Als ich das nächste Mal meine Augen aufschlug, verspürte ich ein Kribbeln in meinen Gliedmaßen. Ich blinzelte, um das Weiß loszuwerden. Nach und nach erkannte ich umrisse, bis ich fast scharf sehen konnte. Ich sah mich mit meinen Augen um. Eine weiße Decke. Weiße Wände. Ich blickte an mir herunter. Eine hellblaue, dünne Decke lag über meinem Körper. Ich spürte ihn nicht. Aber man sah meine Beine, meine Füße. Es war alles da. Es waren keine Phantomschmerzen oder besser gesagt, Phantomkribbeln.
Ich sah nach rechts. Zu der Seite, wo ich die Hand in meiner gespürt hatte. Dort stand ein leerer Stuhl. War er gegangen? Hatte der Mann nicht gesagt, er soll bei mir bleiben? Ich sah zur anderen Seite. Da stand das Ding, was piepte. Das Ding, was meinen Herzschlag anzeigte. Meinen Blutdruck. Dann stand da noch ein Ständer, wo eine Flasche dran hing. Der Schlauch wanderte bis zu mir. Bis unter die Decke. Vermutlich hatte ich eine Nadel im Arm stecken. Das hieße, dass auch mein Arm da war. Beide Arme. Ich atmete tief durch. Was war mit mir passiert?
Ich schloss wieder meine Augen. Versuchte mich zu erinnern, was passiert war. Doch das letzte, an was ich mich erinnern konnte war, dass ich in den Bus eingestiegen war, der uns zur Front brachte. Ich stockte in meinen Gedanken. Mir war dort etwas zugestoßen. Das musste es sein.
Ich hörte die Tür, wie sie aufging und sich wieder schloss. Sofort öffnete ich meine Augen. Es war Manuel, der humpelnd um mein Bett ging. Er humpelte. Ihm war auch was zugestoßen.
In seiner Hand hielt er eine Flasche Wasser. Als er sich setzte, schraubte er sie auf und trank daraus. Er hatte mich kein einziges Mal angesehen. Er dachte noch, ich würde schlafen. Ich versuchte meinen Mund zu öffnen. Es funktionierte. Aus meinem Hals kam ein Krächzen heraus. Als die Laute in Manuels Ohren drangen, setzte er erschrocken die Flasche ab. Links und rechts an seinen Mundwinkeln tropfte das Wasser heraus. Er beugte sich ein Stück nach vorne, um sich nicht vollzukleckern. Mein inneres lachte und meine Lippen formten ein leichtes Lächeln. Es tat weh. Erklären warum, konnte ich es mir nicht."Du bist wach." Manuel stellte die Flasche weg und stürmte, so schnell er konnte, aus dem Raum. Ich hörte ihn nach einem Arzt rufen. Dann kam er wieder. Er griff nach meiner Hand. Seine fühlten sich Eiskalt an. "Hast du schmerzen?", erkundigte er sich. "Nein." Leise und gebrochen kamen diese Worte aus mir raus. Meine Kehle fühlte sich an wie Schmörgelpapier.
Manuel lächelte. "Du wirst wieder, Schatz." Seine Hand glitt wieder auf meine Stirn. Als wäre dies der einzige Platz, neben meiner Hand, wo sie liegen könnte.Jetzt ging die Tür auf. "Hallo Patrick." Es war die selbe Stimme, die mit mir gesprochen hatte, als ich noch Weiß gesehen hatte. Ein Arzt. Weißer Kittel, brille und dichte blonde Locken auf dem Kopf. "Wie fühlst du dich?" Er stellte sich so hin, das er mit dem Kopf über mir stand. Er holte eine kleine Taschenlampe heraus und leuchtete mir in die Augen. "Isokor." Schon wieder dieses Wort.
Quietschende Schuhe auf dem Boden waren zu hören. "Kannst du reden?" Er hob seine Augenbrauen an. "Was ist passiert?", fragte ich mit dieser rauen Stimme. Sie hörte sich an, als gehörte sie nicht zu mir.Der Arzt wechselte einen Blick mit Manuel. Ich runzelte meine Stirn. "Eine Bombe hat Sie erwischt. Wir haben Sie für zwei Wochen schlafen gelegt. Ihr linkes Bein ist zertrümmert. Das mussten wir operieren. Ebenso ihr linker Arm. Eine Rippe ist gebrochen, weitere stark geprellt. Ihre Hüfte ebenso. Die Schmerzen wären unerträglich gewesen, weswegen wir entschieden haben, dass es besser wäre, wenn Sie eine Zeit lang schlafen."
Wenn ich von der Bombe getroffen wurde hieß es, dass auch andere verletzt worden waren. Oder gestorben sind. "Sie haben wirklich Glück gehabt, Patrick." Der Arzt lächelte zu mir runter. Ich blickte zu Manuel. In seinen Augen standen Tränen, doch sein Mund lächelte.
DU LIEST GERADE
Beyond/Kürbistumor
FanfictionVier Distrikte. Alle sind unterschiedlich. Jeder Mensch, nach Vollendung des Achtzehnten Lebensjahres, wird zur Bestimmung geschickt. Man wird in eines der Distrikte gewählt. Wenn man Glück hat, bleibt man in dem Distrikt, in dem man geboren wurde...