▷ Bon Iver & St. Vincent - Roslyn ◁
Ich weiß nicht, wie ich es in meine Wohnung schaffe. Aber ich weiß, dass Leonie keine Sekunde von meiner Seite weicht. Sie hält mich fest und lässt mich nicht los. Kein einziges Mal. Sie trocknet meine Tränen, wiegt mich hin und her, wie ein Baby. Ich kann nicht mehr aufhören zu weinen. Und doch habe ich es noch immer nicht realisiert. Ich kann noch immer nicht glauben, dass Noah gegangen ist. Für immer.
Die Bettdecke liegt schwer auf mir, wiegt so viel wie Blei, drückt mir die Luft weg. Ich werfe sie zur Seite und setze mich auf. Leonie sitzt am Bettrand und hält meine Hand.
Ich wünschte, Noah wäre hier. Ich wünschte es so sehr.
Tränen trüben meine Sicht und mein gebrochenes Herz bohrt Splitter in meine Lunge. Macht mir das Atmen schwer. Mein Herz stolpert. Ich stolpere. Mein Leben stolpert. Meine Welt hat aufgehört sich zu drehen. Noah ist weg. Für immer. Für immer. Für immer. Mein Leben wurde durcheinandergeschüttelt, wie ein Polaroidbild. Ich kann kaum gerade laufen, weil alles konfus ist und ich komplett aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Ich kann nicht in Worte fassen, wie groß der Schmerz ist, den ich spüre. Er ist so groß, dass ich mich gleichzeitig so unendlich leer fühle. Als wäre der Schmerz ein großes, schwarzes Loch, das alles in sich aufsaugt und nie wieder ans Licht lässt. Es fühlt sich an, als würden die Wände meines Zimmers näher kommen und mich schon bald unter sich begraben.
Ich schluchze.
"Ach, Lia." Leonies Stimme ist tränenverzerrt. Sie schließt mich in die Arme und hält mich fest. Ihr Pulli kratzt an meinem Kinn und ich versuche, mein Kinn etwas zu heben. Jedoch liegen ihre Arme zu fest um mich, als dass ich mich großartig bewegen könnte.
Inzwischen habe ich schon so viel geweint, dass ich kaum noch etwas sehe. Meine Nase läuft. Der Schmerz, der mich mit so einer Wucht getroffen hat, haut mich um. Macht mich schwach. Kraftlos. Unendlich traurig. Wie muss es sich erst anfühlen, wenn ich es wirklich realisiert habe? Oder bin ich gerade auf dem Weg dahin, es wirklich zu realisieren?
Mein Herz ist so leer und doch pocht es schmerzvoll in meiner Brust. Mein Herz schlägt. Noahs nicht mehr.
Unter Tränen sehe ich auf den Stuhl in meinem Schlafzimmer. Dort liegen noch Noahs Sachen. Ich löse mich von Leonie und steige aus dem Bett.
"Lia, was machst du?", erkundigt sich meine Freundin besorgt.
Ich schnappe mir einen seiner Pullis und ziehe ihn mir über. Mit zittrigen Fingern halte ich den Stoff vor meine Nase und inhaliere den Duft. Noahs Duft. Er beruhigt mich.
Und gleichzeitig treibt er mir erneut heiße Tränen in die Augen. Ich werde ihn nie wieder sehen. Ich werde nie wieder seinen Duft einatmen können. Wenn dieser Pulli meinen Duft angenommen hat, werde ich nichts mehr von ihm haben, das nach ihm riecht.
Meine Knie werden schwach und ich falle auf den Boden. Leonie springt sofort auf und ist an meiner Seite. Wieder wiegt sie mich, spricht beruhigende Worte, die ich kaum wahrnehme.
Ich fühle nichts. Mein Kopf ist unsagbar leer. Ich fühle mich schwach. Zittrig. Aber mein Herz ist schwarz. Rabenschwarz. Als hätte es der Teufel höchstpersönlich mit in die Hölle genommen und dort durch die ganzen Feuer gezerrt, um es mir schwarz verbrannt wieder zu bringen.
Schließlich bin ich zu erschöpft vom Weinen und schlafe irgendwann ein.
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NOAH | ✓
General Fiction»Manche Menschen sind ein Geschenk, andere eine Strafe.« »Dann bist du eindeutig das ätzende Fegefeuer, Kugelfisch.« »Und du Pest und Cholera, Noah!« »Halt die Schnauze!« Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch gibt es für Lias Eltern nu...