Kapitel 7

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Es ist als hätte Feena plötzlich eine Allergie gegen ihre Kleidung bekommen oder als hätte sie eine seltene Hautkrankheit. Seit ein paar Tagen plagt sie immer mehr ein unfassbarer Juckreiz. Alles was ihre Haut berührt löst den Juckreiz aus und Feena hat sich in der letzten Nacht schon einige unschöne Striemen am Rücken und an den Waden aufgekratzt.

Deswegen kann sie heute natürlich keine kurze Hose anziehen und die lange Jeans fördert den Juckreiz noch mehr. Es ist zum verrückt werden.

Wann immer sie sich auch nur irgendwie bewegt und der Stoff beginnt zu reiben, würde sie am liebsten aus ihrer eigenen Haut fahren.

Und genau das ist es.

Es ist das Tier in ihr, was herauswill.

Im Moment sitzt Feena in einer Vorlesung.

Sie hat sich ganz hinten auf den letzten Platz in der Ecke fallen lassen und das war wirklich eine gute Idee. Während sie mit einer Hand mitschreibt, kratzt sie sich mit der anderen ständig abwechselnd am Rücken und am Arm.

Sie hofft inständig, dass sie es einigermaßen diskret schafft und niemand sie beobachtet... Die anderen würden noch wirklich denken, dass sie irgendeine ansteckende Krankheit hätte.

Irgendwann spürt Feena wieder plötzlich einen kurzen, stechenden Schmerz durch ihren Arm fahren und sie zieht scharf die Luft ein. Sofort lässt sie den Stift fallen und der macht im recht stillen, großen Raum ein erstaunlich lautes Klirren, als er auf das Holz des Tisches trifft. Ein paar Studenten in den Reihen vor ihr drehen sich zu ihr um, aber Feena interessiert das nicht. Sie rollt schnell den Ärmel an ihrem rechten Arm hoch. Ein roter Strich zieht sich von der Mitte ihres Unterarms schief über ihre blasse Haut. Er wird immer dicker und dicker und an manchen Stellen bilden sich langsam kleine Kügelchen von glänzendem Blut.

Aber Feena bemerkt etwas anderes: Ihre Gänsehaut. Sie beißt sich auf die Unterlippe.

Die kleinen Härchen auf ihrem Arm stellen sich auf und Feena spürt regelrecht wie sie versuchen sich zu verfestigen.

Das ist der Moment, in dem ihr Herz einen Moment aussetzt. Eilig rutscht sie von ihrem Platz und stolpert regelrecht aus dem Raum heraus. Sie weiß nicht, wie leise sie es schafft, aber das ist ihr gerade egal. Sie spürt jetzt auch, wie sich ihre Nackenhaare aufstellen und flüchtet einfach nur in eine Ecke des leeren Flurs.

Keuchend lässt sie sich auf den Boden fallen und zieht die Beine an. Der Juckreiz wird für einen Moment noch schlimmer, Feena spürt, wie sich das dicke Wolfshaar aus ihre Poren drücken will, ihre Knochen sich verschieben wollen.

Ihr Atem geht schnell und sie betet einfach nur, dass sie sich rechtzeitig beruhigt.

Genau das hat sie geübt.

Sie weiß, wie sie mit dem Drang sich zu verwandeln umgehen soll.

Als Kind hat sie das geübt. Es hat zu ihren Aufgaben gehört. Neben dem Lernen, wie sie als Wolf leben kann, hat sie auch gelernt den Wolf zu vermeiden.

Es hat nicht unbedingt was mit Ruhe zu tun.

Es geht nicht darum, dass sie sich aufgeregt hat, dass sie wütend wäre oder dass das ‚Tier in ihr' gegen sie kämpft.

Es gibt kein Tier in ihr. Sie ist das Tier.

Feena ist sich manchmal nicht einmal sicher, was ihre wirkliche Form ist – der Mensch oder der Wolf.

Sie weiß nur, dass sie beides ist und es kein Kampf zwischen den beiden Formen geben sollte.

Genau deswegen hebt sie kurz den Blick.

FenrisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt