Fenris

Kapitel 6

Tag für Tag scheint Oliver ihr nun plötzlich ständig über den Weg zu laufen.

Morgens auf dem Weg zur ersten Vorlesung? Oliver geht gerade ins Bad oder in die Küche zum Frühstücken.

Mittags, wenn Feena einen Spaziergang machen will? Oliver geht zu einer Vorlesung.

Abends, wenn Feena ins Bad geht? Oliver ist auf dem Weg zu einer Kneipe, um sich mit Kommilitonen zu treffen.

Es ist ihr nicht ganz geheuer, wie oft sie ihn scheinbar völlig zufällig trifft.

Natürlich ist es normal, dass sie sich auf dem Flur treffen, aber irgendwann ist auch der Zufall ausgeschöpft, wenn sie den dritten Tag in Folge mindestens fünf Mal auf ihn trifft.

So langsam macht es sie auch paranoid.

Am folgenden Donnerstag, den vierten Tag seit sie Oliver kennt, will sie sich endlich von dem schrägen Kerl von gegenüber ablenken.

Genau deswegen hat sie am Mittag Johnny gefragt, ob er etwas vorhat und ob sie etwas unternehmen wollen. Eigentlich war sie nicht unbedingt scharf darauf, irgendwohin wegzugehen, aber ihre Pläne, wie sie sonst ihre Tage verbringt sind in Luft aufgegangen, als sie mit einem tierischen Muskelkater vom Tanzen an dem Morgen aufgewacht ist und gemerkt hat, dass sie in ihrem Lernplan bereits so weit fortgeschritten ist, dass sie eine Pause machen muss, damit die Professoren ihr neuen Stoff liefern...

Also hat sie beschlossen mal wieder eine normale Studentin zu sein und mit Freunden abzuhängen.

Und Johnny ist dafür scheinbar wirklich die perfekte Person.

Er hat nämlich nicht vorgeschlagen Party machen zu gehen, wie Feena es befürchtet hat. Stattdessen hat er gefragt, ob sie schon die neue Sherlock Serie kennt. Sie hat verneint und er hat sofort gesagt, dass sie dann heute Abend was nachzuholen hat. Ohne ihre Antwort abzuwarten, hat er ihr sofort geschrieben, dass er um Sieben mit Pizza vor ihrer Tür stehen wird, damit sie sich zusammen ein oder zwei Folgen der Serie anschauen können.

Das klingt tatsächlich sogar nach einem angenehmen Abend, befindet Feena schon mittags und freut sich sogar auf den Besuch.

Johnny kommt ein paar Minuten zu spät, aber dann steht er doch vor ihrer Tür.

Sie lässt den jungen, großen Mann mit einem Lächeln in ihr Zimmer rein und ihr Geruchssinn wird von dem leckeren Duft der Pizza überflutet.

„Die riecht fantastisch", murmelt sie und beäugt die Kartons in seiner Hand. Sie kann das Fleisch und den Käse riechen und auch etwas wie... Pilze?

„Hab einmal klassisch Salami und dann noch Salami, Schinken und Pilze. Weiß ja noch gar nicht, was du am liebsten isst", antwortet Johnny mit einem kleinen Lächeln und legt die Pizzen vorsichtig auf ihrem Schreibtisch ab.

Dann steht er da und sieht einfach viel zu groß für das Zimmer aus. Er schaut sich um und das etwas längere Pony von seinen blonden Haaren fällt ihm in die Augen. Er wischt sich das Pony aus der Stirn und grinst sie schief an: „Es hat ja schon seine Vorteile sich mit jemandem das Zimmer zu teilen..."

„Hm?", fragt Feena nach und macht eine einladende Geste zu ihrem Bett hin: „Setz dich, dann komme ich ans Wasser dran", grinst sie und deutet auf die Wasserflaschen unter ihrem Schreibtisch.

„Ein Doppelzimmer ist zwar auch nicht groß, aber größer als diese Besenkammer hier. Ich kann mich ja kaum umdrehen", lacht er, dreht sich auf der Stelle ein bisschen zur Seite und plumpst auf Feenas Bett. Er rutscht an die Wand und setzt sich im Schneidersitz hin.

„Stimmt wohl", lacht Feena auf und beugt sich runter, um eine Flasche zu holen. Sie hat auf dem Tisch zwei Plastikbecher stehen und gießt in beide etwas Wasser ein.