Kapitel 10

491 24 1
                                    

Mit einem leisen Seufzen wacht Feena auf.

Sie will sich wie jeden Morgen den Schlaf aus den Augen wischen, aber als sie ihren Arm anheben will, bleibt er hängen. Sie spürt etwas an ihrem Handgelenk und schlägt die Augen auf.

Konfrontiert wird sie von einer gläsernen Decke, die eine Tonne Kabel beherberg. Sie blinzelt auf ihre Handgelenke hinunter und sieht, dass sie mit Handschellen an das Bett gefesselt ist. Ihr Puls springt in die Höhe und ihr Atem geht schneller. Ihr ganzer Körper bereitet sich auf einen Angriff vor und sie ist in höchster Alarmbereitschaft.

Sie setzt sich vorsichtig auf und schaut sich um.

„Na na, Ms Wallace... Wir wollen uns nicht überanstrengen. Legen Sie sich wieder hin", sagt eine Stimme und eine Frau mittleren Alters in einem weißen Kittel kommt zu ihr.

Argwöhnisch betrachtet sie die Frau und analysiert in Windeseile ihre Lage: Sie scheint in einem Krankenhaus zu sein.

Aber warum ist sie dann angekettet?

„Sie werden vielleicht einige Fragen haben, aber ich muss sie enttäuschen", Feena ist auf vieles vorbereitet, aber nicht darauf, dass die Frau plötzlich eine Spritze von einem Tisch zieht und sie ihr mitten in den Arm sticht.

Feena schreit auf und fühlt, wie sich die Flüssigkeit in ihren Arm drückt.

In dem Moment ist es keine Absicht, aber ein unterbewusster Selbstschutzinstinkt: Ihr Körper verwandelt sich. Aus ihren Händen werden Pfoten und an ihren Füßen ebenfalls. Die Fesseln werden unter dem Druck der neuen, wesentlich dickeren Extremitäten einfach weggesprengt. Das kleine Krankenbett wird zu eng für den Wolf, aber das ist Feenas geringstes Problem. Sie rollt sich von dem Bett hinunter und steht keuchend mitten in dem sterilen Raum.

„Sicherheitsdienst in die Krankenstation! Sofort!", brüllt die Ärztin in den Raum und plötzlich dringt eine zweite Stimme scheinbar aus dem nichts von der Decke herab.

„Der Sicherheitsdienst wird informiert", dann eine kurze Pause und dann folgt das nächste Statement: „Mr. Stark wird sich um ihr Sicherheitsproblem kümmern."

Die Panik ist in den Augen des Wolfes zu sehen. Auf der Suche nach der Herkunft der zweiten Stimme schaut sich Feena in dem Raum um. Es sieht aus wie eine Mischung aus Labor und Krankenzimmer.

„Shhh..."

Die bunten Augen fixieren wieder die Ärztin.

„Ganz ruhig... Es ist alles gut...", versucht sie beruhigend zu wirken.

Das hätte auch beinah funktioniert, wenn Feena nicht die nächste Spritze in der Hand der Frau entdeckt hätte.

Sie stößt ein lautes Heulen aus und dann knurrt sie mit gebleckten Zähnen. Die Ärztin schreckt wieder zurück und dann geht eine Tür auf. Eine menschenartige Maschine in rot und gold tritt durch die verglaste Tür und Feena wittert ihre Chance.

Ohne die seltsame Maschine zu beachten hechtet sie mit zwei kräftigen Sprüngen einfach über alle Tische und auf das Ding zu. Es hebt die Hand und etwas beginnt in der Handfläche zu leuchten. Feena nutzt den Schwung ihrer ersten Sprünge und wirft sich gegen die Maschine. Mit einem leisen Schrei scheinbar aus dem Inneren der Maschine drückt der Wolf sie zur Seite und läuft durch die Glastür. Ohne zu wissen, welche Richtung die richtige ist, rennt sie nach rechts. Es geht einen breiten Flur entlang direkt auf ein großes Fenster zu. Das sieht doch gut aus. Es poltert laut hinter ihr, aber Feena lässt sich davon nicht ablenken. Sie muss hier raus.

Auf einmal beginnt ihre Sicht etwas zu verschwimmen und die Pfoten beginnen immer schwerer zu werden. Noch größere Panik macht sich in ihr breit und ihre Schritte werden hektischer und unkontrollierter. Sie rennt den Flur entlang, donnert mit der Seite gegen Wände und nimmt nur im letzten Moment die Kurven. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sie einmal das Ende des Ganges nicht erkennt, die gläserne Außenfassade übersieht und völlig ohne Vorwarnung dagegen läuft. Das Glas zerspringt mit einem hellen Klirren.

FenrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt