Kapitel 28 - Trost

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Die wundersame Welt der Sophie Kreuzberger - ein Drama in drei Akten.

So oder so ähnlich würde meine Autobiografie heißen, wenn sie irgendwann einmal veröffentlicht werden würde. Meine Lebensgeschichte war nicht sonderlich interessant, aber sie konnte Augen öffnen. Wenn du neu an eine Schule kamst, zählte nicht, wer du mal warst. Da zählt, wer du bist. Ich hatte ein tolles Leben in meiner alten Schule. Dann beschlossen meine Eltern umzuziehen und alles hatte sich von jetzt auf gleich geändert. Seitdem kam ich aus diesem Trott nicht mehr heraus. Ich lebte vor mich hin und andere nutzten meine Anwesenheit, um daraus irgendwie Profit zu schlagen, indem sie mich ins Lächerliche zogen.

Ich hockte wie das letzte Häufchen Elend auf dem Boden, meinen Kopf hatte ich auf meine Knie gepresst, mein Make-Up war von den Tränen schon längst verlaufen. Meine Gefühlswelt spielte verrückt. All die schönen Tage, die ich in den vergangenen zwei Wochen durchlebt hatte, schienen mit einem Mal kaum mehr relevant zu sein. Es fühlte sich alles wie eine große Lüge an. Als sei ich nur Mittel zum Zweck gewesen, um zwei Menschen, die mir mehr bedeuteten als alles andere, zu ihrem Glück zu verhelfen.

Die Leidtragende war am Ende wieder ich. Wieder musste ich zurückstecken und wieder stand ich einsam auf weiter Flur und keiner schien mich mehr beachten zu wollen. Wie konnte ich auch nur die Naivität besitzen, zu glauben, dass es einmal um mich gehen würde? Das ich einmal eine wichtige Person für irgendeinen Menschen sein könnte? Das wirklich jemand an meinem Wohl interessiert war? 

Ich wollte glücklich sein, doch durfte es nicht. All die Steine, die man mir in den Weg gelegt hatte, hatte ich zu einem schönen Haus aufgetürmt - und dieses wurde jetzt mit einer Abrissbirne zum Einsturz gebracht. Die Mauern fielen ineinander zusammen und die harte Arbeit von Wochen schwand dahin. 

Meine Vermutung, dass ich von sozialer Unfähigkeit betroffen war, bestärkte sich einmal mehr. Es musste an mir liegen, oder nicht? Wieso sonst gab ich mir die allergrößte Mühe, nur um am Ende wieder in den Arsch getreten zu werden? Wieso erklärte ich eine Person für die beste Freundin der Welt, die mir schließlich doch in den Rücken fiel. Das Messer, das mir von hinten in den Rücken gesteckt wurde, steckte tief und löste eine stark blutende Wunde aus. Ich würde an dieser Wunde zerbrechen, sterben und am Ende am Boden liegen und nicht mehr aufstehen können.

Und dann? Glaubte ich daran, das die Person, die mich derart betrogen hatte, dann für mich da sein würde, mir wieder auf die Beine half und die Wunde versorgte? Nein, das glaubte ich nicht mehr. Für mich war dieser Mensch gestorben. Sie hatte mein Vertrauen missbraucht, hatte mit meinen Gefühlen gespielt und mir mehrere Ohrfeige ins Gesicht verpasst, sodass alles, was von ihr und ihrer scheinbar geheuchelten Freundschaft blieb, ein trauriges Nachspiel war. Es schien ein perfider Plan gewesen zu sein, der vom Anfang bis zum Ende durchkalkuliert war und bei dem sie keine Kosten und Mühen gescheut hatte, um mich am Ende als am Boden zerstörte Verliererin zu sehen.

Heute war der Tag, an dem ich endgültig kapitulierte. Mein Leben war nicht mehr lebenswert. Jetzt hatte ich alles verloren. Wirklich alles. Am Montag würde der bittere Schulalltag wieder losgehen, am Mittwoch würde Mark zurückkehren und schon wiederholte sich mein Schicksal. Ich wäre wieder nur das Mädchen, das mit einer Zielscheibe auf dem Rücken durch die Flure der Schule ging und quasi auf der Stirn "Beleidige und demütige mich" tätowiert hatte. Ich war ein Geschenk für all jene, die ihr Ego stärken wollten und sonst niemanden hatten, an dem sie es ausleben könnten. 

Mit einem Mal hatte sich meine ehemalige beste Freundin auf die Schwarze Liste katapultiert. Und mit ihr mein Schwarm. Ja, genau: Er war noch immer mein Schwarm. Gefühle konnte man nicht einfach von jetzt auf gleich abschalten. Er hatte sich für die Falsche entschieden, aber mir blieb nichts anderes übrig, als diese Entscheidung zu tolerieren. Ich hatte keinen Anspruch auf ihn. Er war nicht mein Eigentum. Und er würde es auch nicht werden.

Still Human - Immer noch Mensch | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt