Closer

Awake

Das Wetter war traumhaft, als Gina am nächsten Morgen gut gelaunt die Vorhänge zurück riss. Blauer Himmel, nur ein paar Watte Wölkchen und das Thermometer zeigte um 9.00 bereits angenehme 20 Grad. Gina sang fröhlich, während sie ihr Frühstück zubereitete und tanzte sogar ausgelassen. Sie konnte tun und lassen, was auch immer sie wollte. Im Moment hatte sie Urlaub und konnte sogar ausschlafen. "Ist es nicht ein herrlicher Tag? ", fragte sie eine Fliege, die es gewagt hatte, sich auf ihr Croissant zu setzen. Doch als sie einen Schluck Tee trank, fiel ihr ihr Vorhaben wieder ein und ein nervöses Kribbeln machte sich in ihrem Bauch breit. "Wird schon alles gut sein. Die Menschen hier sind bestimmt alle sehr freundlich! ", machte sie sich Mut, bevor sie langsam aufstand und den Tisch abräumte. Eigentlich wollte sie noch ein Weilchen warten, aber ihre Nervosität war zu stark und langsam machte sie sich auf den Weg zur Tür.

Die erste Wohnung war gleich neben ihrer Haustür und mit klopftendem Herzen drückte Gina auf den Klingelknopf. Es dauerte ein paar Minuten, doch dann wurde die Tür langsam geöffnet. Eine ältere Dame sah ihr überrascht entgegen, fragte aber freundlich:"Guten Morgen? Was kann ich für Sie tun? " Gina spürte, wie die Hitze in ihr Gesicht trat und stotterte:"Guten Morgen, entschuldigen Sie die frühe Störung. Ich bin die neue Nachbarin und wollte mich vorstellen. " Die Dame mit den grauen Löckchen hatte lächelnd zugehört und hielt ihr nun die Hand hin. "Das freut mich sehr. Ich bin Ursula Rohendorf. " Gina stellte sich erleichtert ebenfalls vor, bevor sie sich auch gleich wieder verabschiedete und die Treppe hinauf lief, zu der nächsten Wohnung.

Die meisten Menschen, die Gina öffneten waren freundlich und ihr sofort sympathisch. Auch die junge Mutter, die sich mit Gabriela vorgestellt hatte, war nun sehr freundlich und gar nicht mehr böse auf Gina, was diese erleichterte. Nun war nur noch eine Wohnung übrig. Leider War diese ganz unter dem Dach und seufzend bestieg sie die Stufen. Wer wohl der letzte oder die letzte war? Grinsend stellte sie sich einen alten, dicken Mann mit gütigen blauen Augen vor, der ihr in Lederhose öffnete.
Und dann stand sie vor der Tür und klingelte. Sie wartete ein paar Minuten, und als nichts geschah, klingelte sie erneut. Wieder tat sich nichts und enttäuscht wollte sie sich abwenden, als ein dumpfer Knall hinter der Tür erklang, gefolgt von einem lauten Fluch. Überrascht drehte sich Gina wieder um und hörte, wie sich Schritte näherten.

Dann öffnete sich die Tür und Gina war kurz davor, loszulachen. Vor ihr stand ein Mann ihres Alters, mit braunen vollkommen verwuschelten Haaren, auf seiner Wange waren rote Kissenabdrücke und mit zusammengekniffenen Augen musterte der nicht mal schlecht aussehende Mann seine frühe Besucherin. Aber das lustige War, was der Mann an hatte.

Er trug einen blauen Schlafanzug, mit ganz vielen kleinen Teddybären drauf und war barfuß.

"Was?", fragte er unfreundlich und Gina fuhr erschrocken zusammen. Der Ton passte gar nicht zu dem Outfit, des Mannes und eingeschüchtert sagte sie:"Ähm...ich bin die neue Nachbarin...", weiter kam sie nicht, denn der Typ hob die Augenbrauen und fauchte:"Und deswegen stören Sie mich? Machen Sie, dass Sie wegkommen! " Damit schlug er ihr die Tür vor der Nase zu und Gina blieb wie vom Donner gerührt stehen. Was war das denn jetzt?

In ihrer Wohnung angekommen, warf sie schlecht gelaunt die Tür hinter sich zu und gab ihren Schuhen, die es gewagt hatten, sich ihr in den Weg zu stellen, einen saftigen Tritt. "Verdammter Langschläfer! Unverschämter Teddy-Typ! " Sie schimpfte fast zehn Minuten, bis sie über ihre Beleidigungen lachen musste. Wieso ärgerte sie sich über solche gehirnschwachen Menschen! Dafür war das Leben einfach viel zu kurz!
Gina schüttelte nochmal den Kopf, ehe sie sich an ihren PC setzte und Instagram aufrief. Hier hatte sie schon einige Freunde gefunden, mit denen sie schrieb und Fotos austauschte.

Mia: Hey! Wie geht's dir Gina? Wie ist die Wohnung und alleine Leben? :)

Gina lächelte und schrieb ihr von den beiden Tagen. Natürlich ließ sie auch den Rüpel nicht aus und  Mia schrieb:

Mia: Wenn ich um halb zehn geweckt werde, bin ich auch so drauf. XD

Das brachte Gina zum nachdenken. Vielleicht war der gar nicht so schlecht, sondern nur ein Morgenmuffel? Sie tauschte sich noch ein paar Minuten mit der 25 Jährigen aus, bevor sie nachdenklich ihr Mittagessen machte. Ob er Zuhause war? Vielleicht konnte sie sich bei ihm entschuldigen und die ärgerliche Sache aus der Welt schaffen. Gina hasste es, wenn jemand auf sie sauer war. Schließlich warf sie genervt den Löffel zurück zu ihren Nudeln, ihr war der Appetit vergangen und sie entschied sich, einen Spaziergang zu machen. Also zog sie sich ein schickes blaues Kleid an, Flip Flops und holte noch eilig ihre Sonnenbrille. Dann stürmte sie die Treppe hinab und trat in die warme Mittagssonne. Sofort strahlte ihr Gesicht auf und leise summend machte sie sich auf den Weg, um ihre neue Heimat zu erkunden. Die Wohnanlage war sehr ländlich gelegen und weite Felder erstreckten sich vor der Mitte 30 jährigen. Doch Gina kam nicht dazu, die Natur zu genießen, denn kaum war Sie drei Meter gelaufen, kam ein protziger schwarzer Sportwagen angerauscht und raste an ihr vorbei. Gina stieß einen erschrockenen Schrei aus und begann dann zu husten. Ihr Hals brannte durch den Benzingestank und Tränen schossen ihr in die Augen. Wütend riss sie den Arm hoch und brüllte:"Idiot! " Da hielt der Wagen und ein wohlbekannter Kopf streckte sich aus dem Fenster. Die Haare waren wieder vollkommen verwüstet und vor seinen Augen prangte jetzt eine fette Sonnenbrille, die wahrscheinlich mehr kostete, als alles was Gina an hatte.

Gina schnappte nach Luft, als sie den Angeber erkannte, während sich auf dessen Gesicht ein hämisches Grinsen ausbreitete. "Mach den Mund zu, es zieht! ", grinste er und Gina erwachte aus ihrer Erstarrung. Sie straffte sich und fauchte dann:"Haben Sie den Verstand völlig verloren?! Erst beleidigen Sie mich und knallen mir die Tür vor der Nase zu und jetzt überfahren Sie mich mit Ihrer Protzkarre fast! " Als Antwort ließ der Typ den Motor aufheulen und schwarze Dampfschwaden stiegen aus dem Auspuff. Gina beobachtete das mit angewidertem Gesicht, bevor sie schnippisch fragte:"Schon mal was von Umweltverschmutzung gehört? Da gehört der Wagen hin und Sie genauso! Ich will gar nicht wissen, wie viel Haarspray Sie in ihren Haaren haben! " Der Typ zog bei ihrem Ausbruch eine Augenbraue hoch, bevor in Gelächter ausbrach. Fassungslos starrte Gina den Typ an, bis sie den Kopf schüttelte, sich unwandte und weiterging. Der Typ rief ihr irgendwas nach, aber sie hörte nicht hin. In ihren Augen brannten Tränen. Er hatte sie nicht ernst genommen! Keiner nahm sie ernst!
Die ersten Tränen schossen ihr über die Wangen, die sie wütend weg wischte, aber es strömte weiter, bis sie aufschluchzte. Wieso nahm sie niemand ernst!