10 - Jahrbuch -

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Ich betrete unsere Wohnung und angle den Kellerschlüssel von der Anrichte, bevor ich hastig die Treppen nach unten stürme.
Ich glaube nicht nur, dass ein Foto von Carina im Jahrbuch ist - ich weiß es. Ich habe es oft genug angesehen. Stundenlang.
Das letzte mal liegt schon länger zurück, vier Jahre um genau zu sein.
Und eigentlich will ich es gerade auch gar nicht Lilou zeigen, sondern es selbst sehen. Dieses Verlangen brennt in mir und als ich im Keller ankomme, muss ich mir die Seite halten, so schnell bin ich hinuntergerannt.
Ich komme fast nie in den Keller.
Wozu auch? Hier liegen nur ausrangierte Dinge, eine alte Kommode von Lilou, mein Fahrrad, das ich schon ewig reparieren lassen will...und meine Kiste mit Andenken an die Schulzeit, an meine Kindheit in Deutschland.
Sie ist zugestaubt und mit zittrigen Händen wische ich das Gröbste weg und öffne sie.
Ich muss nicht lange suchen. Gleich unter einem Stapel Zeichnungen aus dem Kunstunterricht liegt mein Jahrbuch aus dem letzten Schuljahr. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. Ich habe Lilou gerade mal von dem ersten Halbjahr der 11.Klasse erzählt. Dabei hatte ich Carina noch weitere anderthalb Jahre.
Es gibt so viele Erinnerungen zwischen uns.
Ich schnappe mir das Buch und hechte wieder nach oben in die Wohnung, bevor ich im Keller erfriere.

Oben in der Wohnung finde ich Lilou auf dem Sofa vor.
„Draußen wurde es ein wenig kühl", sagt sie und ich lasse mich neben sie auf das Sofa fallen.
Meine Atmung geht flach und mein ganzer Brustkorb erzittert durch meinen Herzschlag und ich würde mir gerne einreden, dass es nur vom Rennen kommt, aber ich weiß es besser.
„Hier"
Ich reiche Lilou das Jahrbuch und sie beginnt sofort eifrig darin zu blättern.
Ich starre geradeaus vor mich hin und warte darauf, dass sie das Foto findet.
Ich weiß genau auf welcher Seite es ist, aber ich sage nichts.
„Ist sie das?"
Ich nicke und erlaube mir, nach vier Jahren, endlich wieder dieses Foto anzusehen.
Es zeigt meinen Französischkurs direkt nachdem wir das Französischabitur geschrieben haben. Alle sehen total fertig aus, die meisten tragen Jogginghosen, einfach weil es bequemer ist, wenn man 6 Stunden auf einem Stuhl hocken muss.
Doch alle grinsen erleichtert in die Kamera und werfen ihre Hände vor Freude in die Luft. Julian tut so, als würde er ein Französisch-Wörterbuch in der Mitte durchreißen.
Nur Carina und ich passen nicht ganz ins Bild. Ich trage zwar auch eine Jogginghose, aber das ist auch alles was mich mit den anderen verbindet.
Durch den Schlabberlook des Kurses sticht Carinas Schönheit noch viel mehr hervor.
Sie trägt eine enge Jeans und eine grüne Bluse die relativ tiefe Blicke gewährt. Ihre Haare stecken in der üblichen Hochsteckfrisur, die ihrem Gesicht so schmeichelt. Besser hätte man die typische Carina nicht abbilden können.
Auf dem Bild sieht man, wie ich sie ansehe, mein Gesichtsausdruck ist ein wenig traurig. An diesem Tag hatte ich bereits beschlossen Deutschland zu verlassen, sie zu verlassen.
Carina dagegen hat ihr Gesicht vollständig mir zugewandt und strahlt. Sie sieht so lebendig aus, es würde mich nicht wundern, wenn sie plötzlich aus dem Bild hüpfen würde.
Auf dem Weg nach Frankreich habe ich das Bild im Zug unablässig angesehen und dann nie wieder.
Bis heute.

„Sie ist...wirklich schön", bringt Lilou nach einer Weile hervor.
Ich reagiere darauf nicht, sondern starre nur das Bild an, bis Lilou das Buch zuklappt.
Sie legt es auf dem Couchtisch ab und wendet sich dann mir mit einem begierigen Blitzen in den Augen zu.
Ich habe schon vorhin bei unserem hitzigen Kuss gemerkt, dass Lilou in der Stimmung für mehr war, aber sie hat mir dennoch zugehört.
Sie ist einfach ein guter Mensch.

Lilou schiebt ihre rechte Hand in meinen Nacken und zieht mich zu sich heran in einen engen Kuss.
Schnell liegt sie auf mir, wir küssen uns wild, wilder als sonst und das will etwas heißen den Lilou ist im Bett nie so sanft wie sonst.
Sie bringt mich dazu aufzukeuchen und es dauert nicht lange, da haben sich ihre Hände fordernd unter mein T-shirt geschoben und es mir ausgezogen.
Ich gebe mich komplett dem Rhythmus hin, den sie vorgibt, ich lasse sie, mich dominieren.
Sie ist eifersüchtig.
Ich hatte es nicht für möglich gehalten, aber es ist trotzdem passiert.
Ich merke kaum, dass sie meinen BH öffnet und sich zu meiner Hose vorarbeitet.
Es dauert nicht lange, bis sie mich zum Stöhnen bringt, bis sich meine Hände in das Ledersofa krallen und eine Welle der Lust mich überrollt.
Doch irgendwas ist anders als sonst, irgendwas stimmt nicht.
Es fühlt sich so an, als ob nur ein Teil von mir hier wäre und als ob der andere Teil von mir, immer noch das Foto betrachten würde.
Ich lasse mir nichts anmerken und setzte mich auf, um mich bei Lilou zu revanchieren.
Sie ist nur ihr T-shirt losgeworden, doch sie trägt keinen BH, das tut sie nie und ich gebe zu, ich habe eine Schwäche dafür, also wandern meine Hände gleich zu ihren Shorts.
Ich berühre ihren ganzen Körper, so wie ich weiß, dass sie es liebt, aber ich selbst genieße es zum aller ersten Mal in meinem Leben nicht.
Ich fühle mich schuldig, wie eine Betrügerin.

Lilou schläft neben mir auf dem Sofa ein. Ich decke sie sorgfältig mit einer Decke zu und betrachte ihr friedliches Gesicht. Sie ist wunderschön und ganz anders als Carina.
Und ich liebe sie wirklich.
Aber dieser Abend hat etwas verändert, meine Gedanken kreisen um Carina, so sehr, dass es mir keine Ruhe lässt.
Es ist der krasseste Rückfall, den ich je erlebt habe, ich fühle mich, als wäre ich wieder 17 und auf der Höhe meiner Verliebtheit.
Ich finde keine Ruhe, so sehr ich es auch versuche.
Ich tigere durch die Wohnung, versuche mir selbst einzureden, das ich mich blödsinnig verhalte, aber es hilft alles nichts.

Als Lilou am Morgen erwacht habe ich einen Entschluss gefasst.

Soooooo, dieses Kapitel fällt aus der Norm und ich hoffe es gefällt euch trotzdem!
Danke an alle, die im letzten Kapitel so liebe Kommentare mit Vorschlägen geschrieben haben!!
Ihr habt Glück: sie decken sich ziemlich damit, was ich vorhabe... ;)

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