Ich hätte mir denken können, dass Ava errät, wohin wir fahren. Ist es nicht auch die Klugheit, die ich so an ihr liebe?
Ich schmolle ein bisschen, um Avas Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Sie wühlt in ihrer Tasche.
„Was suchst du?", frage ich.
Sie seufzt. „Ich glaube ich habe mein Handy zu Hause vergessen"
„Willst du jemanden anrufen?", wundere ich mich.
„Nein, nein", wehrt sie ab und deutet auf ein Schild einige Meter vor uns. „Guck mal, ist das nicht ein Wegweiser zum See?"
Ich bremse ab und folge dem Schild auf einen Waldweg.
„Ich glaube wir sind damals hier langgegangen", sage ich.
Ava schaut die Landschaft mit einem Stirnrunzeln an. „Kann schon sein...hier sieht alles gleich aus und-"
„-und es war total eingeschneit", beende ich ihren Satz.
„Ja. Das war es", murmelt sie selig.
„Und ich hatte nur Augen für dich"
„Ebenfalls"Mit dem Auto brauchen wir nur wenige Minuten bis zum See und nicht wie damals auf der Kursfahrt eine halbe Ewigkeit.
Es ist anders, hier im Sommer und es ist anders, weil wir nicht mehr die Ava und Carina von damals sind.
Es ist besser.
Jedenfalls für mich. Ich werfe einen Seitenblick auf Ava. Ich hoffe, dass sie genauso empfindet.
Ich parke das Auto auf einem beinahe leeren Parkplatz. Menschen beladen ihre Autos nach einem langen Nachmittag am See und machen sich auf den Heimweg. Kinder mit riesigen Gummireifen und Spuren von Schokoladeneis im Gesicht.
Sie alle kommen uns entgegen, während wir die letzten paar Meter zum See schlendern.
Ich greife nach Avas Hand und wir verschränken unsere Hände.
Es fühlt sich so sicher und vertraut an, dass ich mir nicht mehr vorstellen kann wie es noch vor 24 Stunden war. Wie ich da gelebt habe, ohne ihre Hand zu halten.
„Ich hatte den See kleiner in Erinnerung", stellt Ava fest, als wir am Ufer angekommen sind. Ihr Blick scheint die gesamte Landschaft auf einmal aufzunehmen.
„Lag vermutlich an der Schneedecke", sage ich.
Sie nickt. „Aber diese Häuser sind neu"
Ich folge ihrem Blick und sehe, dort wo vor einigen Jahren noch Wald war, einige Bars, kleine Holzhäuser und ein Hotel.
Ein schickes Hotel.
Manchmal hat man das Gefühl, dass das Schicksal einem den Weg vorzeichnet und das ist genau so ein Moment.
„Ich hab was vergessen, wartest du kurz hier?", sage ich zu Ava und gebe ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.
„Okay", flüstert sie und ich gehe zügig zurück zum Auto.
Jetzt ist der Parkplatz wirklich leer.
Ich hole Avas Tasche und aus dem Kofferraum meine „Notfall-Kosmetiktasche", die ich dort deponiert habe, nachdem ich mal ohne Zahnbürste und das ganze Zeug auf einem Rastplatz übernachtet habe, weil mein Auto mal spontan kaputt gegangen ist.Als ich zurückkomme sitzt Ava auf einer Bank, mit dem Rücken zu mir. Ich bleibe kurz stehen, um diesen Anblick in Ruhe für mich festhalten zu können. Sie ist so schön.
Das Dämmerlicht legt einen mysteriösen Schatten auf sie. Dann dreht sie ihren Kopf leicht und ihre Haare rutschen von ihrem Nacken runter. Wie kann ein Nacken so... sexy sein?
Ich trete näher heran und küsse sie dort. Ava erschrickt nicht. Ich beiße mir auf die Lippe, um ein Lachen zu vermeiden. Sie wusste, dass ich dort stehe und sie wusste was ihr Anblick mit mir macht. Ava.
„Komm mit", sage ich.
Sie fragt nicht wohin. Vielleicht weiß sie auch das schon. Oder vielleicht ist das einfach dieses Vertrauen, dass sie in mich hat. Der Gedanke lässt mein Herz höher schlagen.
Wir verschränken unsere Hände miteinander und schlendern weiter am Fluss entlang.
Irgendwann lehnt Ava ihren Kopf an meine Schulter und ich umfasse sie mit meinem Arm. Ihr Duft umspielt meine Nase und ich halte Ava einfach so, während wir weiter und weiter gehen.Als wir am Hotel ankommen ist die Dunkelheit vollkommen. Ein paar Straßenlaternen werfen ein träumerisches Licht über den See. Ich verliere mich für einen Augenblick in diesem Anblick.
Avas Körper erzittert ein wenig und ich reiße mich aus meiner Verträumtheit.
„Ich habe leider keine Jacke, die ich dir geben kann", sage ich und reibe ihre Arme auf und ab.
Ich ziehe sie langsam an der Hand ins Hotelyfoyer.
„Aber wir können einfach reingehen", füge ich hinzu.
„Carina!", protestiert Ava und bleibt stehen. „Das sieht aus als würde es ein Vermögen kosten"
„Ich hab eins angespart in all den Jahren, nur für dich", scherze ich und unterbinde mit einer Geste jegliche Widerrede.
Ava rollt mit den Augen und ich schiebe sie weiter in Richtung Empfang.
„Ist ja gut Frau Lehrerin, ganz sachte mit deiner Autorität", murmelt sie und bringt mich zum Schmunzeln.
Sie mag diese Lehrerin-Schülerin Dynamik zwischen uns immer noch, genauso wie ich. Es gibt uns Halt.Ich ignoriere Avas entsetzte und missbilligende Blicke, während ich ein Zimmer mit Seeblick und einen Tisch beim Abendessen buche.
Auch auf dem Weg zum Aufzug schüttelt sie ununterbrochen den Kopf.
Ich beende ihr Theater genau in dem Moment, in dem sich die Aufzugtüren schließen.
Bevor sie mir weiter vorwerfen kann, dass ich mein Geld für sie ausgebe oder sie versucht zu berechnen, wie viele Stunden sie kellnern müsste, um mich abzubezahlen, habe ich sie gegen die Wand gepresst und wir versinken in einem gierigen Kuss.
Mit einer Hand fixiere Avas Hände über ihrem Kopf und mein Oberschenkel windet sich zwischen ihre Beine. Meine andere Hand wandert zielstrebig unter ihr T-shirt. Sie wimmert leise und meine Atmung geht stoßweise. Unsere Lippen treffen aufeinander wieder und wieder.
Und dann ist es auch schon wieder vorbei.
Ein Klingelgeräusch symbolisiert uns, dass wir im 6. Stock angekommen sind, nur wenige Sekunden später öffnen sich die Türen.
Ava schafft es gerade noch ihr T-shirt wieder runterzuziehen, bevor Leute in den Aufzug hineinströmen und sie mit rotem gesenkten Kopf, ich mit unkontrollierter Atmung, hinaus.
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You were my first love [lehrerinxschülerin]
Teen FictionAva ist 22, lebt in Paris, ist glücklich verlobt - ihr Leben könnte gerade nicht besser sein. Wären da nicht die Erinnerungen, die sie heimsuchen, Gedanken, die sie unterdrückt. Gedanken an ihre erste große Liebe, die sie auch nach Jahren noch nich...