Kapitel 41 - Einen Monat später

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Ich habe mich immer gefragt wo 'Danach' anfängt und wie es dann weiter geht. Keiner konnte mir je darauf die richtige Antwort geben. Mein mittlerweile gewachsener Erfahrungsschatz sagt mir, das danach erst anfängt, wenn 'Jetzt' aufhört - und mit den richtigen Leuten kann das immer und überall der Fall sein.

In meinem Leben hat mich vieles Überwindung gekostet. Der Schulwechsel, die neuen Leute, aus der alten Umgebung gerissen zu werden, nicht akzeptiert zu werden. Und immer wieder habe ich das Licht und das eigentliche Ziel aus den Augen verloren: Das Glück. Es sollte nicht wichtig sein, was Andere von dir halten. Wichtig ist, was du von dir hältst. Mach etwas aus dir, auch wenn andere der Meinung sind, dir Steine in den Weg legen zu müssen. Reiß dich zusammen und baue ein Haus aus diesen Steinen. Und dann lass nur die Menschen in dein Leben, die dir gut tun. Es sind nicht alle Menschen gleich. Man sollte offen für jene sein, die mit wirklich guten Absichten in dein Leben treten und dich an ihrer positiven Erfahrung teilhaben lassen wollen.

Wochenlang war ich eine Gefangene meiner selbst. Ich habe mich in ein tiefes, schwarzes Loch fallen lassen, habe alles abgeblockt, was mir gut getan hätte und bin anschließend in einem niemals endenden Teufelskreis gelandet, den ich ohne Freundschaft und Liebe niemals hätte durchbrechen können. Wenn ich in den vergangenen Wochen eine Sache gelernt habe, dann definitiv die, das Aufgeben niemals die Lösung aller Probleme ist. Es ist falsch, als letzten Ausweg die Möglichkeit zu sehen, sein Leben einfach wegzuwerfen. Irgendwo gibt es immer Hilfe - man muss nur offen und empfangsbereit dafür sein. 

Durch meinen geplanten Schuss auf Mark habe ich eine weitere Sache gelernt: Gewalt ist nie die Lösung. Und Gleiches sollte nie mit Gleichem vergolten sein. Du kannst nicht von jedem geliebt werden. Einige zeigen dir das, andere nicht. Und wenn dich jemand hasst und es dir zeigt, dann sei trotzdem nett zu ihm. Das ärgert diese Person viel mehr, als die Tatsache, dass du unter seinem Druck zusammenbrichst. Mark und ich haben uns bis heute nicht ausgesöhnt. Und das wird auch nie passieren. Klar ist aber, dass ich aufgehört habe, ihn zu einem wichtigen Teil meines Lebens zu machen. Ich habe eingesehen, dass er das nie war. Er hat sich zwar mit aller Macht in den Mittelpunkt gedrängt und versucht, mein Leben um ihn aufzubauen, aber er war nie der Protagonist meiner Geschichte. 

Auch einen Monaten später ist jeglicher Kontakt zu Mark abgebrochen. Laut allem, was ich gehört habe, haben seine Eltern ihn auf eine Militärschule geschickt. Dort soll er richtig erzogen werden und gezeigt bekommen, das Mobbing aus einem keinen besseren Menschen macht. Laut dem, was ich gehört habe, ist er sehr unglücklich dort und bekommt nicht den Respekt, den er an meiner alten Schule bekommen hatte. Er ist jetzt nur noch einer von vielen. Und das ist auch die Rolle, die ihm am Besten zu Gesicht steht.

Apropos: Ja, richtig gehört. Meine alte Schule. Im Gespräch mit meinen Lehrern und meinen Eltern haben wir es für die beste Entscheidung gehalten, dass ich erneut die Schule wechsle. Eine Rückkehr wäre ohnehin ausgeschlossen gewesen. Für alle anderen Mitschüler wäre ich nur die Psychopathin mit der Waffe gewesen. Das wäre mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Ruf, der mich glücklich gemacht hätte. An meiner neuen Schule wusste niemand, was an meiner alten Schule passiert war. Ich versuchte auch, es allen möglichst zu verheimlichen. Dieser Teil meiner Geschichte gehörte einer schlimmen Phase an und ich war gerade versucht, diesen Part aus meinem Leben zu streichen.

An der neuen Schule ging es mir besser. Ich wurde herzlich aufgenommen und meine Klasse kümmerte sich rührend um mich. Es war so, als wäre ich schon immer Teil dieses Klassenverbunds gewesen. Ich hatte endlich Menschen, die mich zu schätzen wussten, die mich nicht als Abtrünnige ansahen und die Zeit mit mir verbrachten, weil sie es wollten. Menschen, die ich ehrlich in mein Herz schließen konnte und die nach einiger Zeit einen wichtigen Teil meines Lebens ausmachen würden. Ich konnte hier glücklich werden - und noch viel wichtiger: Ich konnte unbesorgt meinen Schulabschluss machen. Meine Noten haben sich seit dem Schulwechsel deutlich verbessert.

Still Human - Immer noch Mensch | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt