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Mein Name ist Jira. Ich bin ein Werwolf. Ich bin ein Omega. Das heißt ich bin von Geburt an der rangniedrigste in meinem Rudel. Als männlicher Omega kann man manchmal Kinder gebären. Da ich von allen Omegas die ich kenne der kleinste und schwächste bin, gehen alle davon aus dass ich es eines Tages können werde.
Eigentlich ist mein Leben nicht schlecht. Mein Rudel ist ok. Meine Mama ist auch eine Omega gewesen und sie ist bei meiner Geburt gestorben. Die Frau ihres Bruders hat mich dann groß gezogen. Sie hat nie einen Hehl darum gemacht dass sie mich nicht leiden kann. Sie mag Omegas einfach nicht und sie ist nicht die einzige. Mein Onkel war aber cool. Er mochte mich so wie ich bin. Er war der beste Freund vom Beta und hat damit auch ein bisschen Einfluss aufs Rudel. Zumindest so weit dass sie mich nicht als Welpe tot gebissen haben.
Mein Onkel Felix hat mir auch alles erzählt was ich über die Werwölfe wissen muss. Vor allem dass ich als männlicher Omega bestimmt mal einen männlichen Mate bekomme. Er hat gesagt dass männliche Omegas ja eher selten sind. Ich seufze. Selten ist gut. Ich bin der einzige männliche. Die Omegas der anderen Rudel sind alle weiblich.
Ich habe es immer geliebt den Erzählungen meines Onkels zu lauschen. Ich stelle mir vor wie es ist wenn ich eines Tages meinen Mate gefunden habe. Ob ich dann auch laute Dinge mag? Alle männlichen Werwölfe die ich kenne und auch fast alle weiblichen mögen laute Dinge. Laute Musik, Lärm, laut schreien, raufen, gröhlen und wilde Bewegungen scheinen das Hauptmerkmal eines normalen Werwolfs zu sein. Ich liebe alles was leise ist. Ich liebe die Geräusche des Windes in den Böumen, das Zwitschern der Vögel, das murmeln des Baches. Deshalb nicht es mir auch nichts aus wenn sie mich an den Fluss zum Angeln oder Wäsche waschen oder ihre Scheisse wegschrubben schicken. Als Omega machst du halt was auch immer sie dir sagen. Als Felix gestorben ist war das schlimm. Das war die Zeit als sie angefangen haben gemein zu werden. Als Felix noch da war habe ich Aufgaben gehabt. Seit Felix weg ist verprügeln sie mich und geben mir Aufgaben die ich nicht schaffen kann. Wenn ich dann weine lachen sie und schnappen nach mir.
Ich sitze am Fluss und angle. Das ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. So kann ich wenigstens nachdenken.
Plötzlich höre ich ein Knacken im Unterholz. Wölfe eines fremden Rudels kommen über unsere Grenzen. Ich schreie so laut ich kann. Ich bin in meinem Jungenkörper und kann nicht kämpfen. Im Wolfskörper hätte ich es zwar auch nicht gekonnt aber da hätte ich vielleicht wegrennen können. So mache ich das einzige was mir sinnvoll erscheint: mein Rudel warnen. Laut schreie ich meine Panik im Richtung Dorf bevor ich die Zähne der Wölfe in meinem Fleisch spüre und um mich herum alles dunkel wird.

Mein Name ist Ghrian. Und ich bin ein Alpha. Die Tatsache dass ich ein weiblicher Alpha bin hat dazu geführt dass ich heute das bin was ich bin: alleine. Als ich geboren wurde war mein Vater außer sich vor Wut. Mama war entsetzt und wollte mich tot beißen. Oma hat mich gepackt und ist mit mir geflohen. Sie war zum Glück nicht schwach. Sie hat mich ganz alleine, fern ab von den anderen Wölfen groß gezogen. Mit Oma bin ich jeden Tag lange Strecken gewandert. Oma sagte dass wir aus einem Revier raus sein müssen ehe die Besitzer uns entdecken. Ich habe in meinem Leben nichts außer der Wanderschaft kennen gelernt. Oma hat mir immer von ihrem früheren Leben erzählt. Dass sie eine Familie hatte, wo es ganz viele nette Wölfe gab. Und ein Dach über dem Kopf und ein Feuer zum daran wärmen. Ich bin manchmal traurig dass Oma wegen mir nicht mehr bei ihrer Familie sein kann. Oma leckt mir dann meist die Schnauze oder nimmt mich in ihre Arme und küsst mich. „Du bist mir wichtiger als meine Familie" sagt sie dann. Sie erzählt wie sie Opa kennen gelernt hat. Eigentlich wollte der Alpha des Rudels Oma zur Frau. Sie wollte aber nicht und als der Alpha 18 wurde hat er eine andere zur Mate bekommen. Da war Oma froh und Opa konnte sie zur Frau nehmen. Ihre gemeinsame Tochter war wunderschön. Oma hat sie sehr geliebt. Als sie dann 18 wurde hat der neue Alpha sie zur Mate bekommen. Oma war traurig. Die Alphas sind alle wild und laut. Sie denken in engen Mustern. Alles muss immer so bleiben wie es schon immer war. Dieses Denkmuster hat sich ihre Tochter angeeignet um mit ihrem Mann glücklich zu werden.
Eine weibliche Alpha gibt es einfach nicht. Gab es nicht und wird es nie geben. Sie haben sich nie die Chance gegeben mich kennen zu lernen. Zu akzeptieren dass ich anders bin aber deswegen keineswegs schlechter als andere.
Oma ist vor drei Tagen gestorben. Sie war alt und wurde einfach immer schwächer. Ich konnte ihr nicht helfen auch wenn ich ihr das Fleisch vorgekaut habe so dass sie nur noch schlucken musste. Ich habe sie zuletzt immer getragen. Aber vorgestern ist sie einfach nicht mehr aufgewacht. Am Abend hat sie mir noch mit ihrer leisen und brüchigen Stimme erzählt dass ich in drei Tagen 18 werde und dann meinen Mate finden kann. Ich scheisse auf meinen Mate! Ich will meine Oma wieder haben! So wie sie früher war: kräftig und omnipotent. Sie hat einmal einen Grizzlybären getötet. Da war ich zehn und er wollte mich fressen. Diese Oma hätte ich gerne wieder! Von mir aus auch die frierende schwache Oma von letzter Woche. Die, die ich auf meinem Rücken ein wenig im Kreis getragen habe damit sie nicht merkt dass ich keine neue Höhle gefunden habe. Doch Oma hat es gemerkt. „Ghrian, liebes, hier waren wir schon einmal." hat sie geseufzt und ich habe mich geschämt. Ja, selbst die Oma hätte ich lieber als einen Mate. Ich weiß gar nicht was ich damit soll. Ich hasse den Kerl jetzt schon. Bestimmt sieht er nur eine Missgeburt in mir.

OmegaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt