkt.
Ich muss zur Maltherapie. Wenn ich mich jetzt in meinem Zimmer verkrieche, kann ich für nichts garantieren. Und ich weiß nicht mal, warum es mir gerade nicht gut geht. Ich kann es nicht einmal wirklich benennen. Es ist einfach ein Gefühl. Ein Gefühl, das sich in mir breit macht und meinen Körper von innen heraus mit Schwärze füllt. Wie ein dunkler Nebel.
Mein Handy vibriert und ich hebe ab, ohne großartig auf das Display zu sehen - was ein Fehler ist, wie ich feststelle, als ich die Stimme meiner Mutter höre.
"Thalia? Endlich hebst du mal ab, ich versuche schon den ganzen Tag dich zu erreichen und habe dich zehnmal angerufen." Ihre Stimme klingt panisch.
Ich werfe einen Blick auf das Display und sehe zwei Anrufe in Abwesenheit. So viel also dazu, dass sie mich zehnmal anrufen musste, bis ich endlich mal abhebe. Aber ihre panische Stimme macht mir Sorgen.
"Hallo Mutter, ist etwas passiert? Du klingst so?" Ich drücke die Zigarette im Aschenbecher aus und verlasse den Pavillon um die anderen nicht zu stören - und mir nicht vor ihnen die Blöße geben zu müssen, falls Mama ausfallend werden sollte.
"Was? Nein, es ist alles gut. Ich bin nur gerade erst nach Hause gekommen. Dein Vater hat in der Klinik angerufen, aber diese inkompetenten Ärzte dort wollten ihm keine Auskunft über deinen Zustand und die besprochenen Themen geben. Lächerlich, oder? Du bist unsere Tochter! Wir haben ein Recht darauf, zu erfahren, worüber du in den Therapien sprichst."
Im Hintergrund klappert es, es klingt nach Töpfen und Pfannen und die Vorstellung meiner Mutter in der Küche lässt ein Lächeln in meinem Gesicht erscheinen. Es ist eher immer Papa der kocht. Mutter würde sich ihre Fingernägel niemals schmutzig machen. Ich höre ein leises Murmeln und weiß sofort, dass sie mit Papa spricht. Kurz darauf höre ich etwas in der Pfanne zischen.
Meine Mutter schweigt, während sie in irgendeiner Plastiktüte herumkramt und erschrickt mich, als sie plötzlich wieder mit mir spricht. Dass wir uns anschweigen während wir telefonieren ist nichts Neues. Vor allem da ich sowieso jemand bin, der nicht viel redet und nichts zu erzählen hat - mal davon abgesehen, dass sie mir auch nie Fragen stellt. Und manchmal schweigen wir dann. Naja, gut. Eigentlich schweigen wir immer. Und in dem Schweigen ist all der Unmut den sie mir gegenüber hat zu spüren. Fast greifbar. Ich könnte ihn durch den Hörer ziehen, wie Kaugummi. Das Schweigen mit ihr war noch nie besonders angenehm.
"Wir werden dich abholen." Ihre Stimme klingt fest, sachlich. Als wäre ich irgendeine Ware aus dem Supermarkt.
Mein Blick fällt auf Noah, der jetzt mit den anderen im Pavillon steht und raucht. Er bemerkt mich nicht - was gut ist, sonst würde er mich wieder beim Starren erwischen und das wäre sehr peinlich.

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NOAH | ✓
Fiksi Umum»Manche Menschen sind ein Geschenk, andere eine Strafe.« »Dann bist du eindeutig das ätzende Fegefeuer, Kugelfisch.« »Und du Pest und Cholera, Noah!« »Halt die Schnauze!« Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch gibt es für Lias Eltern nu...