Genervt schalte ich das Radio aus, bevor der Sänger seine erste Zeile zu Ende singen kann. In meinem Zimmer ist es nun wieder still. Wo kurz zuvor die Anfangsklänge zu Perfect geklungen haben, könnte man jetzt eine Stecknadel fallen hören. Das war einmal DAS Lied. UNSER Lied. Aber seit er damals mit der Begründung, ich werde ihm langsam zu langweilig, mit mir Schluss gemacht hat, kann ich es nicht mehr anhören, obwohl es früher eines meiner Lieblingslieder war.
Meine genervte Laune steigt in Trauer um. Jedes Mal steigen mir Tränen in die Augen, wenn Ed Sheeran über die Liebe seines Lebens singt. Und so ende ich damit, dass ich mich heulend in meine Kissen vergrabe und mich ein weiteres Mal frage, ob ich nicht doch ein bisschen zu emotional bin.
Nach endlos langen Minuten erhebe ich mein emotionales Wrack, um mir Schokolade zu holen. Ich versuche so leise wie nur irgendwie möglich die Treppe herunterzulaufen, um mir die Nascherei aus der Küche zu holen. Dass mich meine Mutter noch über alles ausfragen könnte, kann ich definitiv nicht gebrauchen. Ich habe sie in dem Glauben gelassen, dass wir uns auseinander gelebt hätten. Und, dass wir uns deshalb getrennt haben. Dass er mich wegen eines banalen Grunds verlassen hat und ich einfach nicht über ihn hinwegkomme, versuche ich, ihr zu verheimlichen.
Wie ein Agent, der die Geheimbotschaft zurückerobern muss, schleiche ich in die Küche. Als ich sehe, dass die Luft rein ist und niemand mein verheultes Gesicht sehen und mich ausfragen kann, schnappe ich mir die Tafel und sprinte zurück in mein Zimmer. Zufrieden betrachte ich meine Beute aka die Geheimbotschaft aka die Schokoladentafel. Ich bin im Herzen halt noch Kind geblieben, was, als guter Nebeneffekt, mich für kurze Zeit das ganze Dilemma vergessen lässt.
Ungeduldig reiße ich die Packung auf und beiße genüsslich in die Medizin für alles. Zusätzlich krame ich meine Kopfhörer hervor, um meine Motivationsplaylist anzuhören. Ich kann, wenn ich traurig bin, nicht auch noch traurige Lieder hören. Zu den Klängen von La Cintura lehne ich mich zurück und schließe die Augen.
Mein Frieden wird jäh durch ein Klopfen an der Tür gestört. Nach einer Zustimmung meinerseits betritt meine Mutter das Zimmer. Ohne viel ihre Entscheidung zu begründen, drückt sie mir ein paar Geldscheine in die Hand: "Enjoy yourself and have fun. It helps to forget." Ich starre verwirrt zwischen dem Geld in meinen Händen und der Tür, die meine Mutter schon wieder hinter sich geschlossen hat, hin und her. Ich bin überrascht. Einerseits, dass sie nicht viel nachgefragt hat. Und andererseits, dass sie anscheinend doch bemerkt hat, dass mich das alles mehr belastet, als ich zugebe.
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Und jetzt stehe ich hier also vor einem der angesagtesten Clubs in ganz Toronto und fange an, meine Entscheidung anzuzweifeln. Erstens, überhaupt hierher zu kommen. Und zweitens, nicht noch einen Tag zu warten, um von meinen besten Freundinnen begleitet zu werden. Ich fühle mich verloren neben dem riesigen, hell erleuchteten Gebäude. Dennoch herrsche ich mich an, doch nicht so kurz vor dem Ziel nachzugeben. Also gebe ich mir einen Ruck und nähere mich dem Eingang.
Kaum bin ich durch die Tür, werde ich von der Lautstärke fast umgeworfen. Meine Zweifel flammen wieder auf, aber zum Umkehren ist es jetzt zu spät. Schon nach diesen wenigen Sekunden dröhnt mein Kopf und mir wird alles zu viel. Nur zitternd nähere ich mich der Bar. Es gibt nur ein Mittel, den Abend beziehungsweise eher die Nacht zu überstehen. Und das nennt sich Alkohol. Auf einem der Hocker sitzend, verschaffe ich mir einen ersten Überblick. Es ist voll. Sehr voll. Das wird eine lange Nacht.
Nach einigen Drinks spüre ich so langsam die Wirkung des Alkohols. Die laute Musik wird angenehmer und ich fühle mich merklich besser. "Another one", rufe ich dem Barkeeper zu. Wenige Sekunden später bekomme ich das nächste Glas gereicht, das ich, ohne viel zu überlegen, sofort leere. Einen Augenblick genieße ich die Atmosphäre und mache mich dann zur Tanzfläche auf, weil ich urplötzlich den Drang verspüre, meine Energie loszuwerden.

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Shawn Mendes Imagines
FanfictionIch denke, der Titel sagt alles... *Dialoge auf Englisch*