Zwischen Leben und Tod

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Ich sprang mit einem Satz in den zweiten Graben hinein. Keuchend versuchte ich mich zu beruhigen. Doch als ich neben mich blickte, sah ich eine Leiche liegen. Blutverschmiert. Aus meinem Hals kam ein kleiner Schrei heraus. Mir wurde nun wieder vor Augen gehalten, wie schnell alles vorbei sein konnte. Vielleicht hatte er auch eine geliebte gehabt. So wie ich Manuel hatte. Panisch sah ich mich um. Ich fand ihn nicht. Eine böse Vermutung kam in mir hoch. Er wurde getroffen.

"Manuel!" Ich schrie seinen Namen immer wieder und lief den Graben entlang, zwischen den Schützen und den Toten, die dreckig und blutig auf der Erde lagen.
Gehörte er zu diesen Leuten, die blutig und dreckig auf der Erde lagen? Doch dann sah ich ihn. Er kauerte gegen die harte Erde. Auf seinem schoß lag ein Soldat. Schnell rannte ich zu ihnen. Der Soldat auf seinen Beinen war Elliot. Er war tot.
Manuel strich über seine Stirn und Tropfen seiner Tränen landeten auf dem schlafenden Gesicht von Elliot. "Er wurde getroffen", schniefte Manuel und drückte den leblosen Körper gegen sein eigenen.

Mir fielen keine Worte ein. Manuel sah aus wie ein Häufchen elend. So schnell kam ein Verlust aus unseren Reihen. Wie viele wohl noch gefallen waren? Doch ich war erleichtert, dass Manuel es geschafft hatte, in den zweiten Graben zu kommen.

Während ich stumm neben den Beiden hockte, fiel mir auf, dass Manuel aus seinem Oberarm blutete. "Manuel, du wurdest auch getroffen." Ich zog den Stoff etwas auseinander. "Das ist nichts." Manuel schüttelte mich ab. Doch ich erkannte, dass es ein Streifschuss war. Das hatte ich gelernt.

In dem Augenblick, wo alles stehen geblieben schien, knallte es laut und Erde wurde um uns rum geschleudert. Instinktiv griff ich Manuels Arm. Holz, was als Stützvorrichtung diente, Erde. Alles wurde auf uns geschüttet. Ich spürte etwas schweres auf meinem Bein, was fürchterlich wehtat. Ich hörte weitere Schüsse, Explosionen, schreie und Namen, die gerufen wurden. Dann einen weiteren lauten Knall. Meine Ohren waren Taub. Nur ein lautes pfeifen war zu hören. Ich hatte noch immer Manuels Arm mit meinen Händen umschlossen. Jedoch konnte ich nicht erkennen, ob er lebte. Ob sein Arm noch an seinem Körper war. Die Bombe schien direkt neben uns eingeschlagen zu sein.

Ich musste husten. Der sandige Staub und Rauch lag in der Luft. Es roch nach verbranntem Fleisch. "Manuel?", krächzte ich. Doch es kam keine Antwort. Vielleicht hörte ich seine Stimme auch nicht, weil das Pfeifen alles übertönte.
Dann ein letzter Knall. Mein ganzer Körper durchzuckte ein Schmerz. Als würde ich verbrennen. Manuels Arm war nicht mehr in meinen Händen. Ich wurde von ihm weggerissen. Regelrecht geschleudert.

Ich landete ein paar Meter weiter, außerhalb des Grabens. Ich spürte nun keinen Schmerz mehr. Das einzige was ich mitbekam war das Pfeifen und Manuels Gesicht, welches über meinem auf mich niedersah. Das Gesicht, welches ich mir im Bus eingeprägt hatte. Und dann wurde es um mich herum dunkel.

Beyond/KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt