Kapitel 3

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Ein paar Stunden später ist selbst Feena völlig überrascht von dem Endergebnis der Party: nicht sie muss Melissa zurück zu ihrem Wohnheim schleifen und halb tragen, sondern umgekehrt. Feena selbst hängt mit einem Arm um Melissas Schultern neben ihr und hat wirklich Probleme damit einen Fuß vor den anderen zu setzen.

„Meine Güte... Du hättest sagen sollen, dass du nichts verträgst", murmelt Melissa ihr zu.

„Aber mir geht's doch noch gut...", brummelt Feena zurück.

„Sieht man."

„Nein, im Ernst...", sagt Feena und bleibt kurz stehen. Ihr Blick wirkt für einen Moment total wirr, aber dann fixiert sie ihre Nachbarin endlich und bleibt auch gerade stehen.

„Ich bin im Kopf noch voll klar", sagt Feena und kneift kurz die Augen zusammen, ehe sie auf ihre Füße hinabschaut: „Nur die wollen nicht so wie ich."

„Komm her, kleine Schnapsdrossel", schmunzelt Melissa und legt wieder ihren Arm um Feenas Mitte, um das Mädchen ordentlich stützen zu können.

Zwischen den Vorlesungs- und Forschungsgebäuden der Universität ist es ruhig.

An den Straßen stehen ein paar Straßenlaternen, die die Wege beleuchten, aber auf all den Trampelpfaden und Abkürzungen über Wiesen und abgelegene Parkplätze ist der halbvolle Mond die einzige Lichtquelle.

Feenas Blick geht zu dem schwarzen Himmel empor und für einige Schritte beobachtet sie einfach nur die helle Sichel, die dort oben steht und auf sie herabscheint.

Ihr geht durch den Kopf, dass ja gar nicht der Mond scheint, sondern er nur das Licht der Sonne reflektiert. Das hat sie schon immer fasziniert und auch jetzt kann sie nicht anders; ihr Blick klebt am Mond und nach diesem Gedanken ist ihr Kopf schonwieder wie leergefegt.
Es ist ein Moment absoluter Ruhe für sie, wenn sie den Mond anschaut.

Doch die Ruhe hält nicht an.

Der Alkohol kann ihre Motorik vielleicht einschränken und auch ihre Sinne benebeln, aber selbst in diesem Zustand sind sie noch einzigartig gut ausgebildet.

In ihrer Nase steckt seit Stunden der Geruch von Alkohol, aber an der frischen Luft hat er sich ein bisschen verzogen. Jetzt kommt ein Gemisch aus Alkohol und dem stechenden Geruch von Rauch bei ihr an. Sie senkt den Kopf ein wenig, behält die Nase dann aber doch ein wenig weiter oben als es normal wäre und saugt ein paar Mal ruckartig viel Luft in ihren Brustkorb.

„Sag mal, schnüffelst du gerade?", fragt Melissa sie irritiert.

„Shh", macht Feena aber nur.

Der Geruch ist unverkennbar und deswegen konzentriert sie sich jetzt nur auf die Geräusche um sie herum.

Das sanfte Rascheln von Blättern, die sich im seichten Wind wiegen, Melissas und ihre eigenen Schritte, die dumpf immer wieder auf dem Erdboden unter ihnen aufkommen und Melissas Atem – und... weitere Schritte, leises Lachen, Gerede und...

„Shit."

Adrenalin schießt in Feenas Adern und ihr Herz beginnt doppelt so schnell zu pumpen.

Von einer Sekunde auf die andere sind ihre Sinne wieder völlig nüchtern.

Sie kann nicht nur die sanfte, weinerliche Stimme hören, die darum bittet sie in Ruhe zu lassen, sie kann auch die Angst riechen. In dem Gemisch aus Schweiß ist aber nicht nur die typische Note menschlicher Angst dabei, sondern auch Lust.

Das ist so eine einmalige Mischung und doch hat Feena sie in ihrem kurzen Leben schon viel zu oft gewittert und sie weiß auch ganz genau, was das bedeutet.

FenrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt