Die Bestimmung

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Ich lag im Dunkeln. Meine Hände lagen gefaltet auf meinem Bauch. Meine Augen standen offen, obwohl ich nichts sah. Morgen war es soweit. Ich wurde Bestimmt. Ich wusste nicht, ob ich mit meinem Ergebnis zufrieden sein würde. Was ist, wenn ich in ein Distrikt kam, wo niemand drin war, den ich kannte. Nicht in das meiner Familie. Ich hatte Angst. Viele in meinem alter wurden morgen Bestimmt. Ob sie auch so viel Angst hatten? Seufzend zog ich meine Decke weiter hoch und drehte mich auf die Seite. Ich wusste nicht, wie spät es war und wie viel Zeit mir blieb, bis ich aufstehen musste und meine schönste Kleidung anziehen musste, die ich besaß. Meine Familie hatte nicht viel Geld. Doch diesen Anzug hatte meine Mutter mir gekauft. Ich war dankbar dafür, denn es gab schon Leute, die zu ihrer Bestimmung in den hässlichsten Sachen kamen, die man sich vorstellen konnte.

(...)

"Aufstehen, Patrick. Du musst dich fertig machen." Müde öffnete ich meine Augen und schaute in das lächelnde Gesicht meiner Mutter. "Wie spät ist es?", wollte ich wissen. Ihre Hände hatte sie an ihre Hüfte gestemmt." Sieben Uhr. In zwei Stunden müssen wir am großen Platz sein. Beeil dich mit Baden und anziehen. Ich bereite das Frühstück vor." Schon ging sie aus der Tür und schloss sie mit einem knarrenden Geräusch wieder.  "Hab ich eine Lust", murmelte ich und zog mir die Decke wieder höher, um nochmal kurz die Augen zu schließen.

Als ich dann meine Augen wieder aufschlug, blickte ich in das wütende Gesicht meiner Mutter. Sofort setzte ich mich kerzengerade hin. "Du hast noch ganz genau dreißig Minuten, bis du am Platz sein musst. Und wenn du zu spät da bist, weißt du was dir blüht." Drohend hob sie eine Hand. "Ja, mama", antwortete ich demütig. Schnell stand ich auf und lief in unser kleines Badezimmer.

Fertig angezogen, schnell ein halbes Brötchen runtergewürgt, war ich nun mit schnellen Schritten auf dem Weg zum Platz. Eine Menge tummelte sich. Man erkannte die einzelnen Distrikte sehr gut. Die Weißen, die Blauen, die Braunen, die Roten. Ich selbst wurde im braunen Distrikt geboren. Die einfachen Bauernleute. Ich würde am liebsten in diesem bleiben, da ich meine Eltern und Großeltern liebte. Zu den roten wollte ich auf keinen Fall. Sie gehörten zu den gefährlichen. Sie waren alle Krieger, die unser Zuhause mit ihrem Leben beschützten.

Ich stellte mich in die Menge, ziemlich weit vorne, hin und wartete, dass die Glocke Neun Uhr schlug. Meine Familie stand vermutlich irgendwo hinten und hoffte darauf, dass ich bei ihnen bleiben durfte. In meinem Hals steckte schon jetzt ein großer Kloß. Und ihn runterschlucken, konnte ich nicht. Wie es wohl werden würde, wenn ich aufgerufen wurde und ich einen Stein bekam.

Und dann erklang die Glocke. Sofort war es totenstill. Mein Herzschlag verdoppelte sich und es schien, als würde die Luft immer dünner werden. Als dann der letzte Dong vorbei war, trat unsere Bürgermeisterin auf die erhöhte Fläche. Die gehörte dem weißen Distrikt an. Es waren die schlausten unter uns. Viele Professoren war unter ihnen.

Alle Augen waren auf sie gerichtet. "Willkommen, zu diesjährigen Bestimmung geehrte Damen und Herren. Ich freue mich, dass Ihr alle gekommen seid." Die Frau in dem weißen langen Kleid sah sich die Menge genau an. Ihre Worte waren so falsch. Es war Pflicht, anwesend zu sein. Ihr falsches Lächeln machte mich aggressiv. "Sie wissen, wie die Auswahl funktioniert. Die Namen der Einzelnen Personen werde ich aufrufen. Bitte, kommen sie dann zu mir und ziehen sie einen Stein." Sie drehte sich zur Seite und deutete auf die große Schale, wo ganz viele glatte, glänzende Steine drin lagen.

Die Bürgermeisterin nahm eine Schriftrolle  von dem Tisch aus Stein und rollte sie aus.  "Thomas aus Blau." Keiner Sprach. Man hörte nur ihre Stimme. Dann drängte sich ein kleiner Junge nach vorne. Er hatte braunes Haar. Zögerlich ging er die Treppen hoch. Ich erkannte, dass er Angst hatte. Die Frau sagte etwas zu ihm, woraufhin er nickte und vor die Schale trat. Langsam nahm er einen Stein heraus und hielt ihn in der Hand. Und dann, nach einer Zeit, öffnete er diese. "Rot!, rief die Bürgermeisterin. Die Menge klatschte in die Hände und der Junge wurde von zwei Männern in weißen Anzügen weg geführt.

Nach und nach wurden die Leute aufgerufen und dann erklang mein Name. Es fühlte sich an, als würde mein Blutgefrieren. "Patrick Meyer." Die Bürgermeisterin sah sich forschend um. Schnell sammelte ich mich und drängte mich dann durch die Menschen, bis hin nach vorne. "Verzeihung", murmelte ich zu der Bürgermeisterin. "Zieh ein Stein", sagte  sie aber nur schroff zu mir. Eingeschüchtert nickte ich und ging zu der Schale. Jeder Stein sah gleich aus. Schluckend griff ich nach einem und schloss ihn vollkommen in meiner Hand ein.

Ich spürte, wie warm er wurde. Dann öffnete ich meine Hand und erkannte seine Farbe. Ich hörte nur noch dumpf, wie die Bürgermeisterin die Farbe rief und die Menge applaudierte.

Beyond/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt